Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2014, GZ 045 Hv 120/14s‑115, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Entlassung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27. November 2014, GZ 45 Hv 120/14s-115, wurde Seckin Y***** mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 4 Z 1 SMG, 15 StGB (I) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (II) schuldig erkannt.
Unmittelbar nach Urteilsverkündung meldete der Angeklagte dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie Beschwerde gegen den gleichzeitig gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung an (ON 114 S 15).
Die Zustellung der Urteilsausfertigung erfolgte am 27. Jänner 2015 (vgl den Zustellnachweis ON 1 S 243).
Am 23. Februar 2015, sohin einen Tag vor Ablauf der vierwöchigen Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel mit 24. Februar 2015, stellte der Angeklagte den Antrag auf Verlängerung dieser Frist um eine Woche (ON 124).
Mit ‑ der Verteidigerin am 26. Februar 2015 zugestelltem (vgl den Zustellnachweis ON 1 S 245 verso) ‑ Beschluss vom 24. Februar 2015 bewilligte das Landesgericht für Strafsachen Wien eine Fristverlängerung bis zum 4. März 2015 (ON 125).
Am 5. März 2015 brachte die Verteidigerin die Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel im Elektronischen Rechtsverkehr bei Gericht ein (ON 127).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Vorsitzende des Schöffengerichts die Nichtigkeitsbeschwerde zurück (ON 128).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Angeklagten (§ 285b Abs 2 StPO).
Vorauszuschicken ist, dass das Landesgericht im Falle extremen Umfangs des Verfahrens die in § 285 Abs 1 StPO genannte Frist auf Antrag des Beschwerdeführers um den Zeitraum zu verlängern hat, der erforderlich ist, um eine ausreichende Verteidigung (Art 6 Abs 3 lit b EMRK) zu gewährleisten (§ 285 Abs 2 StPO). Die Verpflichtung zur Verlängerung um einen bestimmten Zeitraum (vgl JAB zur Strafprozessnovelle 2000, 289 BlgNR XXI. GP , 7: „im Fall der Stattgebung bei Ausmessung der konkreten Frist“) soll sicherstellen, dass dem Rechtsmittelwerber nicht nur die vom Gericht allenfalls gewährte Frist, sondern von der ‑ nicht in die Dispositionsbefugnis des Gerichts fallenden ‑ vierwöchigen Ausführungsfrist des § 285 Abs 1 erster Satz StPO, deren Fortlauf (ebenfalls indisponibel) gemäß § 285 Abs 3 dritter Satz erster Halbsatz StPO vom Zeitpunkt der Antragstellung nach § 285 Abs 2 StPO bis zur Bekanntmachung der Entscheidung darüber gehemmt wird (RIS-Justiz RS0127192; Ratz , WK-StPO § 285 Rz 16), der nach Ende dieser Fortlaufshemmung noch offenstehende Rest zur Gänze zur Verfügung steht (11 Os 159/13m [11 Os 160/13h]).
Dessen ungeachtet bewilligte das Landesgericht für Strafsachen Wien mit rechtskräftigem (§ 285 Abs 3 StPO) Beschluss vom 24. Februar 2015 (ON 125) eine Fristverlängerung bis zum 4. März 2015.
Der Fortlauf der bereits laufenden Rechtsmittelfrist war zwar ‑ nach dem Vorgesagten ‑ vom Zeitpunkt der Antragstellung am 23. Februar 2015 bis zur Zustellung des Verlängerungsbeschlusses am 26. Februar 2015 gehemmt. Ab dem der Zustellung des Verlängerungsbeschlusses folgenden Tag, somit ab 27. Februar 2015, lief der von der Ausführungsfrist des § 285 Abs 1 erster Satz StPO verbliebene Rest (aktuell ein Tag) der Rechtsmittelfrist aber weiter, sodass diese bereits vor dem vom Gericht ‑ zwar gesetzwidrig, aber wirksam (vgl 15 Os 176/11p [15 Os 67/12k]) ‑ festgesetzten Endtermin geendet hat.
Für die von der Beschwerde vertretene Auffassung, wonach auch in solchen Fällen die ‑ wenn auch entgegen § 285 Abs 2 StPO ‑ bis zu einem bestimmten Datum verlängerte Rechtsmittelfrist im Sinne des § 285 Abs 3 dritter Satz erster Halbsatz StPO weiter verlängert wird, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt (in diesem Sinn auch 11 Os 159/13m; 15 Os 19/13b).
Die erst am 5. März 2015 eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde war daher verspätet und wurde ‑ weil in der Rechtsmittelanmeldung keine Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurden und auf die in der verspäteten Ausführung geltend gemachten (vorliegend im Übrigen nicht erfolgversprechenden) Gründe nicht Bedacht zu nehmen ist (§ 285 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0100168) ‑ vom Erstgericht zu Recht zurückgewiesen (§ 285a Z 2 iVm § 285b Abs 1 StPO).
Über die Berufungen und die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO; RIS‑Justiz RS0100545).
Bleibt anzumerken, dass § 285 Abs 2 StPO eine Verlängerung der Rechtsmittelausführungsfrist nur im Fall extremen Umfangs des Verfahrens vorsieht (vgl dazu Ratz , WK-StPO § 285 Rz 17 f), wovon vorliegend ‑ bei einem Aktenumfang von zwei Bänden, einer an zwei Tagen durchgeführten Hauptverhandlung in der Dauer von insgesamt weniger als drei Stunden, einem insgesamt 41 Seiten umfassenden Hauptverhandlungsprotokoll (ON 100 und ON 114) und einem aus 17 Seiten bestehenden Urteil (ON 115) ‑ keine Rede sein kann.
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