OGH 9ObA151/14t

OGH9ObA151/14t29.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei P***** I*****, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagte und gefährdende Partei Österreichische Post AG, *****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung und Unterlassung (Gesamtstreitwert 23.800 EUR), sowie einstweiliger Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. November 2014, GZ 12 Ra 73/14p‑10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00151.14T.0429.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Der Kläger ist ein gemäß § 17 Abs 1a PTSG der Beklagten zur Dienstleistung zugewiesener Bundesbeamter im Zustelldienst und als *****‑Personalvertreter einfaches Mitglied des Vertrauenspersonenausschusses *****. Seit 1. 6. 2013 ist er dem Personalreservepool Distribution zugewiesen. Mit Weisung vom 18. 7. 2014 wies ihn die Beklagte an, seine Tätigkeit bis auf weiteres als „Springer“ wahrzunehmen.

Das Begehren des Klägers richtet sich auf die Feststellung, dass eine bestimmte Betriebsvereinbarung (Flexibilisierung der Normalarbeitszeit) auf sein Arbeitsverhältnis nicht anwendbar sei, weiter darauf, dass er aufgrund der rechtsunwirksamen Weisung/Versetzung vom 18. 7. 2014 nicht verpflichtet sei, als „Springer“ seinen Dienst zu versehen, sowie auf die Pflicht der Beklagten, Handlungen wie die Wegnahme der Heimfahrtgenehmigung, verspätete Auszahlung von Überstunden, Androhung des Verlustes des Zustellbezirks und vergleichbare Handlungen zu unterlassen. Das Sicherungsbegehren des Klägers zielt auf das Verbot der Beklagten ab, ihn von seinem Zustellbezirk abzuziehen und ihn anzuweisen, seinen Dienst als „Springer“ zu versehen.

Die Vorinstanzen wiesen diese Begehren mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurück.

Rechtliche Beurteilung

In seinem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 528 Abs 1 ZPO auf:

1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Streitigkeiten aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis von Beamten, die der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen wurden, allein im Verwaltungsweg auszutragen (vgl RIS‑Justiz RS0086019). Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist zwar grundsätzlich von den Klagebehauptungen auszugehen, dabei ist aber nicht allein der Wortlaut des Begehrens, sondern die Natur bzw das Wesen des geltend gemachten Anspruchs maßgebend (RIS‑Justiz RS0045718, RS0045584, RS0045644). Entscheidend ist daher nicht, wie der Kläger seinen Anspruch rechtlich formt bzw worauf er sich formal stützt, sondern ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird. Dabei ist zu beachten, dass die aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten bzw die Arbeitsbedingungen ‑ mangels eines ausdrücklich eingeräumten gesetzlichen Gestaltungsrechts ‑ weder vom Dienstgeber noch vom Dienstnehmer mit den Mitteln des Vertragsrechts rechtswirksam gestaltet werden können (9 ObA 4/12x mwN). All dies gilt im Fall einer Zuweisung eines Beamten an einen ausgegliederten Rechtsträger gleichermaßen.

2. Hier steht der Kläger als Beamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Daneben besteht ein gesondertes „Zuweisungsverhältnis“ zur Beklagten, der der Kläger zur Dienstleistung zugewiesen ist (§ 17 Abs 1a PTSG; 8 ObA 76/07w ua; ausführlich Floretta/Wachter, Zur Rechtsstellung der bei der Telekom‑Austria‑Gruppe beschäftigten Beamten, in FS Cerny 579, 598 ff). Der Bund als Dienstgeber dieser Beamten übt seine Diensthoheit durch eines der in § 17 Abs 2 PTSG genannten Personalämter aus. Diesen kommt die Funktion einer obersten Dienst- und Pensionsbehörde zu. Zur Wahrnehmung der Funktionen einer nachgeordneten Dienstbehörde sind regionale Personalämter eingerichtet (9 ObA 32/05d; 9 ObA 109/05b ua). Die Personalämter sind für alle dienstrechtlichen Schritte zuständig, wozu auch die Erteilung von das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Klägers betreffenden Weisungen gehört (vgl § 44 BDG 1979; siehe RIS‑Justiz RS0119869).

3. Der Oberste Gerichtshof hat in vergleichbaren Fällen bereits ausgesprochen, dass nicht nur besoldungsrechtliche Ansprüche solche sind, die auf der öffentlich-rechtlichen Stellung des Beamten zu seinem Dienstgeber beruhen und für die die Durchsetzung auf dem Rechtsweg unzulässig ist (9 ObA 32/05d: Versetzung eines Zentralausschussmitglieds; 9 ObA 109/05b: Fernbleiben eines Personalvertreters vom Dienst; 9 ObA 74/08k: Verlegung eines Personalamts durch die Beklagte; 9 ObA 4/12x: Weisung an Personalvertreter, keine imageschädigenden Äußerungen zu tätigen; s auch RIS‑Justiz RS0119869).

4. Der Kläger hält der Rekursentscheidung entgegen, dass es sich hier nicht um eine Weisung des Personalamts, sondern um eine solche der Zustellbasis der Beklagten gehandelt habe. Schon die Entscheidung 9 ObA 32/05d zeigt aber, dass der Rechtsweg in einem aufgrund einer Ausgliederung gespaltenen Dienstverhältnis nicht nur dann unzulässig ist, wenn eine Maßnahme vom öffentlich-rechtlichen Dienstgeber gesetzt wird, sondern auch dann, wenn sie aus dem Zuweisungsverhältnis durch die Beklagte selbst erfolgt (dort: Zuweisung eines anderen Arbeitsraumes uä durch die Beklagte). Maßgeblich ist nicht, dass sich zwei Privatrechtssubjekte gegenüberstehen, sondern das Wesen des erhobenen Anspruchs (instruktiv 9 ObA 137/09a, 138/09y). Im gegenständlichen Fall kommt es daher alleine darauf an, dass die vom Kläger behaupteten Ansprüche aus der Ausgestaltung seiner Tätigkeit untrennbar mit seiner öffentlich-rechtlichen Stellung zum Bund verbunden sind. Ihre Überprüfung kann daher (nur) im Verwaltungsweg erfolgen (9 ObA 32/05d, 9 ObA 4/12x).

5. Soweit sich der Kläger unter Hinweis auf das ArbVG, das PBVG und die PBVWO darauf beruft, dass es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit handle, ist auf die Entscheidung 9 ObA 4/12x zu verweisen. Darin wurde mit Bezug auf die Entscheidung 8 ObA 77/03m ausgeführt, dass das PBVG gemäß seinem § 1 Abs 1 für Arbeitsverhältnisse (aller Art) gilt, daher auch für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse der Beamten. Durch § 1 PBVG wird der Anwendungsbereich auch für die kollektive Rechtsgestaltung durch Betriebsvereinbarung nicht auf privatrechtliche Verträge eingeschränkt, sondern erfasst auch öffentlich-rechtliche Beamtendienstverhältnisse. Der Arbeitnehmerbegriff des PBVG umfasst öffentlich-rechtliche wie privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Aus dem bloßen Umstand des Vorliegens einer betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeit nach dem PBVG allein ergibt sich daher infolge der besonderen Konstruktion dieses Gesetzes nicht schon die Zulässigkeit des Rechtswegs.

6. In der Entscheidung 9 ObA 4/12x (mwN zur Rspr des VwGH) wurde auch festgehalten, dass die Stellung eines Beamten als Mitglied des Vertrauenspersonenausschusses nach dem PBVG von seiner dienstlichen Stellung als Beamter nicht abgekoppelt werden kann. Eine Aufteilung der Überprüfungsbefugnis zwischen Verwaltungsbehörden und ‑ hinsichtlich des Versetzungs-schutzes nach dem PBVG ‑ den ordentlichen Gerichten ist aus keiner der Bestimmungen abzuleiten. Als Überprüfungsbefugnis von in Ausübung der Diensthoheit des Bundes ergangenen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden durch die ordentlichen Gerichte würde eine solche Lösung auch auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen; es besteht auch kein Bedürfnis nach einer solchen Aufteilung, weil der erforderliche Rechtsschutz des Beamten durch den verwaltungsbehördlichen Rechtszug ohnehin gewährleistet ist (9 ObA 32/05d; RIS‑Justiz RS0119869).

7. Zum Sicherungsbegehren des Klägers ist darauf hinzuweisen, dass Ansprüche, für die der Rechtsweg unzulässig ist, durch einstweilige Verfügung nicht gesichert werden können (RIS‑Justiz RS0004913; 9 ObA 137/09a, 138/09y; 9 ObA 64/10t; s auch 9 ObA 74/08k). Im Übrigen ist die unterschiedliche Behandlung der bei der Beklagten tätigen Beamten, Vertragsbediensteten, Angestellten und vorübergehend Beschäftigten in den §§ 17 ff PTSG angelegt.

8. Der Kläger beruft sich auch auf eine Verletzung der die Beklagte treffenden Fürsorgepflicht. Die Frage, ob die Fürsorgepflicht des Beschäftigers unabhängig von jener des Rechtsträgers zu sehen ist, zu dem ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis des Bediensteten besteht (woraus ein eigenständiger Schadenersatzanspruch gegenüber dem Beschäftiger resultieren könnte), oder aber von der Fürsorgepflicht des öffentlich‑rechtlichen Dienstgebers abzuleiten ist, war bereits Gegenstand der Entscheidung 9 ObA 84/12m (Mobbing eines dienstzugewiesenen Beamten). Danach ist bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eine Verletzung der Fürsorgepflicht auch dann als Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Dienstgeber geltend zu machen, wenn die Verletzung durch den den Beamten aufgrund einer gesetzlichen Zuweisung beschäftigenden privaten Rechtsträger erfolgt ist. Die Bestimmungen des AHG können aber nicht dadurch umgangen werden, dass der Kläger erklärt, seine Schadenersatzansprüche nicht auf das AHG zu stützen, sondern aus dem bürgerlichen Recht abzuleiten (s RIS‑Justiz RS0049976). Da auch im vorliegenden Fall nichts anderes gelten kann, besteht auch hier kein Raum für einen unmittelbaren Schadenersatzanspruch gegenüber der Beklagten.

9. Auf die Ausführungen des Klägers zu einem Amtshaftungsanspruch ist nicht näher einzugehen, wäre ein solcher doch nicht gegen die Beklagte zu richten (§ 1 Abs 1 AHG).

10. Zusammenfassend haben die Vorinstanzen die Zulässigkeit des Rechtswegs anhand der bestehenden Rechtsprechung in nicht korrekturbedürftiger Weise verneint. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers zurückzuweisen.

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