OGH 12Os11/15g

OGH12Os11/15g7.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Mai 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ableidinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ali K***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 26. August 2014, GZ 36 Hv 42/14t‑21a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00011.15G.0507.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali K***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (A./) sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 20. und 30. Juli 2013 in S***** Karin F*****

A./ außer den Fällen des § 201 StGB mit Gewalt, indem er sie in deren Wohnung in der J***** gegen die Wand drückte, ihre Hände nach oben festhielt und durch anschließendes intensives Betasten der Brust und des Geschlechtsteils sowie Führen ihrer Hand gegen seinen erigierten Penis zur Vornahme bzw Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt;

B./ durch Drücken gegen die Wand, Hoch‑ und Festhalten der Arme, mithin durch Gewalt zu einer Handlung, nämlich zur Duldung eines Zungenkusses bzw des Einführens der Zunge in ihren Mund genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ali K***** kommt ‑ wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführt ‑ keine Berechtigung zu.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurde der Antrag auf Vernehmung des „N. B*****, Nachname und Adresse unbekannt, der sich derzeit auf Urlaub befinde und zweimal mit F***** sexuellen Kontakt hatte“, wobei diese „den Zeugen auf den Angeklagten angesprochen und ihm erzählt habe, dass es einen Vorfall gegeben habe, den sie übertrieben habe, um ihrem Freund Riza C***** zu helfen“, wobei „der Zeuge ein Bekannter des Angeklagten sei“ (ON 21 S 9), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen.

Wenn auch eine Beweisführung über die Beweiskraft schulderheblicher Beweismittel ‑ insbesondere zur Glaubwürdigkeit einer Belastungszeugin ‑ durch sogenannte Kontrollbeweise zulässig und angezeigt sein kann (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 350; RIS‑Justiz RS0028345, RS0098429), enthielt die vorliegende Antragstellung schlicht kein konkretes, für die Schuld‑ und Subsumtionsfrage bedeutsames und durch die Beweisaufnahme überprüfbares Beweisthema(Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327; RIS‑Justiz RS0099301, RS0120109 [T3]). Dass nämlich das Tatopfer Karin F***** dem beantragten Zeugen N. B***** gegenüber zugestanden hätte, ihre den Angeklagten im konkreten Strafverfahren belastenden Angaben frei erfunden zu haben, behauptete der Nichtigkeitswerber im Rahmen seiner Antragstellung selbst nicht, sondern trägt eine derartige Argumentation ‑ prozessual unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 325) ‑ erst in seiner Rechtsmittelschrift nach.

Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Zeugin aufgrund des von ihr in der Hauptverhandlung (mittels Vorführung der Ton‑ und Bildaufnahmen über die kontradiktorische Vernehmung) gewonnenen persönlichen Eindrucks führende Vorgang einer Anfechtung mittels Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS‑Justiz RS0106588; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 431). Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall dann mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit (oder Unglaubwürdigkeit) sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat, wobei der Bezugspunkt jedoch ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen besteht (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 431 f).

Vorliegend sind weder die in der Beschwerde thematisierten Umstände der Anzeigeerstattung noch die Reaktion des Angeklagten auf eine nach der Tat an ihn versandte SMS‑Nachricht sowie der Verlauf eines zwischen ihm und der Zeugin Karin F***** geführten Telefonats für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage entscheidend (vgl RIS‑Justiz RS0117264, RS0117499; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399, 409). Indem die Beschwerde ‑ mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin zu erschüttern ‑ die unterlassene Erörterung (Z 5 zweiter Fall) einzelner, isoliert herangezogener Aussagepassagen der Zeugen Karin F*****, Riza C***** und Antonio Co***** sowie der Darstellung des Angeklagten zu eben diesen Themenkomplexen vermisst und ‑ daran anknüpfend ‑ eigene Beweiswerterwägungen ins Treffen führt, verfehlt sie den aus Z 5 eröffneten Anfechtungsrahmen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt die Argumente der Mängelrüge und zieht ‑ abermals anhand eigener Detailerwägungen zu Begleitumständen des Bekanntwerdens der Tat und der Anzeigeerstattung ‑ die Überzeugungskraft der Zeugin Karin F***** in Zweifel. Die Behauptung, die tatrichterliche Beweiswürdigung entbehre „jeder logischen und lebensnahen Schlussfolgerung“, weshalb die Feststellungen „lebensfremd“ seien, erweckt keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen (RIS‑Justiz RS0119583).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 StPO anzumerken, dass auf Basis des Urteilssachverhalts (US 3 f) sämtliche Nötigungshandlungen im Zuge eines einheitlichen Geschehens an ein‑ und demselben Opfer erfolgten und einer auf Erzwingung geschlechtlicher Handlungen gerichteten Täterintention entsprangen. Sie stellen solcherart eine von einem einheitlichen Vorsatz des Täters getragene tatbestandliche Handlungseinheit (RIS‑Justiz RS0120233, RS0117038) dar, weshalb die gewaltsame Nötigung des Opfers zur Duldung auch eines Zungenkusses (B./) bereits vom Schuldspruch nach § 202 Abs 1 StGB (A./) mitumfasst und dessen gesonderte Subsumtion verfehlt ist (vgl   Hinterhofer , SbgK § 202 Rz 63; 11 Os 130/08i).

Die Unterstellung des festgestellten Tatgeschehens auch unter den ‑ nicht strafsatzbestimmenden - Tatbestand der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB bietet jedoch dennoch keinen Anlass für eine amtswegige Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO. Stellt nämlich einerseits dieser Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinne der genannten Bestimmung dar (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 23), so ist andererseits dem durch die ‑ von diesem ausgelöste ‑ aggravierende Wertung des Zusammentreffens (infolge, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung zutreffend ausführt, zu Unrecht erfolgter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB) zweier Verbrechen mit einem Vergehen (US 9) hergestellten Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO im Rahmen der Berufungsentscheidung Rechnung zu tragen (13 Os 149/07x mwN; RIS‑Justiz RS0090885). Dabei besteht keine dem Berufungswerber zum Nachteil gereichende Bindung des Oberlandesgerichts an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (RIS‑Justiz RS0118870).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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