OGH 3Ob82/15b

OGH3Ob82/15b17.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Friedl & Holler Rechtsanwalt‑Partnerschaft in Gamlitz, wider die beklagte Partei D*****, vertreten durch Dr. Peter Schaden und Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in Graz, wegen 59.595,20 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. März 2015, GZ 11 R 30/15k-67, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00082.15B.0617.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

In der außerordentlichen Revision der Klägerin wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt, weshalb diese als nicht zulässig zurückzuweisen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Der Oberste Gerichtshof hat schon klargestellt, dass die Aufklärungsanforderungen nicht überspannt werden dürfen (RIS-Justiz RS0026362 [T1]) und dass es die Aufklärungspflicht in unvertretbarer Weise ausdehnen würde, wenn nicht nur die Aufklärung über typische, aber seltene Operationsrisken verlangt würde, sondern jeweils auch Hinweise auf typische Komplikationen bei Verwirklichung solcher Risken; den Patienten müsste oftmals eine derartige Fülle von Informationen gegeben werden, dass ihnen eine Einschätzung der Lage nicht ermöglicht, sondern erschwert würde (7 Ob 228/11x). Schon das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, der Beklagte habe die Klägerin über das sehr seltene Risiko einer weiteren Komplikation der Komplikation des Erstrisikos nicht aufklären müssen, weshalb ihm auch nicht anzulasten sei, dass er bei gleich hohem Infektionsrisiko nicht darauf hingewiesen habe, dass, falls die Klägerin einen Spritzenabszess (als Komplikation der Komplikation einer Entzündung) bekomme, bei einer Intramuskulärinjektion ‑ im Gegensatz zu einer Subkutaninjektion ‑ das weitere Risiko einer nekrotisierenden Fasciitis gegeben sei.

Dem ist die Klägerin in der Berufung nur mit der (gegenteiligen) bloßen Rechtsbehauptung entgegengetreten, der Beklagte hätte sie wegen der Behandlungsalternative über das mit der intramuskulären Injektion verbundene höhere Risiko der Komplikation einer nekrotisierenden Fasciitis aufzuklären gehabt, ohne eine Widerlegung der erstgerichtlichen Argumentation auch nur zu versuchen. Zur gesetzmäßigen Ausführung einer Rechtsrüge wäre jedoch darzulegen gewesen, aus welchen Gründen - ausgehend vom festgestellten Sachverhalt - die rechtliche Beurteilung der Sache durch die Vorinstanz unrichtig erscheint. Es fehlt an einer gesetzmäßigen Ausführung, wenn sich die Klägerin ‑ wie hier ‑ mit den Argumenten des Erstgerichts gar nicht auseinandersetzte (RIS‑Justiz RS0043603 [T9]). Da es somit an einer Rechtsrüge in der Berufung der Klägerin zu dieser Rechtsfrage fehlte, hatte sich das Berufungsgericht damit auch nicht auseinanderzusetzen. Es gelangte ‑ wenn auch mit anderer Begründung ‑ zu demselben formalen Ergebnis; ob diese zutreffend ist, kann dahinstehen, weil ein wesentlicher Mangel des Berufungsverfahrens damit nicht verwirklicht werden konnte.

2. Wenn die Klägerin erstmals im Rechtsmittelverfahren eine längere Überlegungsfrist für sich reklamiert, um ihr auch eine Internetrecherche zu ermöglichen, basiert diese Rechtsrüge auf einer unzulässigen Neuerung. Die Absicht, vor der Verabreichung der Injektion weitere Erkundigungen einzuholen, hat sie in erster Instanz nicht behauptet.

Abgesehen davon steht Folgendes fest: Hätte der Beklagte die Klägerin vor die Wahl gestellt, entweder sogleich die tatsächlich gesetzte „D*****“ Injektion intramuskulär verabreicht zu bekommen oder aber einen neuen Termin zu vereinbaren, um dann die Alternative unter den Nabel (subkutan) verabreicht zu bekommen, hätte sich die Klägerin ebenfalls sofort die „D*****“ Injektion verabreichen lassen. Damit bleibt aber für die Annahme, die Klägerin hätte eine ihr angebotene Überlegungsfrist ausgenützt, kein Raum.

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