European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120NS00052.15S.0528.000
Spruch:
Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab ist von der Entscheidung über den Antrag des Herbert G***** auf Erneuerung des Verfahrens, das zum Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 23. Oktober 2007, AZ 11 Os 132/06f, geführt hat, ausgeschlossen.
An seine Stelle tritt Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski.
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Herbert G***** wurde mit Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 24. März 1994, GZ 13 Vr 1309/93‑13, des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach §§ 15 Abs 1, 209 StGB schuldig erkannt. Den dieses Verfahren betreffenden Erneuerungsantrag wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 23. Oktober 2007, GZ 11 Os 132/06f‑9, zurück.
In seiner zudem als „Antragserweiterung“ bezeichneten, am 18. Februar 2015 eingebrachten Äußerung zu der von der Generalprokuratur zum letztgenannten Erneuerungsantrag erstatteten Stellungnahme hatte Herbert G***** ‑ erstmals ‑ darüber hinaus beantragt, den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 23. Oktober 2007, GZ 11 Os 132/06f‑9, „aufzuheben“.
Mit der Behauptung, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe festgestellt, dass dieser Beschluss den Antragsteller in seinem Recht auf wirksame Beschwerde nach Art 13 MRK verletzt habe, wird dieses Begehren ausdrücklich auf § 363a StPO gestützt. Es ist daher nach seiner inhaltlichen Zielrichtung (nicht als ‑ schon als solche unbeachtliche [RIS‑Justiz RS0123231] ‑ nachträgliche Ausdehnung des Antragsvorbringens, sondern) als eigenständiger Antrag auf Erneuerung jenes Verfahrens aufzufassen, das zum bezeichneten Beschluss des Obersten Gerichtshofs geführt hat.
Über diesen Antrag hat der 11. Senat des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden (AZ 11 Os 29/15x, 11 Os 30/15v).
Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs gehört diesem Senat als Vorsitzender an. Er war allerdings als Mitglied des 11. Senats bereits an der zu AZ 11 Os 132/06f ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs beteiligt.
Gemäß § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter von einer Entscheidung über einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist. Solcherart soll die unparteiische Entscheidungsfindung garantiert werden (Lässig, WK‑StPO Vor §§ 43‑47 Rz 4).
Die Beschlussfassung über die Wiederaufnahme (§ 357 Abs 2 StPO, § 87 Abs 1 StPO) ist nach herrschender Meinung nicht Teil des früheren Verfahrens, aus welchem Grund Richter, die an ihr mitgewirkt haben, von der Entscheidung über einen neuerlichen Wiederaufnahmeantrag nicht ausgeschlossen sind (13 Os 94/11i; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 35).
§ 43 Abs 4 StPO normiert die Ausgeschlossenheit eines Richters im Falle der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme oder auf Erneuerung des Verfahrens auf die gleiche Weise. Daher ist auch die Beschlussfassung über den Erneuerungsantrag nicht Teil des früheren Verfahrens, weshalb grundsätzlich jene Richter, die an dieser Beschlussfassung mitgewirkt haben, nicht von der Entscheidung über einen neuerlichen Erneuerungsantrag ausgeschlossen sind.
Dass § 43 Abs 4 StPO solcherart die Ausgeschlossenheit eines Richters von einer Entscheidung über einen Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nur nach dessen Tätigwerden im Grundverfahren, nicht jedoch im Erneuerungsverfahren normiert, stellt unter Berücksichtigung der ratio der in Rede stehenden Vorschrift für den hier vorliegenden Fall eines gegen ein Erneuerungsverfahren gerichteten, sich auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berufenden Antrags gemäß § 363a StPO eine durch Analogie zu schließende planwidrige Lücke dar (12 Ns 39/15d mwN).
Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab ist somit von der Entscheidung über den genannten Erneuerungsantrag ausgeschlossen (vgl RIS‑Justiz RS0125149).
An seine Stelle tritt aufgrund der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski (§ 45 Abs 2 StPO).
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