European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00046.15V.0616.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden ‑ soweit vorliegend von Relevanz ‑ Zoran P***** (A./I./), Pero G***** (A./II./) und Hakija T***** (A./I./) jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall (Hakija T***** auch nach § 143 dritter Fall) StGB, Pero G***** als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB; Zoran P***** und Hakija T***** zudem des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigen und durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 erster Fall, 15 StGB (B./I./ und II./1./) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.
Danach haben
A./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz
I./ am 20. September 2013 in O***** Zoran P*****, Hakija T***** und ein unbekannter Mittäter in einverständlichem Zusammenwirken einem anderen mit Gewalt gegen eine Person fremde bewegliche Sachen unter Verwendung einer Waffe weggenommen, indem Zoran P***** „die Türe zum Wettbüro öffnete, Hakija T***** und der unbekannte Täter in das Innere stürmten und den Angestellten Semir Po***** mit einer Pistole bedrohten, fesselten und knebelten und sodann Bargeld in Höhe von 10.680 Euro aus der Kasse an sich nahmen und zu dem im Fluchtfahrzeug wartenden Pero G***** brachten, der das Fahrzeug sodann vom Tatort lenkte“, wobei die Gewaltanwendung eine schwere Körperverletzung des Semir Po*****, nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung, zur Folge hatte;
II./ Pero G***** zur geschilderten strafbaren Handlung beigetragen, indem er mit dem Fluchtfahrzeug vor dem Tatort wartete, die Umgebung observierte und mit den zu A./I./ genannten Personen samt der Beute davonfuhr.
B./ Zoran P***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig anderen fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert durch Einbruch weggenommen (II./) und wegzunehmen versucht (I./), und zwar:
I./ am 5. oder am 6. Dezember 2013 in S***** Dr. Waltraud R***** Bargeld und Wertgegenstände;
II./1./ in einverständlichem Zusammenwirken mit Hakija T*****
a./ …
b./ am 7. oder am 8. März 2014 in L***** Johann Gr***** im einzelnen bezeichnete Gegenstände (darunter 3.900 Euro Bargeld).
C./ Zoran P***** und Hakija T***** in einverständlichem Zusammenwirken anlässlich des zu B./II./1./b./ geschilderten Einbruchsdiebstahls im einzelnen angeführte Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, die Zoran P***** auf Z 5, 5a und 9 lit a, Pero G***** auf Z 5 und 5a und Hakija T***** auf Z 5, 5a und 10, jeweils des § 281 Abs 1 StPO, stützen. Sie schlagen fehl.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zoran P*****:
Wie die gegen das Raubfaktum (A./I./) gerichtete Mängelrüge (Z 5) selbst einräumt, leitete das Erstgericht die Konstatierungen zum Einsatz einer „echten“ Waffe sowie das Wissen des Angeklagten um diesen Umstand im Wesentlichen aus den Angaben des Angeklagten Pero G***** im Ermittlungsverfahren ab (US 15), wobei es die dazu konträren Einlassungen sämtlicher Angeklagten in der Hauptverhandlung (wonach bloß Spielzeugpistolen verwendet worden seien) auf Basis vernetzter Betrachtung der Verfahrensergebnisse als unglaubwürdig verwarf (US 15 f). Indem die Beschwerde gegen diese Annahmen bloß (angebliche) unterschiedliche zeitliche Bezugspunkte der Angaben der Angeklagten (Autofahrten vor oder nach dem Raub), eigenständige Beweiswerterwägungen betreffend die Glaubwürdigkeit des Angeklagten Pero G***** sowie Schlussfolgerungen des ermittelnden Polizisten ins Treffen führt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Die sich auf das Diebstahlsfaktum zum Nachteil Dris. Waltraud R***** (B./I./) beziehende Beschwerde moniert zunächst unterbliebene Erörterung (Z 5 zweiter Fall) des Umstands, dass aus dem im Bereich der Türzarge am Tatort sichergestellten Spurenmaterial keine für eine eindeutige Typisierung geeignete DNA isoliert werden konnte (vgl ON 133). Mit diesem (neutralen) Beweisergebnis mussten sich die Tatrichter nicht befassen, weil es der Annahme der Täterschaft des Angeklagten Zoran P***** nicht entgegen stand (vgl RIS‑Justiz RS0098646 [T8]).
Der aus dem Umstand, dass bei Zoran P***** aus dem Einbruch zum Nachteil des Johannes Gr***** (B./II./1./b) stammendes Diebesgut sowie Urkunden sichergestellt werden konnte, gezogene Schluss auf die diesbezügliche Täterschaft dieses Angeklagten (US 18 f) ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird im Übrigen Nichtigkeit aus Z 5 (oder 5a) des § 281 Abs 1 StPO nicht aufgezeigt (RIS‑Justiz RS0102162).
Damit geht aber auch das idente auf den Schuldspruch C./ (Urkundenunterdrückung anlässlich dieses Einbruchsdiebstahls) bezogene Beschwerdevorbringen ins Leere.
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher
Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Den genannten Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, die bloß die Argumente der Mängelrüge wiederholt. Aus welchem Grund sich die Angaben des Pero G*****, wonach „die Maskierung und die Waffe entweder T***** oder der 'B*****' bereitgestellt“ hatte (ON 65 S 25), auf die gemeinsame Autofahrt nach dem Raub beziehen sollen, wird im Übrigen nicht klar.
Da das Erstgericht dem Angeklagten Zoran P***** die schweren Verletzungsfolgen bei Semir Po***** gar nicht zur Last legte (vgl US 4, 21), kann das darauf bezogene (aus „advokatorischer Vorsicht“ erhobene) Rechtsmittelvorbringen (Z 9 lit a) auf sich beruhen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Pero G*****:
Ob das Raubopfer die Echtheit der beim Raub eingesetzten Waffen erkannt hat, spielt für den Tatbestand des § 143 zweiter Fall StGB keine Rolle (zur Irrelevanz der Opferperspektive vgl Eder‑Rieder in WK2 StGB § 143 Rz 21/1). Die Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) an unterlassener Berücksichtigung der Angaben des Semir Po*****, wonach er nicht wisse, ob die Pistolen echt waren oder aus Plastik, geht daher ins Leere.
Dem weiteren Beschwerdeeinwand fehlender Erörterung der Angaben des Zeugen Fritz E*****, wonach ihm gegenüber Pero G***** angegeben habe, die „Waffen nicht gesehen“ zu haben (vgl ON 156 S 3), genügt der Verweis auf die genau dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 15).
Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) jene zur bewussten Verwendung einer echten Waffe unter neuerlichem Hinweis auf die Depositionen der Zeugen E***** und Po***** bezweifelt, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen. Im Übrigen gilt das zur Tatsachenrüge des Angeklagten Zoran P***** Gesagte sinngemäß.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hakija T*****:
Mit dem Einwand fehlender Feststellungen dazu, dass (auch) die (mit der Ankündigung, das Tatopfer zu erschießen, einhergehende) Knebelung und Fesselung die schwere Körperverletzung bei Semir Po***** ausgelöst habe, übergeht die Beschwerde (nominell Z 5, der Sache nach nur Z 10) die ‑ genau darauf bezogenen ‑ Konstatierungen in ihrer Gesamtheit (US 9 ff, 17 f; vgl RIS‑Justiz RS0117247). Demnach war die vorliegende Gewaltanwendung für die bei Semir Po***** eingetretene schwere Körperverletzung jedenfalls mitkausal.
Weshalb das psychiatrische Gutachten mit Blick auf die Ausführungen des Sachverständigen, dass eine Differenzierung nicht möglich sei, welche Symptomatik durch welche Handlung ausgelöst wurde (ON 164 S 4), kein tragfähiges Beweisergebnis für die erwähnte Kausalitätsbeziehung sein soll, macht die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht deutlich.
Mit Spekulationen darüber, dass Ursache der Verletzungsfolge auch sein könnte, dass der vierte Täter („B*****“) bis zuletzt nicht gefasst werden konnte oder dieser allein die ‑ die posttraumatischen Störungen des Opfers auslösende ‑ „Exekution“ angekündigt hätte, begibt sich die Mängelrüge (Z 5) auf die Ebene einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.
Gleiches gilt für die Tatsachenrüge (Z 5a), soweit diese das Vorbringen zur Mängelrüge wiederholt und die Gewaltanwendung (Fesselung und Knebelung) allein dem unbekannten Täter „B*****“ zuschreibt.
Dem Vorbringen zu fehlenden Beweisergebnissen für den festgestellten Einsatz einer echten Waffe genügt der Verweis auf die Erledigung der diesbezüglichen Mängel‑ und Tatsachenrügen der Angeklagten Zoran P***** und Hakija T*****.
Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) abermals fehlende Konstatierungen zum Kausalereignis für die beim Tatopfer eingetretene Verletzungsfolge und die unterbliebene Ausmittlung des vierten Täters als Reserveursache hiefür einwendet, geht sie an den ‑ bei Erledigung der Mängelrüge aufgezeigten ‑ Feststellungen vorbei, womit sie den Anfechtungsrahmen materieller Nichtigkeit verlässt.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)