European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00042.15F.0616.000
Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch II zugrunde liegenden Tat auch unter § 218 Abs 1 Z 2 StGB (Schuldspruch III) ‑ insoweit ersatzlos ‑ sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Karl S***** wird für das ihm weiterhin zur Last liegende Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB unter Einbeziehung des bereits im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruchs wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 207 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von
neun Monaten
verurteilt, von der ein siebenmonatiger Teil gemäß § 43a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wird.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.
Die Vorhaftanrechnung wird dem Landesgericht Klagenfurt überlassen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 18. Juni 2013, GZ 14 Hv 114/12m-31, wurde Karl S***** im ersten Rechtsgang des Verbrechens des Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB (I) sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (II), der sexuellen Belästigung und öffentlicher geschlechtlicher Handlungen nach § 218 Abs 2 StGB (III) und der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3a iVm Abs 3 erster und zweiter Fall StGB (IV) schuldig erkannt.
Danach hat er ‑ soweit hier noch wesentlich ‑ in K*****
(I) am 28. Jänner 2012 außer dem Fall des § 206 StGB an der am 4. Jänner 1999 geborenen, sohin unmündigen Jasmin K***** eine geschlechtliche Handlung „vorzunehmen versucht“, „indem er unter Wasser mit einem Fuß und/oder einer Hand zu ihrer Scheide hintastete und (sie) zumindest im Bereich um die Scheide konkret betastete“;
(II) am (richtig:) 28. Jänner 2012 eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen, indem er im öffentlichen Hallenbad vor Jasmin K***** wiederholt seinen Penis entblößte und „daran hin und her rieb“.
Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 17. Juni 2014, AZ 14 Os 44/14y, wurde dieses Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in teilweiser Stattgebung der dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und aus deren Anlass in den Schuldsprüchen II, III und IV, demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil, das auch einen Freispruch von den vom ursprünglichen Schuldspruch IV wegen der Vergehen der pornographischen Darstellungen Minderjähriger nach § 207a Abs 3 iVm Abs 3 erster und zweiter Fall StGB umfassten Taten enthält, wurde Karl S***** (erneut) der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (II) sowie der sexuellen Belästigung und öffentlich geschlechtlicher Handlungen (nunmehr) nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er am 28. Jänner 2012 in K*****
(II) eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen, indem er im öffentlichen Hallenbad vor der am 4. Jänner 1999 geborenen Jasmin K***** wiederholt seinen Penis entblößte und „daran hin und her rieb“;
(III) die unter (II) dargestellte Tat vor Jasmin K***** unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, berechtigtes Ärgernis zu erregen, vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.
Soweit sie sich gegen den Schuldspruch II richtet, verfehlt sie ihr Ziel:
Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil dann, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 467). Mit dem Vorwurf, eine bestimmte Urteilsannahme sei mit den Angaben eines Zeugen nicht in Einklang zu bringen, wird Aktenwidrigkeit in der Bedeutung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes somit nicht behauptet.
Im Übrigen entspricht die mit diesem Vorbringen bekämpfte ‑ auf die Angaben des Tatopfers Jasmin K***** gestützte ‑ Feststellung, nach der der Beschwerdeführer „seinen Penis immer aus der Hose herausgetan und … mit seiner Hand darauf herumgerieben“ hat, wenn die Genannte zu ihm hinüberschaute (US 4), wörtlich den diesbezüglichen Angaben dieser Zeugin anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung (ON 10 S 4), welche sie in der Hauptverhandlung am 10. Dezember 2014 aufrecht hielt (ON 51 S 9). Die von der Beschwerde ‑ unvollständig ‑ zitierte Passage aus ihrer Aussage steht dazu nicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch, womit der Einwand auch aus Z 5 zweiter und vierter Fall ins Leere geht. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen erschöpft sich vielmehr insgesamt in einer unzulässigen Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Soweit sich die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) gegen die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite, insbesonders zu einem auf die (allgemeine) Gefährdungseignung seiner Handlung gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers, wendet, übersieht sie zunächst, dass nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) zu Tatsachenfeststellungen berechtigen, wenn die aus ihnen gezogenen Schlüsse den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen nicht widersprechen (RIS‑Justiz RS0098362, RS0116732; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 449).
Ihrem Standpunkt zuwider ist der von einem gezeigten Verhalten gezogene Schluss auf ein zugrunde liegendes Wissen und Wollen (US 6) bei einem (wie hier) leugnenden Angeklagten methodisch in aller Regel nicht zu ersetzen und unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 452; RIS‑Justiz RS0116882).
Indem die Rüge auf Basis eigener beweiswürdigender Erwägungen aus einzelnen ‑ ein weiteres Mal sinnentstellt verkürzt wiedergegebenen - Bekundungen der Zeugin Jasmin K*****, die den kritisierten Urteilsannahmen wiederum nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegenstehen, und Passagen aus der ‑ von den Tatrichtern als unglaubwürdig erachteten ‑ Verantwortung des Beschwerdeführers zur Überzeugung gelangt, eine entsprechende „Absicht“ des Angeklagten sei aus den Verfahrensergebnissen nicht unzweifelhaft abzuleiten, stellt sie erneut bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung auf im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise in Frage.
Dass der Penis des Beschwerdeführers „trotz der von ihr (Anm.: Jasmin K*****) als onanierend angesehenen Bewegungen schlaff geblieben“ ist, schließt nicht aus, dass er die Absicht verfolgte, sich durch die inkriminierte Tat geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, womit für die Tatrichter ‑ entgegen dem Beschwerdestandpunkt (Z 5 zweiter Fall) ‑ auch keine Veranlassung bestand, sich mit dieser Aussage des Tatopfers gesondert auseinanderzusetzen.
Soweit die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 9 lit b) inhaltlich einen Feststellungsmangel zu einem Gefährdungsausschluss nach § 208 Abs 1 letzter Halbsatz StGB geltend macht, orientiert sie sich nicht an den Urteilsannahmen, nach denen die Tatrichter gerade nicht davon ausgingen, dass die objektive Möglichkeit einer Gefährdung der sittlichen, seelischen oder gesundheitlichen Entwicklung des unmündigen Tatopfers im konkreten Fall ausgeschlossen war (US 7).
Mit dem bloßen Hinweis auf die ‑ die reklamierte Feststellung zudem keineswegs indizierende ‑ Aussage der Jasmin K*****, nach der sie „immer wieder zum Angeklagten geschaut und auch später im Schwimmbecken seine Nähe gesucht habe, um zu erfahren, ob er sich auch ihr nähern und sie intim berühren würde“, wird demnach einmal mehr bloß unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung bekämpft.
In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zu verwerfen.
Zu Recht kritisiert die Beschwerde (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 10) hingegen, dass das Erstgericht die vom Schuldspruch III umfasste Tat (Onanieren vor dem unmündigen Opfer Jasmin K*****) auch dem (höher bestraften) Vergehen nach § 208 Abs 1 StGB unterstellt hat (Schuldspruch II), womit die strafbare Handlung nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB zufolge (in Abs 1 dieser Bestimmung normierter) ausdrücklicher Subsidiarität verdrängt wird.
Somit war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben.
Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung waren das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, als mildernd dagegen der bisher ordentliche Lebenswandel zu werten.
Zusätzlich kommt dem Angeklagten der ‑ schon vom Erstgericht berücksichtigte ‑ Milderungsgrund des § 34 Abs 2 StGB zugute. Bei Beurteilung der (Un-)Verhältnismäßigkeit der
Verfahrensdauer ist auf den Zeitraum zwischen erster Kenntnisnahme des Beschuldigten von der Tatsache, dass gegen ihn wegen des Verdachts einer strafbaren Handlung ermittelt wird, und rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens abzustellen. Diese Zeitspanne beträgt hier mehr als drei Jahre, was angesichts des keineswegs überdurchschnittlichen Verfahrensumfangs und -aufwands nicht gerechtfertigt werden kann, zumal Phasen längerer
Inaktivität des Gerichts zu erkennen sind (vgl nur die zwischen Urteilsverkündung und -ausfertigung liegende Zeitspanne von etwa acht Monaten im ersten Rechtsgang; zum Ganzen RIS-Justiz RS0124901; Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 24 Rz 69).
Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB war ‑ entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung des Angeklagten ‑ nicht anzunehmen, weil das Erstgericht im ersten Rechtsgang in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB bei der Strafbemessung irrig von versuchter Tatbegehung ausging (vgl dazu die Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof zu 14 Os 44/14y in diesem Verfahren, ON 36 S 6). Wohlverhalten durch längere Zeit (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB) ist anzunehmen, wenn der Zeitraum etwa der fünfjährigen Frist für die Rückfallsverjährung (§ 39 Abs 2 StGB) entspricht (RIS-Justiz RS0108563). Davon ist angesichts des Tatzeitpunkts (28. Jänner 2012) nicht auszugehen. Dass die Taten „punktuell innerhalb weniger Stunden gesetzt wurden“, stellt keinen Milderungsgrund dar.
Tat- und schuldangemessen ist unter Bedachtnahme auf die oben dargestellten Strafzumessungsgründe eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten. Die vorliegende Reduktion um drei Monate gleicht den in der überlangen Verfahrensdauer gelegenen Grundrechtsverstoß (Art 6 Abs 1 MRK) aus.
Im Hinblick auf die Art der (in einem öffentlichen Hallenbad gegen eine fremde Unmündige gerichteten, und damit in einer Weise, dass gegen sie wenig
Vorsicht gebraucht werden konnte, ausgeführten) Taten und die Person des Rechtsbrechers konnte die Strafe aus spezial-, vor allem aber aus
generalpräventiven Gründen zwar nicht zur Gänze, immerhin aber teilweise bedingt nachgesehen werden.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte hierauf zu verweisen.
Über die Anrechnung der Vorhaft (§ 38 StGB) hat gemäß § 400 StPO der Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden.
Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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