European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00081.15K.0702.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 908,64 EUR (darin enthalten 151,44 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war KFZ‑Haftpflichtversicherin des Probefahrtkennzeichens *****. Dem zwischen den Parteien bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (AKHB 2007/1 in Folge AKHB) zugrunde, die auszugsweise lauten:
„ Artikel 9
Was ist vor bzw nach Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten? (Obliegenheiten)
1. Als Obliegenheiten, deren Verletzung im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs 1 und Abs 1a VersVG), werden bestimmt,
1.1. Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeuges einzuhalten; ...
3. Als Obliegenheiten, deren Verletzung nach Eintritt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs 3 VersVG), werden bestimmt, ...
3.4. nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhaltes beizutragen; ...
Artikel 11
Inwieweit ist die Leistungsfreiheit des Versicherers bei Verletzung einer Obliegenheit oder einer Erhöhung der Gefahr beschränkt?
1. Die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Verletzung einer Obliegenheit oder einer Erhöhung der Gefahr beträgt 11.000 EUR, für jeden Versicherungsfall insgesamt höchstens 22.000 EUR. ...
Artikel 21
Welche Sonderbestimmungen für andere Arten von Fahrzeugen und Kennzeichen gibt es?
...
3. Probefahrtkennzeichen
Bezieht sich der Versicherungsvertrag auf Probefahrtkennzeichen, so besteht Versicherungsschutz für das Fahrzeug, an dem jeweils die Kennzeichentafel mit dem Probefahrtkennzeichen angebracht sind. Auf Probefahrten ist Artikel 9.1.1. sinngemäß, hingegen nicht Artikel 10 anzuwenden. “
Der Beklagte war Gebrauchtwagenhändler mit Firmensitz in ***** W*****.
Am 6. 1. 2012 fuhr er von seinem Wohnsitz zu einem Kundentermin. Er nahm seine Ehefrau, S***** V*****, mit, um sie im auf dem Weg liegenden Haus der Schwiegermutter abzusetzen. Auf dieser Fahrt verursachte der Beklagte mit seinem PKW, an dem das bei der Klägerin haftpflichtversicherte Probefahrtkennzeichen angebracht war, einen Verkehrsunfall. Ihn und den Lenker des gegnerischen Fahrzeugs, C***** S*****, trifft ein Mitverschulden von je 50 %. Im Fahrzeug des Unfallsgegners fuhren noch J***** K***** und E***** S***** mit.
Am 10. 1. 2012 teilte der Beklagte einem Mitarbeiter der Klägerin im Zuge der Erstellung der Schadensmeldung mit, dass seine Frau im Auto saß.
Die Klägerin leistete auf Grund des Unfalls Zahlungen in Höhe von insgesamt 13.124,33 EUR. Davon erfasst sind 11.576,67 EUR an Haftpflichtansprüchen: So zahlte sie 4.250 EUR (Schmerzengeld, Kleiderschaden, pauschale Unkosten) an S***** V*****; weiters ersetzte sie der OÖGKK Behandlungskosten für S***** V***** von 5.383,44 EUR, für E***** S***** von 387,15 EUR und für C***** S***** von 1.556,08 EUR.
Sie beglich die dem Beklagten für Aufräumarbeiten vorgeschriebenen Kosten der Freiwilligen Feuerwehr in Höhe von 149,50 EUR. Des weiteren wandte sie 2.176,20 EUR an Regulierungskosten (Kosten für Kopien des Strafakts, Kosten für Sachverständigengutachten) auf.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von 16.023,06 EUR sA und die Feststellung, dass der Beklagte ihr gegenüber für sämtliche Aufwendungen zu 100 % hafte, die sie als KFZ‑Haftpflichtversicherer des Probefahrtkennzeichens ***** auf Grund des Verkehrsunfalls vom 6. 1. 2012 zu leisten haben werde. Sie sei gegenüber dem Beklagten leistungsfrei und daher hinsichtlich der an sie herangetragenen Ansprüche der geschädigten Dritten zum Regress berechtigt. Der Beklagte habe vor dem Unfall vereinbarungswidrig das bei der Klägerin haftpflichtversicherte Probefahrtkennzeichen auf dem von ihm gelenkten Fahrzeug angebracht, obwohl es sich nicht um eine Probefahrt gehandelt habe. Der Unfall habe sich auf dem Weg zum Haus der Schwiegereltern des Beklagten ereignet, wohin er seine Frau, die sich als Beifahrerin im Fahrzeug befunden habe, mitgenommen habe. Dadurch habe der Beklagte gegen die Obliegenheit des Artikel 9.1.1. iVm Artikel 21.3. der AKHB verstoßen. Darüber hinaus habe er auch die Obliegenheit verletzt, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen (Art 9.3.4. AKHB), weil er weder die gemäß § 45 KFG zu führenden Aufzeichnungen über eine Probefahrt vorgelegt bzw die gegenständliche Fahrt vor Fahrtantritt nicht in das zu führende Fahrtenbuch eingetragen, noch den Umstand angegeben habe, dass sich der Unfall auf der Fahrt zwischen seinem Wohnort und dem Haus seiner Schwiegereltern, wohin er seine Frau zu bringen beabsichtigt habe, ereignet habe. Gemäß Art 11 AKHB sei die Klägerin daher gegenüber dem Beklagten jedenfalls bis zu einem Betrag von 22.000 EUR leistungsfrei und in diesem Umfang zum Regress berechtigt. Bislang habe die Klägerin auf Grund des Verkehrsunfalls Aufwendungen in Höhe von insgesamt 16.023,06 EUR gehabt. Der Haftpflichtanspruch hinsichtlich des gegnerischen Lenkers werde nur im Ausmaß des Mitverschuldens des Beklagten von 50 % geltend gemacht. Die die Abwicklung betreffenden, von der Klägerin trotz Leistungsfreiheit gemachten Aufwendungen, hätte der Beklagte bei Abwicklung durch ihn selbst jedenfalls tätigen müssen.
Der Beklagte bestreitet. Er habe sich zum Unfallszeitpunkt auf der Fahrt zu einem Kundentermin befunden, um eine Probefahrt zu unternehmen. Auf diesem Weg liege das Haus seiner Schwiegereltern, wohin seine Frau fahren habe wollen, weshalb er sie im Fahrzeug mitgenommen habe. Die Nichtvorlage des Fahrtenbuchs stelle mangels Relevanz für die Schadensabwicklung keine Obliegenheitsverletzung dar. Das Feststellungsbegehren sei jedenfalls entsprechend betragsmäßig zu begrenzen. Ausgehend von einem rechtskräftig festgestellten Verschuldensverhältnis zwischen den beiden Unfalllenkern von 1 : 1 habe die Klägerin die Möglichkeit, sich gemäß § 11 EKHG für erbrachte Leistungen beim Unfallgegner anteilig zu regressieren, wozu sie in Erfüllung ihrer Schadensminderungspflicht verpflichtet sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging von einer Verletzung der Obliegenheit des Artikel 9.1.1. AKHB aus, weil die Fahrt nicht als Probe‑, sondern als Privatfahrt zu qualifizieren sei. Allerdings sei die Obliegenheit des Artikel 9.1.1. AKHB der Bestimmung des § 6 Abs 1a erster Satz VersVG zu unterstellen. Die Prämie eines „blauen Taferls“ sei wesentlich geringer als die für Privatfahrzeuge. Rechtserzeugendes Vorbringen, welches eine Aliquotierung iSd § 6 Abs 1a VersVG zulassen würde, sei nicht erstattet worden.
Aus dem Unterlassen, ein Fahrtenbuch zu führen, könne keine Verletzung der Obliegenheit erwachsen. Dem Beklagten sei weiters der Kausalitätsgegenbeweis gelungen. Die Nichtvorlage des Fahrtenbuchs sei ohne Auswirkung geblieben. Soweit der Beklagte nicht mitgeteilt habe, dass er sich auf einer Privatfahrt befunden habe, handle es sich um eine rechtliche Würdigung und könne eine derartige Subsumtion dem Beklagten nicht vorgeworfen werden.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in ein Teilurteil ab, mit dem es den Beklagten zur Zahlung von 13.124,33 EUR sA verpflichtete und das Feststellungsbegehren hinsichtlich einer 22.000 EUR übersteigenden Regresspflicht abwies. Im Übrigen, sohin im Umfang des weiteren Zahlungsbegehrens von 2.898,77 EUR sA und des Feststellungsbegehrens hinsichtlich einer Regresspflicht des Beklagten bis 22.000 EUR, hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurück. Da der Beklagte unter Mitnahme seiner Frau zum Haus der Schwiegermutter unterwegs gewesen sei, handle es sich nicht um eine Probe‑, sondern um eine Privatfahrt, auch wenn das Haus der Schwiegermutter auf dem Weg zu seinem anschließenden Kundentermin gelegen sein möge. Der Beklagte habe damit die Obliegenheit des Artikel 9.1.1. iVm Artikel 21.1. AKHB verletzt. Ob ein Fall des § 6a Abs 1 erster Satz VersVG vorliege, könne dahingestellt bleiben, weil sich keine Partei auf eine dort geregelte Aliquotierung berufen habe, wobei der Versicherungsnehmer den Beweis dafür zu erbringen habe, dass es sich bei der von ihm verletzten Obliegenheit um eine äquivalenzwahrende Obliegenheit handle. Die Klägerin sei daher nach Maßgabe des Artikel 11 AKHB leistungsfrei.
Der Beklagte habe bis zu seiner Parteieneinvernehmung in der Tagsatzung vom 21. 7. 2014 nicht angegeben, dass er die entscheidende Fahrt nicht von seinem Firmensitz, sondern von seinem Wohnsitz aus angetreten habe. Durch seine in entscheidenden Punkten unvollständigen Angaben habe er die Obliegenheit des Artikel 9.3.4. AKHB in objektiver Hinsicht verletzt. Mangels entsprechender Behauptungen habe er weder den Beweis eines geringeren Verschuldensgrades als grobe Fahrlässigkeit noch den Kausalitätsgegenbeweis angetreten. Die Leistungsfreiheit der Klägerin sei bei Verletzung zweier unterschiedlicher Obliegenheiten mit 22.000 EUR begrenzt.
Auf Grund der vorliegenden Solidarhaftung der beiden Lenker bestehe keine Verpflichtung der Klägerin, die Hälfte der Schäden beim Unfallgegner zu regressieren. Insoweit liege kein Fall einer Schadensminderungspflicht vor, zumal auch dem Beklagten ein derartiger Regress freistehe. Insgesamt ergebe sich daher ein Zuspruch von 13.124,33 EUR. Nicht mehr strittig sei, dass eine Haftung des Beklagten über einen Betrag von 22.000 EUR hinaus nicht bestehe, sodass das Feststellungsbegehren in diesem Umfang abzuweisen gewesen sei. Hinsichtlich der Entscheidung über den weiteren Zahlungsanspruch von 2.898,77 EUR und die Feststellung der Haftung des Beklagten bis 22.000 EUR sei infolge sekundärer Feststellungsmängel mit einer Aufhebung des Urteils vorzugehen.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision gegen das Teilurteil sei zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Behauptungs‑ und Beweislastverteilung im Hinblick auf die Anwendung der Verhältnismäßigkeitsregel des § 6 Abs 1a erster Satz VersVG bestehe. Es sprach hingegen nicht aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher nur das Teilurteil des Berufungsgerichts.
Gegen dieses Teilurteil wendet sich die Revision des Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Dem Revisionswerber ist beizupflichten, dass der Versicherer gemäß § 6 Abs 5 VersVG aus einer fahrlässigen Verletzung einer vereinbarten Obliegenheit Rechte nur ableiten kann, wenn dem Versicherungsnehmer vorher die Versicherungsbedingungen ausgefolgt worden sind oder ihm eine andere Urkunde ausgefolgt worden ist, in der die Obliegenheit mitgeteilt wird (RIS‑Justiz RS0121518), wobei die Beweislast für das rechtzeitige Ausfolgen der AVB und die Vollständigkeit der Information nach allgemeinen Regeln den Versicherer trifft (RIS‑Justiz RS0121521).
Die für die Anwendung einer bestimmten Rechtsnorm erforderlichen Tatsachen in einem Verfahren, in dem kein Untersuchungsgrundsatz gilt, müssen durch Parteivorbringen eingeführt werden. Stützt sich der Versicherer auf seine AVB, so beinhaltet das die allgemeine Behauptung, er habe sie dem Versicherungsnehmer vorher ausgefolgt. Erst wenn der Versicherungsnehmer eine Ausfolgung der AVB bestreitet, löst dies eine weitere Behauptungs‑ und Beweislast des Versicherers aus. Ein solcher Einwand wurde vom Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben und er beschränkte sich in der Revision auf den Hinweis des Fehlens entsprechender Behauptungen durch die Klägerin. Sein Einwand wäre aber ohnedies wegen der Verletzung des Neuerungsverbots unbeachtlich. Das Argument, die Klägerin könne sich nicht auf die fahrlässige Verletzung der (vereinbarten) Obliegenheit stützen, geht ins Leere.
2. § 6 VersVG unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Obliegenheiten. Unter einer Obliegenheitsverletzung ist nicht jeder Verstoß gegen Verpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer obliegen, zu verstehen. Vielmehr muss es sich um eine Verletzung solcher besonderer Pflichten handeln, die unter der Sanktion der Leistungsfreiheit stehen (RIS‑Justiz RS0080435).
2.1 § 6 Abs 1 VersVG erlaubt für den Fall der Verletzung einer sogenannten schlichten (dh nicht risikobezogenen) Obliegenheit die Vereinbarung der gänzlichen Leistungsfreiheit des Versicherers (und zwar für den Fall, dass den Versicherungsnehmer an der Obliegenheitsverletzung ein Verschulden trifft). Bei einer verschuldeten Obliegenheitsverletzung kann es also zur völligen Leistungsfreiheit des Versicherers kommen, auch wenn die Verletzung der Obliegenheit im konkreten Fall keinen oder nur geringen Einfluss auf die dem Versicherer obliegende Leistung hatte (7 Ob 97/14m).
2.2.1 Artikel 9.1.1. AKHB regelt als Obliegenheit des Versicherungsnehmers vor Eintritt des Versicherungsfalls, Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeugs einzuhalten. Die vereinbarte Verwendung zu Probefahrten, blieb im erstgerichtlichen Verfahren unbestritten.
Liegt eine äquivalenzwahrende Obliegenheit nach § 6 Abs 1a Satz 1 VersVG vor, dann bestimmen sich die Rechtsfolgen einer Verletzung in erster Linie nach dem für alle primären Obliegenheiten geltenden § 6 Abs 1 VersVG. Kündigung und Leistungsfreiheit drohen dem Versicherungsnehmer daher nur bei schuldhafter (zumindest leicht fahrlässiger) Obliegenheitsverletzung. § 6 Abs 1a Satz 1 VersVG enthält lediglich für einen Teilbereich, nämlich für jenen der Leistungsfreiheit eine zusätzliche Regelung, indem er außerdem eine Proportionalitätsregel einführt. Diese stellte anders als jene nach § 6 Abs 2 VersVG nicht auf den „Kausalitätsgrad“, sondern auf den „Äquivalenzgrad“ ab. Die vereinbarte Leistungsfreiheit tritt nur in dem Verhältnis ein, in dem die vereinbarte hinter der für das höhere Risiko tarifmäßig vorgesehenen Prämie zurückbleibt ( Fenvyes in Fenvyes/Schauer VersVG § 6 Rz 80 f; Grubmann , Das Versicherungsvertragsrecht 7 § 6 Anm 2; Schauer , Das Österreichische Versicherungvertragsrecht 3 253 f; Prölls in Prölls/Martin Versicherungsvertragsgesetz 27 § 6 Rn 141f).
Der Versicherer hat die objektive Verletzung der Obliegenheit durch den Versicherungsnehmer zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0043728 [T1, T5]). Bei einer Obliegenheit nach § 6 Abs 1a Satz 1 VersVG muss dann der Versicherungsnehmer beweisen, dass ihn nicht einmal leichte Fahrlässigkeit trifft ( Fenyves aaO § 6 Rz 127). Da § 6 Abs 1a erster Satz VersVG eine im Vergleich zu § 6 Abs 1 VersVG den Versicherungsnehmer begünstigende Regel ist, hat der Versicherungsnehmer auch nachzuweisen, dass der Versicherer das höhere Risiko zu höheren Prämien versichert. Das heißt, um in den Genuss der Verhältnismäßigkeitsregel zu kommen, muss der Versicherungsnehmer beweisen, dass es sich um eine äquivalenzwahrende Obliegenheit handelt ( Fenyves aaO § 6 Rz 129, Prölls aaO § 6 Rn 143, Schwintowski in Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsrecht § 6 Rn 272).
2.2.2 Nach § 45 Abs 1 KFG sind Probefahrten Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um das Fahrzeug vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch Fahrten zur Überführung eines Fahrzeugs an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebs und Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeugs. Um von einer Probefahrt sprechen zu können, muss diese demnach einem der im Gesetz aufgezählten Zwecke dienen. Es wurde bereits ausgesprochen, dass mit dem Hauptzweck der Probefahrt auch Nebenzwecke verbunden werden können, wenn dadurch der Hauptzweck der Probefahrt nicht verloren geht. Dies ist etwa der Fall, wenn anlässlich einer Probefahrt eine Tankstelle oder Toilette aufgesucht wird. Dient eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr zwar zunächst einem der in § 45 Abs 1 KFG angeführten Zwecke, erfährt in der Folge aber der funktionelle Zusammenhang des Verhaltens des Lenkers mit einem dieser Zwecke eine Unterbrechung, die nicht durch eine innerhalb angemessener Zeit vorgenommene Befriedigung von sich täglich einstellenden Lebensbedürfnissen bedingt ist, und wird das betreffende Fahrzeug gleichwohl noch auf der Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet, so liegt insoweit, weil durch die in § 45 Abs 1 KFG vorgesehenen Begriffsmerkmale nicht mehr gedeckt, keine Probefahrt mehr vor (7 Ob 6/84 = RIS‑Justiz RS0065898). Die Verwendung von Probefahrtkennzeichen zu privaten Zwecken (zu Mittagessen zu Hause) ist auch dann unzulässig, wenn mit dieser Fahrt ein geschäftlicher Zweck (anschließende Vorführung des Fahrzeugs bei einem Kunden) verbunden ist (RIS‑Justiz RS0065904).
Ausgehend von den Feststellungen, dass der Beklagte von seinem Wohnsitz aus losfuhr und seine Frau mitnahm, um sie auf dem Weg zu einem Kunden bei ihrer Mutter abzusetzen, erweist sich die Beurteilung der Vorinstanzen, es habe sich um keine Probe‑, sondern um eine Privatfahrt gehandelt, als zutreffend.
Gegen diese Rechtsansicht wendet sich der Beklagte auch nur mit dem unzutreffenden Argument, die Feststellungen hätten mangels entsprechendem Vorbringen der Klägerin der Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden dürfen. Tatsächlich brachte die Klägerin aber ausdrücklich vor, dass sich der Unfall auf der Fahrt vom Wohnort des Beklagten zu seiner Schwiegermutter, wohin er seine Frau zu bringen beabsichtigte, ereignete.
Die Klägerin hat damit die Obliegenheitsverletzung nach Artikel 9.1.1. AKHB dargetan, der Beklagte hingegen keinen Entschuldungsbeweis erbracht.
2.2.3 Es wäre nun Sache des Beklagten gewesen, das Vorliegen einer äquivalenzwahrenden Obliegenheit zu behaupten und zu beweisen.
Der Beklagte rügt in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe ihn mit seiner Rechtsansicht über die ihn treffende Behauptungs‑ und Beweislast überrascht. Hätte es diese mit ihm gemäß § 182a ZPO entsprechend erörtert, hätte er vorgebracht, dass es sich bei Artikel 9.1.1. AKHB um eine solche Obliegenheit handle, die die Äquivalenz zwischen Risiko und Prämien aufrecht erhalten solle. Für den verwendeten PKW habe der Beklagte eine jährliche Prämie von 598,14 EUR für das Probekennzeichen zu zahlen gehabt. Die jährliche Prämie für ein „normales“ Kennzeichen hätte 429 EUR betragen. Dies bedeute, dass das aus der jeweiligen Prämie ableitbare Risiko bei einer Probefahrt deutlich höher sei als bei einer Fahrt mit uneingeschränkter Nutzung, sodass selbst unter Zugrundelegung einer Privatfahrt von einem Zurückbleiben der vereinbarten hinter der für das höhere Risiko tarifmäßig vorgesehenen Prämie keine Rede sein könne und Leistungsfreiheit nicht eintrete.
Ein Verfahrensmangel nach § 503 Z 2 ZPO kann nur dann zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts führen, wenn er wesentlich für die Entscheidung war und sich auf diese auswirken konnte (RIS‑Justiz RS0116273), die Erheblichkeit des Mangels in diesem Sinn ist vom Rechtsmittelwerber darzulegen (RIS‑Justiz RS0043027 [T10, T13]).
Ob dem Berufungsgericht ein Verfahrensverstoß unterlief, kann dahingestellt bleiben, weil der Beklagte schon keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels aufzeigt. Die Leistungsfreiheit entsprechend dem „Äquivalenzgrad“ setzt voraus, dass die vereinbarte Prämie hinter der für das höhere Risiko „tarifmäßig vorgesehenen“ Prämie zurückbleibt. Die Ausführungen des Beklagten gehen vom umgekehrten Fall aus. Der Kläger übergeht, dass er eine Haftpflichtversicherung anstrebt, die sowohl Probe‑ als auch Privatfahrten deckt. Die vereinbarte Leistungsfreiheit tritt in voller Höhe ein.
2.3 Artikel 9.3.4. AKHB regelt als Obliegenheit nach dem Versicherungsfall, dass der Versicherungsnehmer nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen hat.
Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Beweisbelastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RIS‑Justiz RS0116978). Den Versicherer trifft die Beweislast für das Vorliegen des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung. Im Fall eines solchen Nachweises ist es dann Sache des Versicherungsnehmers, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat (RIS‑Justiz RS0081313). Eine leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (RIS‑Justiz RS0043728 [T4]). Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen (RIS‑Justiz RS0116979 [T8]). Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (RIS‑Justiz RS0116979 [T6]). Nur wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“) ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen und der Anspruch verwirkt (RIS‑Justiz RS0081253 [T10]; RS0109766 [T2]). Der Kausalitätsgegenbeweis ist strikt zu führen (RIS‑Justiz RS0079993).
2.3.1 Eine Aufklärungsobliegenheit verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung den Versicherten, nach Möglichkeit zur Feststellung des Sachverhalts beizutragen und alles Zweckdienliche zur Aufklärung des Schadenereignisses selbst dann vorzunehmen, wenn es seinen eigenen Interessen zum Nachteil gereichen sollte (RIS‑Justiz RS0080972 [T12]). Damit sollen nicht nur die nötigen Feststellungen über den Ablauf, die Verantwortlichkeit der Beteiligten und den Umfang des entstandenen Schadens ermöglicht, sondern auch die Klarstellung aller Umstände gewährleistet werden, die für allfällige Regressansprüche des Versicherers von Bedeutung sein können (RIS‑Justiz RS0081010 [T2]). Der Versicherer soll ganz allgemein in die Lage versetzt werden, sachgemäße Entscheidungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen (RIS‑Justiz RS0080972 [T2]). Für den Vorsatz iSd § 6 Abs 3 VersVG genügt das allgemeine Bewusstsein, dass der Versicherungsnehmer bei der Aufklärung des Sachverhalts nach besten Kräften mitzuwirken hat. Dieses Bewusstsein ist heute bei einem Versicherten in der Regel vorauszusetzen (RIS‑Justiz RS0080477).
Entgegen der Ansicht des Beklagten erstattete die Klägerin auch ausdrückliches Vorbringen dahin, dass der Beklagte nicht angegeben habe, dass sich der Unfall auf der Fahrt vom Wohnort zu den Schwiegereltern, zu denen er seine Frau habe bringen wollen, ereignete. Der Fahrtantritt vom Wohnsitz aus setzte voraus, dass der Beklagte vorher sein Fahrzeug vom Firmensitz zum Wohnsitz fuhr. Dem gegenüber brachte der Beklagte nicht vor, dass er über diese Umstände aufgeklärt hätte. Vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts, wonach er auch nur über die ‑ nicht zu bestreitende ‑ Tatsache, dass seine Frau im Fahrzeug war, Auskunft gab, unterließ er die Aufklärung über jedenfalls für allfällige Regressansprüche der Klägerin bedeutsame Umstände.
Die Klägerin hat auch hier die Obliegenheitsverletzung bewiesen. Das Vorliegen bloß leichten Verschuldens wurde vom Beklagten in diesem Zusammenhang weder behauptet, noch bewiesen.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Beklagte auch keinen Kausalitätsgegenbeweis antrat. Wenn der Beklagte wiederum eine entsprechende Erörterung durch das Berufungsgericht vermisst, und dies als Verstoß gegen § 182a ZPO rügt, zeigt er hier ebenfalls keine Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels auf. So enthalten selbst die Revisionsausführungen keine konkreten Tatsachenbehauptungen zu einem Kausalitätsgegenbeweis.
Die Leistungsfreiheit der Klägerin ist daher auch infolge Verletzung der Obliegenheit des Artikel 9.3.4. AKHB zu bejahen.
2.3.2 Die Klärung der Frage, ob das Unterlassen der Führung eines Fahrtenbuchs und das Unterbleiben seiner Vorlage den in Artikel 9.3.4. AKHB geregelten Obliegenheiten zu unterstellen ist, erübrigt sich.
2.4 Da dem Beklagten zu Recht eine Verletzung der Obliegenheit nach Artikel 9.1.1. AKHB und eine solche nach Artikel 9.3.4. AKHB vorgeworfen wird, erhöht sich die Grenze der Leistungsfreiheit der Klägerin gemäß Artikel 11.1. AKHB auf maximal 22.000 EUR.
3. Der Beklagte wendet sich nicht gegen die grundsätzliche Ersatzfähigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Haftpflichtansprüche und Aufwendungen, er hält dem Zuspruch dieser Beträge jedoch entgegen, dass dieser entsprechend dem Mitverschulden des gegnerischen Lenkers im Ausmaß von 50 % zu kürzen wäre und die Klägerin eine Schadensminderungspflicht dahin treffe, Regress gegen den gegnerischen Fahrzeuglenker zu nehmen.
3.1 Im hier gegebenen Fall der Leistungsfreiheit ist der Versicherer gemäß § 24 Abs 4 KHVG berechtigt, hinsichtlich der von ihm den Geschädigten gemäß § 24 Abs 1 KHVG erbrachten Leistungen Regress zu nehmen. Bei der gemäß § 24 Abs 4 KHVG auf den Versicherer übergegangenen Forderung handelt es sich um die ursprüngliche Schadenersatzforderung des Geschädigten gegen den Versicherungsnehmer (oder den Mitversicherten). Das ergibt sich schon aus der Überlegung, dass der Versicherer nach § 24 Abs 1 KHVG im Rahmen der KFZ‑Haftpflichtversicherung, ungeachtet seiner gegenüber dem Versicherungsnehmer eingetretenen Leistungsfreiheit zur Leistung an den geschädigten Dritten verpflichtet ist. Hat er auf Grund dieser Bestimmungen Leistungen erbracht, geht der Schadenersatzanspruch des Geschädigten gegenüber dem Versicherungsnehmer oder dem Versicherten gemäß § 24 Abs 4 KHVG auf ihn über. Durch die in § 24 Abs 4 KHVG festgestellte Legalzession erfährt die betreffende Schadenersatzforderung keine inhaltliche Änderung (7 Ob 311/98f, 7 Ob 233/99m, 7 Ob 227/08w, Novak Österreichisches Straßenverkehrsrecht ‑ Kraftfahrrecht § 24 KHVG zu Abs 4). Dem Versicherungsnehmer stehen zumindest die Einwendungen dem Grunde nach gegen den regresspflichtigen Versicherer aus dem Haftpflichtverhältnis zur Verfügung, insbesondere der Einwand des Mitverschuldens des Unfallgegners (7 Ob 311/98f, 7 Ob 227/08w, Novak aaO).
Da den Lenker des gegnerischen Fahrzeugs, C***** S*****, ein Mitverschulden am Unfall im Ausmaß von 50 % trifft, verweist der Beklagte zutreffend darauf, dass der Regressanspruch der Klägerin betreffend diesen Haftpflichtanspruch entsprechend zu kürzen ist. Diese Kürzung wurde von der Klägerin aber ohnedies bereits vorgenommen.
Dagegen mindert das Mitverschulden des Lenkers des gegnerischen Fahrzeugs wegen Solidarhaftung der Schädiger (vgl RIS‑Justiz RS0022703) nicht die Schadenersatzansprüche der ebenfalls geschädigten Beifahrer und somit auch nicht deren auf den Sozialversicherungsträger übergegangene Ansprüche. Im Hinblick auf § 24 Abs 4 KHVG hat der Regressanspruch der Klägerin hier keine Kürzung zu erfahren. Schon nach der Natur des Anspruchs kommt keine „Schadensminderungspflicht“ in Betracht.
3.2 Neben dem Regress nach § 24 Abs 4 KHVG stehen dem Versicherer auch sogenannte Regulierungskosten aus dem Rechtsgrund des § 1037 ABGB zu. Den eigenen Mehraufwand des Versicherers im Rahmen der Schadensabwicklung hat der Haftpflichtige dann zu ersetzen, wenn das Geschäft zu seinem klaren und überwiegenden Vorteil geführt wurde (vgl RIS‑Justiz RS0019888 zu den Liquidierungskosten im gegen den Versicherer angestrebten Schadenersatzprozess). Bei der Beurteilung, ob der Aufwand des Geschäftsführers ohne Auftrag dem Geschäftsherrn zum klaren, überwiegenden Vorteil gereicht, ist von einer an der Verkehrsauffassung orientierten, objektiven Bewertung auszugehen, die auf alle Interessen des Geschäftsherrn Bedacht nimmt (RIS‑Justiz RS0019950). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Verhältnisse des Geschäftsherrn müssen daher bei vernünftiger Beurteilung durch die Geschäftsführung verbessert worden sein (RIS‑Justiz RS0019869).
Der Beklagte geht nicht davon aus, dass die Regulierungskosten der Klägerin nicht gerechtfertigt seien; er erachtet aber auch hier eine Kürzung um das Mitverschulden des Unfallgegners für erforderlich. Das Ausmaß des Mitverschuldens am Schadenseintritt sagt nichts darüber aus, inwieweit das Tätigwerden des Haftpflichtversicherers zum Nutzen des Versicherungsnehmers erfolgte. Hier dienten die Aufwendungen (Kosten der Kopien des Strafakts, Sachverständigengutachten) der Feststellung des Unfallhergangs und damit auch des Mitverschuldens des Unfallgegners, sowie der allfälligen Leistungsansprüche der Geschädigten und daher dem klaren und überwiegenden Vorteil des Beklagten, wogegen er nichts Stichhaltiges einwendet.
3.3 Soweit die Klägerin den Ersatz der von ihr beglichenen, dem Beklagten von der Feuerwehr für Aufräumarbeiten vorgeschriebenen Kosten begehrt, handelt es sich um einen Anspruch nach § 1042 ABGB, dem der Beklagte nichts rechtlich Relevantes entgegensetzt.
4. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, wobei die Bemessungsgrundlage im Revisionsverfahren 13.124,33 EUR betrug.
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