OGH 5Ob45/15a

OGH5Ob45/15a19.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang B*****, vertreten durch Dr. Stefan Gulner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Kurt W*****, vertreten durch den Sachwalter Mag. Stephan Vas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2014, GZ 40 R 177/14x‑52, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. April 2014, GZ 95 C 12/12k‑43, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00045.15A.0519.000

 

Spruch:

 

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 939,84 EUR (darin enthalten 122,64 EUR USt und 204 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft in Wien. Der Beklagte ist seit August 2009 Mieter der Wohnung Nummer 41.

Der Kläger begehrt wegen erheblich nachteiligen Gebrauchs Räumung nach § 1118 erster Fall ABGB. Der Beklagte habe einen ungewöhnlich hohen Warmwasserverbrauch, dusche sich nicht im vorgesehenen Bereich und lüfte das Bestandobjekt auch nicht ausreichend, was zu erheblichen Schimmelbefall vor allem im Nassbereich der Wohnung geführt habe. Der Schimmel habe sich bereits auf andere Wohnungen des Hauses ausgebreitet. Besonders betroffen sei die darunterliegende Wohnung. Der Beklagte sei abgemahnt worden, habe aber seinen nachteiligen Gebrauch fortgesetzt. Im Jänner 2011 habe der Kläger ein Unternehmen mit der Bekämpfung des Schimmels im Bestandobjekt beauftragt. Die Baupolizei habe dem Kläger im Dezember 2011 wegen Gefahr im Verzug den Auftrag erteilt, den Wand- und Deckenverputz im Bad und der Kochnische der vermieteten Wohnung sowie der darunterliegenden Wohnung instand zu setzen. Er habe sich immer um Behebung und Sanierung der Schäden im Bestandobjekt sowie im Haus bemüht und letztlich das Vertrauen in den Beklagten verloren.

Der Beklagte bestritt einen nachteiligen Gebrauch. Er habe die behaupteten Nässeschäden nicht verursacht. Die durchgeführten Sanierungsmaßnahmen seien nicht ordnungsgemäß erfolgt.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Es stellte ‑ zusammengefasst ‑ fest:

Etwa ein Jahr nach Anmietung stellte ein Angestellter der Hausverwalterin umfangreichen Schimmelbefall in der Wohnung des Beklagten, insbesondere im Bereich der Küche und des Badezimmers fest. Dieser war bei Übergabe des Bestandobjekts nicht vorhanden gewesen. Die Hausverwalterin wies den Beklagten in ihrem Schreiben vom 13. 12. 2010 auf seinen ungewöhnlich hohen Heißwasserverbrauch hin, der in Verbindung mit dem unzureichenden Lüftungsverhalten in der Wohnung zu starkem Schimmelbefall geführt habe. Im Jänner 2011 beauftragte der Kläger ein Unternehmen, das auf Kosten des Vermieters den Schimmel durch Abscheren und Neuausmalen der Wände im Bad sowie einer Wand im Wohnzimmer beseitigte.

Von Februar 2011 bis Jänner 2012 hatte der Beklagte einen durchschnittlichen monatlichen Warmwasserverbrauch von etwa 18.706 Liter. Je nach Kaltwasserzugabe ist ein durchschnittlicher Wasserverbrauch von 800‑1.000 Liter pro Tag anzusetzen. Der Mindestwasserverbrauch pro Person und Tag liegt bei 120 Liter täglich. Die ÖNorm B 2538 setzt als Maximalwert 250 Liter pro Tag und Person an. Aus diesen beiden Werten ergibt sich ein Durchschnittswert von 185 Liter pro Tag und Person. Der durchschnittliche Wasserverbrauch des Beklagten ist drei Mal so hoch wie ein üblicher und angemessener, insbesondere deshalb, weil er tagsüber zwei bis vier Mal und nächtens bis zu vier Mal jeweils 15‑20 Minuten lang duscht. Er verhält sich dabei insofern sorglos, als umfangreichere, über die übliche Spritzwassermenge hinausgehende Wassermengen auf den Fliesenboden des Badezimmers gelangen und in der Folge nicht zur Gänze aufgewischt werden.

Diese Nutzung führte zu sehr hoher Luftfeuchtigkeit in der Wohnung. Der Dampf konnte nicht über die vorhandene Lüftungsanlage, die entgegen dem heutigen Stand der Technik nicht mit einem Ventilator ausgestattet ist, über das Dach entweichen. Folge waren Kondensatbildungen an der Oberfläche der Fliesen und Böden, weil die Abluft aufgrund gut schließender Fenster nicht kontrolliert entweichen konnte. Die Feuchtigkeit führte im Badezimmer im Bereich der Boden‑ und Wandfliesen und Silikonfugen sowie im unteren Bereich der im Vorraum zum Badezimmer anschließenden Wand zu Schimmelbefall. Dieser trat auch nach den Sanierungsarbeiten im Jänner 2011 immer wieder auf und war zum Zeitpunkt der Einbringung der Räumungsklage vorhanden.

Die in der Wohnung vorhandene Entlüftung ist bei einem durchschnittlichen und angemessenen Wasserverbrauch ausreichend, um feuchte Abluft abzuführen. Bei Verbrauch einer normalen Wassermenge im Sinn der genannten Durchschnittswerte und sonstiger Pflege des Badezimmers ist eine Schimmelbildung in der Wohnung des Beklagten nicht zu erwarten.

Boden und Wände des Badezimmers sind nicht gegen Feuchtigkeit isoliert. Die Einbindung der Gainze in den Boden wurde ebenfalls nicht abgedichtet. Aufgrund der baulichen Situation konnte Spritzwasser in die Fußbodenkonstruktion und in der Folge in die darunterliegende Wohnung eindringen und Feuchtigkeitsschäden an der Zwischengeschoßdecke und in der darunterliegenden Wohnung verursachen. Im Juni 2012 vom Kläger veranlasste Ausbesserungsarbeiten an Fliesen im Bereich der Badewannenarmatur und an Silikonfugen waren mangelhaft, sodass Spritzwasser durchtreten konnte. Aufgrund der mangelnden Ausführung der Verfliesung ... würde auch bei einem durchschnittlichen Nutzerverhalten Wasser in die darunterliegende Wohnung eintreten, wenn auch nur in kleineren Mengen.

Aufgrund der mehrfachen Wassereintritte in die darunterliegende Wohnung erließ die Baupolizei im Februar 2012 einen Bescheid, mit dem sie dem Eigentümer unter anderem auftrug, den Wand‑ und Deckenverputz in Badezimmer und Kochnische gemäß der Bauordnung instand zu setzen sowie ein Sachverständigengutachten zur Standfestigkeit und Gebrauchstauglichkeit der betroffenen Wand‑ und Deckenbereiche einzuholen und vorzulegen.

In der rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht einen erheblich nachteiligen Gebrauch durch den Beklagten, dessen übermäßiger Wasserverbrauch zur Schimmelbildung im Bestandobjekt selbst geführt hätte, die bei einem üblichen Nutzerverhalten trotz einer nicht dem Stand der Technik entsprechenden Lüftung nicht auftreten würde. Die mangelnde Feuchtigkeitsabdichtung könne ihm zwar nicht angelastet werden. Sein Duschverhalten führe aber zu erhöhter Spritzwasserbildung. Bei üblicher Benutzung wäre mit geringeren Feuchtigkeitsschäden zu rechnen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies das Räumungsbegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass ein erheblich nachteiliger Gebrauch nach den Feststellungen gerade noch nicht vorliege. Der aufgrund des übermäßigen Duschverhaltens des Mieters immer wieder im Badezimmer auftretende Schimmel bedeute noch keinen ernsten Schaden des Hauses. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch könnte allenfalls durch die vom Badezimmer des Beklagten ausgehende Durchfeuchtung der darunterliegenden Wohnung verwirklicht werden. Primäre Ursache dieser Durchfeuchtung sei aber offenbar die mangelhafte bauliche Situation des Badezimmers, welche der Kläger selbst hergestellt habe.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist entgegen diesem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch zulässig. Sie ist auch berechtigt.

1. Der Kläger bekämpft in seiner außerordentlichen Revision die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts nicht, dass Feuchtigkeits‑ und Substanzschäden (in Geschoßdecke und im darunterliegenden Bestandobjekt) als Folge der fehlenden Feuchtigkeitsisolierung des Badezimmers und mangelhaften Sanierungsarbeiten des Vermieters die Auflösung des Bestandverhältnisses wegen erheblichen nachteiligen Gebrauchs nicht rechtfertigen. Zu überprüfen bleibt, ob dies auch für den im Bestandobjekt selbst wiederholt aufgetretenen Schimmelbefall gilt, der nach den Feststellungen des Erstgerichts durch übermäßiges sorgloses Duschen in Verbindung mit unzureichender Lüftung (durch unterbliebenes Öffnen der Fenster) entstanden ist.

2. Der Auflösungsgrund des erheblichen nachteiligen Gebrauchs (§ 1118 erster Fall ABGB, § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG) liegt vor, wenn durch eine wiederholte, länger andauernde vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgt ist oder auch nur droht (ständige Rechtsprechung RIS‑Justiz RS0067832; RS0068076, RS0102020). Der Mieter muss sich so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist. Sein Verschulden ist demnach nicht erforderlich. Es genügt, dass er sich des nachteiligen Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste, wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters zugrunde zu legen ist (RIS‑Justiz RS0020867; 2 Ob 23/13s mwN). Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch in diesem Sinn anzunehmen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0021018; RS0068103).

3. Im vorliegenden Fall ist die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Zumutbarkeit der Fortsetzung des Bestandverhältnisses aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren.

4. Oberflächliche Schimmelbildung in einem Bestandobjekt ohne Schädigung der Bausubstanz wertet die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwar nicht als vom Vermieter nach § 3 Abs 2 Z 2 MRG zu behebenden Schaden (vgl RIS‑Justiz RS0102183 [T3, T9, T13]), sofern nicht eine erhebliche Gesundheitsgefährdung durch hohe Konzentration von Schimmelpilzsporen in der Raumluft vorliegt (5 Ob 219/13k = RIS‑Justiz RS0102183 [T12]). Dies definiert aber nur den Umfang der Erhaltungspflicht des Vermieters iSd § 3 MRG und beantwortet keinesfalls die Frage abschließend, dass ein vom Mieter verursachter Schimmelbefall im Bestandobjekt nicht als erheblich nachteiliger Gebrauch anzusehen ist. Nach der bereits zitierten Rechtsprechung setzt dieser Grund für die Auflösung des Mietverhältnisses ja gerade nicht voraus, dass eine Schädigung der Substanz bereits eingetreten ist. Es reicht ein länger andauerndes oder wiederholtes vertragswidriges Verhalten des Mieters aus, das wichtige Interessen des Vermieters verletzt, dessen Vertrauen in seinen Vertragspartner beseitigt und ihm die Aufrechterhaltung des Bestandverhältnisses nicht mehr zumutbar macht.

5. Im konkreten Fall ist dem Beklagten über einen längeren Zeitraum ein extremes, zur Schimmelbildung führendes Duschverhalten vorzuwerfen, das er auch nach Aufforderung durch die Hausverwaltung nicht abstellte und dadurch sogar den Sanierungsversuch des Vermieters im Jänner 2011 zunichte machte. Die vorhandene (statische) Lüftungsanlage entspricht zwar nicht mehr dem heutigen Stand der Technik, was dem Mieter nicht anzulasten ist. Bei einem Gebrauch des Badezimmers durch einen durchschnittlichen Mieter käme es allerdings nicht zum festgestellten Schimmelbefall, nachdem auch eine einfache Maßnahme zur Verringerung der Feuchtigkeit in der Wohnung, nämlich ein (kurzes) Öffnen der Fenster nach dem Duschen offenbar unterlassen wurde. Die vorhandene Lüftungsanlage kann nach den Verfahrensergebnissen (Ergänzungsgutachten ON 41 S 3) auch nicht mit Ventilatoren nachgerüstet werden.

6. Das festgestellte Verhalten des Mieters verletzte wichtige Interessen des Vermieters und macht diesem insgesamt gesehen die Fortsetzung des Bestandverhältnis nicht mehr zumutbar. Sein Räumungsbegehren ist gerechtfertigt, weshalb die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts wieder herzustellen ist.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt nach § 10 Z 2 lit c RATG 1.000 EUR.

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