OGH 15Os60/15k

OGH15Os60/15k10.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juni 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und Dr. Oshidari sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Zechner als Schriftführer in der Strafsache gegen Tamas S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. Februar 2015, GZ 113 Hv 69/14s‑325, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00060.15K.0610.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Tamas S***** ‑ nach Aufhebung des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Oktober 2009, GZ 437 Hv 1/09s‑135, im ihn betreffenden Schuldspruch A./ und Wiederaufnahme des Verfahrens in diesem Umfang mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 21. Mai 2014 (ON 247) ‑ (neuerlich) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 16. April 2004 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Tibor P***** Angestellten der B***** AG, Filiale *****, dadurch, dass er einen Gasrevolver gegen die Bankangestellte Anna B***** richtete und sie sowie den Bankangestellten Jürgen H***** zur Herausgabe von Bargeld aufforderte, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von 189.713,96 Euro, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem der Angeklagte zu den ‑ vom Schöffengericht als unglaubwürdig angesehenen - entlastenden Angaben der Zeugen T*****, P*****, R***** und Sz***** und seiner eigenen leugnenden Verantwortung eigenständige Beweiswerterwägungen anstellt, gelingt es ihm nicht, beim Obersten Gerichtshof derartige erhebliche Bedenken zu wecken.

Die Wertung einer Aussage als glaubwürdig oder unglaubwürdig ist mit dem angerufenen Nichtigkeitsgrund nicht bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0100555 [T10]).

Soweit die Beschwerde betreffend die am Tatort sichergestellten Handschuhe ausführt, eine „ausdrückliche“ Untersuchung, ob sich neben der DNA des Angeklagten „zumindest noch Spuren oder Fragmente der DNA einer anderen Person befinden“, wäre zur Wahrheitsfindung „zweckdienlich“ gewesen, legt sie nicht dar, weshalb der Angeklagte an einer diesbezüglichen Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS‑Justiz RS0115823).

Im Übrigen übergeht der Rechtsmittelwerber die erstgerichtliche Urteilsbegründung, wonach sich an den Handschuhen ausschließlich seine DNA befand (US 6).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Strafausspruch eine vom Angeklagten nicht geltend gemachte, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkende Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet:

Das Erstgericht ging von einer erweiterten Strafbefugnis nach § 39 StGB aus (US 10).

Den betreffenden Urteilsannahmen zufolge wurde der Angeklagte mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 17. April 1996, AZ 20q Vr 11147/95, Hv 361/96, „wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 ½ Jahren“ und mit „Urteil des Fövarosi Birosag vom 11. August 2000 zu 5.B.267/2000/5 […] wegen Diebstahls unter Gewaltanwendung oder Einsatz von Waffen oder unter Gewaltandrohung oder unter Androhung des Einsatzes von Waffen gegen Personen nach § 321 des ungarischen Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt“ (US 4).

Dass der Angeklagte diese über ihn verhängten Freiheitsstrafen wenigstens zum Teil, wenn auch nur durch Anrechnung einer Vorhaft (oder der mit dem Vollzug einer vorbeugenden Maßnahme verbundenen Freiheitsentziehung), verbüßt hat (vgl § 39 Abs 1 erster Halbsatz StGB), wurde hingegen nicht festgestellt. Die Urteilskonstatierungen vermögen daher die Annahme der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB nicht zu tragen. Dies bewirkt Nichtigkeit des Strafausspruchs aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO, und zwar selbst dann, wenn ‑ wie hier - die ausgemessene Strafe innerhalb des zutreffenden Rahmens liegt (RIS‑Justiz RS0125294).

Da der Angeklagte keine Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe ergriffen hat und der aufgezeigten Nichtigkeit des Strafausspruchs demnach nicht im Rahmen einer Entscheidung über eine solche Berufung Rechnung getragen werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0122140, RS0119220), war eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO geboten.

Bleibt anzumerken, dass es nach der Aktenlage ‑ auch mit Blick auf das jeweils gleiche Ausmaß der verhängten Freiheitsstrafen ‑ zweifelhaft ist, ob es sich bei diesen beiden Verurteilungen um solche handelt, die aufgrund zweier selbständiger Taten erfolgt sind. Denn im gegen den Angeklagten im vorliegenden Verfahren zunächst ‑ dh vor dessen Wiederaufnahme mit Beschluss vom 21. Mai 2014 (ON 247) ‑ ergangenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 19. Oktober 2009, GZ 437 Hv 1/09s‑135, wird auf eine ungarische Strafregisterauskunft vom 25. Juni 2007 (ON 33) samt Übersetzung (ON 34) Bezug genommen und die dort (an zweiter Stelle) genannte Verurteilung vom 11. August 2000, GZ 5.B.267/2000/5, als „aus einer Anpassung des oben zitierten Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien“ (nämlich jenes vom 17. April 1996, AZ 20q Vr 11147/95, Hv 361/96) resultierend bezeichnet (ON 135 S 11).

Da insoweit zusätzliche, auf weiteren Erhebungen beruhende Feststellungen zu den Voraussetzungen für eine allfällige Anwendung des § 39 StGB erforderlich sind, ist die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidlich (§ 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Demnach war ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ aus Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 285e StPO).

Die Kostenentscheidung ‑ die sich nicht auf die amtswegige Maßnahme bezieht (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12) ‑ gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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