European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00019.15H.0507.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Yilmaz K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Sascha W***** enthält, wurde der Angeklagte Yilmaz K***** im zweiten Rechtsgang des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB (A./) sowie des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er in W*****
A./ am 8. Februar 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Sascha W*****, Marco S*****, Stefan B***** und Daniel D***** als Mittäter (§ 12 StGB) Tim De***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in der Höhe von 10 Euro, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich (oder einen Dritten) durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sich alle Mittäter vor Tim De***** aufstellten, Marco S***** und Stefan B***** den Genannten aufforderten, ihnen sein Mobiltelefon zu übergeben, ansonsten sie ihn schlagen würden, ihn anschließend zur Übergabe von Bargeld aufforderten, woraufhin Tim De***** ihnen 10 Euro übergab, wobei währenddessen Sascha W*****, Daniel D***** und Yilmaz K***** Aufpasserdienste leisteten und der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde;
B./ am 25. Oktober 2011 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Denis F*****, Adam Sz*****, Dominik H***** und Sascha W***** als Mittäter (§ 12 StGB) Maria R***** und Norbert Ru***** widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie eine Bank vor die Eingangstür der Tanzschule, in der sich Maria R***** und Norbert Ru***** befanden, stellten und diesen dadurch das Verlassen der Räumlichkeiten unmöglich machten.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Zum Schuldspruch A./:
Gegenstand der Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581).
Mit ihrer Behauptung, der Ausspruch des Erstgerichts, wonach alle an der strafbaren Handlung beteiligten Mittäter das Opfer „sinngemäß mit Schlägen und als deren Folge zumindest mit einer über eine bloße Misshandlung hinausgehenden Körperverletzung wie zB Prellungen, Blutergüssen, Schürfwunden oder ähnlichem“ bedrohten (US 6), sei keine Feststellung, „sondern (lediglich) eine willkürliche Schlussfolgerung“, erweist sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a) von vornherein als nicht prozessförmig ausgeführt (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 593), nimmt sie solcherart doch den gebotenen Vergleich des tatsächlich festgestellten Sachverhalts mit dem zur Anwendung gebrachten materiellen Recht nicht vor, sondern stellt bloß das Vorliegen einer ihr missliebig erscheinenden Feststellung in Abrede.
Soweit die Beschwerde ‑ der Sache nach ‑ die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite für nicht ausreichend hält (es sei nicht erkennbar, „ob [zu ergänzen: laut] dem Tatplan der Angeklagten eine gegenwärtige konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Bedrohten angekündigt werden sollte“), übergeht sie erneut die entsprechenden tatrichterlichen Ausführungen (US 6, 8), wodurch sie den Bezugspunkt der Geltendmachung materiell‑rechtlicher Nichtigkeit verfehlt (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 581, 584, 588). Im Übrigen sagt die Rüge nicht, welche ‑ über die ohnedies vorliegenden Urteilsannahmen hinausgehenden ‑ Konstatierungen für eine rechtsrichtige Subsumtion noch hätten getroffen werden müssen.
Mit dem Vorbringen (nominell Z 9 lit a), die festgestellte Wortwahl, wonach sie (die Täter) „jetzt bis drei zählen“ würden und es „sonst Ärger geben“ würde, sei „zu abstrakt“ und hätte solcherart auch unter Bedachtnahme auf das Abdrängen des Tim De***** keinerlei gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben „konkretisieren“ können, versucht der Nichtigkeitswerber erneut, ihn belastende Feststellungen im Wege eigener Beweiswerterwägungen durch andere zu ersetzen und verfehlt damit erneut den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 593).
Zum Schuldspruch B./:
Unter Hinweis darauf, dass Maria R***** und Norbert Ru***** ‑ laut den tatrichterlichen Feststellungen ‑ die Möglichkeit gehabt hätten, sich auf den Balkon im ersten Stock zu begeben (vgl US 5), behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a), dass die Genannten nicht im Sinne des § 99 Abs 1 StGB gefangengenommen worden seien, hätten sie doch ‑ wie beschrieben ‑ die Möglichkeit gehabt, den Raum bzw die Räumlichkeiten zu verlassen.
Dieses Vorbringen ignoriert die Konstatierungen, dass es für Maria R***** und Norbert Ru***** keine Möglichkeit gab, das Gebäude zu verlassen, ohne vom Balkon im ersten Stock zu klettern ‑ und sich somit in Gefahr zu begeben ‑ oder ein (nicht öffen‑, sondern nur kippbares) Fenster im Erdgeschoss zu zerstören (US 5).
Bloß der Vollständigkeit halber sei im gegebenen Zusammenhang angemerkt, dass „Gefangenhalten“ im Sinne des § 99 Abs 1 StGB die ‑ ernstliche und gewichtige ‑ Behinderung einer Person am Verlassen eines umgrenzten Raumes ist, wobei das Hindernis zwar nicht unüberwindlich oder nur durch Gewalteinsatz zu beseitigen, aber doch ernstlich und gewichtig sein muss (RIS‑Justiz RS0092913, RS0092919); unter diesen Voraussetzungen ist auch das Einsperren in einem Haus tatbildlich (RIS‑Justiz RS0093166 [T1 = SSt 52/50], vgl auch RS0091310).
Mit dem an und für sich zutreffenden Hinweis darauf, dass eine Person dann nicht „gefangengehalten“ wird, wenn sie sich etwa durch Rufen (oder Springen aus einem ebenerdig gelegenen Fenster) befreien kann (RIS‑Justiz RS0092913 [= 10 Os 148/85]), ist für die vorliegende Konstellation nichts zu gewinnen, weil Maria R***** und Norbert Ru***** erst nach ca 20 Minuten von der von ihnen über den Notruf verständigten Polizei befreit wurden (US 5; vgl RIS‑Justiz RS0092910; Schwaighofer in WK2 StGB § 99 Rz 22; Kienapfel/Schroll StudB BT I3 § 99 Rz 10).
Weshalb die festgestellte Tathandlung bloß eine „Einschränkung“ und nicht schon eine (im Sinne des § 99 Abs 1 StGB tatbestandsmäßige) Entziehung der persönlichen Freiheit sein soll, leitet die dies behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) allein mit Hinweis darauf, dass ja die Begriffe „Einschränkung“ oder „Beschränkung“ nicht „als zusätzliches alternatives Tatbestandselement in § 99 Abs 1 StGB“ aufscheinen würden, nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565 ua; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 588 ff).
Abschließend bringt die Rechtsrüge (Z 9 lit b) vor, dem Urteil seien keine klärenden Feststellungen dazu zu entnehmen, ob der Angeklagte einem (nicht vorwerfbaren entschuldbaren) „Verbotsirrtum“ unterlag. Das Vorbringen zu einem
Feststellungsmangel erfordert, dass unter Hinweis auf einen nicht durch Konstatierungen geklärten, jedoch durch Vorkommen in der Hauptverhandlung indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene Konsequenz angestrebt wird, weil dieses etwa einen Ausnahmesatz (wie hier § 9 StGB) bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS‑Justiz RS0118580). Diesem Erfordernis wird die Beschwerde mit der bloßen ‑ ohne Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse angestellten ‑ spekulativen Überlegung nicht gerecht, bei der inkriminierten Tat handle es sich „erkennbar“ um einen ‑ sich im sozial adäquaten und damit rechtlich zulässigen Bereich bewegenden - „Jugendstreich“, begangen in der ‑ unüberlegten ‑ Absicht, Maria R***** und Norbert Ru***** „einfach nur zu schrecken“.
Bloß der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass sich auch der Angeklagte, der zur Tatzeit fast 16 Jahre alt war, selbst nie dahin verantwortet hat, das Unrecht seiner Tat nicht erkannt zu haben (ON 17, darin ON 2 S 31 sowie Hauptverhandlungsprotokoll ON 98 S 4).
Abgesehen davon, dass allfällige in der Hauptverhandlung getätigte Bemerkungen des Vorsitzenden (oder anderer Senatsmitglieder) keine in der Hauptverhandlung vorgekommenen Indizien sind, mit welchen ein Feststellungsmangel prozessordnungskonform geltend gemacht werden könnte, ist dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 17. Dezember 2013 ‑ dem diesbezüglichen Vorbringen des Nichtigkeitswerbers zuwider ‑ nicht zu entnehmen, dass „die Tatrichter vom Umstand, dass die Tanzschule über keine Notausgänge verfügt und angeblich auch nicht verfügen muss, überrascht waren“ (vgl ON 53 S 4 f).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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