OGH 13Os43/15w

OGH13Os43/15w24.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Auslieferungssache des Dr. Anatoly R*****, AZ 311 HR 50/14g des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde der betroffenen Person gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 20. März 2015, AZ 22 Bs 68/15h, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00043.15W.0424.000

 

Spruch:

 

Dr. Anatoly R***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

1.  Mit Beschluss vom 10. Juli 2014, GZ 311 HR 50/14g‑55, erklärte der Einzelrichter des Landesgerichts für Strafsachen Wien die mit Note der Russischen Föderation vom 24. März 2014 begehrte Auslieferung des Dr. Anatoly R***** zur Strafverfolgung wegen der im Ersuchen samt Unterlagen beschriebenen Verdachtslage (ON 30) unter der Bedingung für zulässig, dass über den Betroffenen nicht die Todesstrafe verhängt wird.

Der dagegen gerichteten Beschwerde der betroffenen Person (ON 57) gab das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 20. Jänner 2015, AZ 22 Bs 248/14b, nicht Folge, legte aber Bedingungen für die Zulässigkeit der Auslieferung fest.

Mit Erlass vom 5. Februar 2015, GZ BMJ‑4060431/0002-IV 4/2015 teilte das Bundesministerium für Justiz dem Landesgericht für Strafsachen Wien mit, dass der Bundesminister für Justiz die Auslieferung des Dr. Anatoly R***** bewilligt habe (ON 86; vgl § 34 Abs 1 ARHG).

2.  Mit Beschluss vom 20. März 2015, AZ 22 Bs 68/15h, gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Dr. Anatoly R***** gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. März 2015 (ON 95), mit dem die über ihn am 28. Februar 2014 verhängte Auslieferungshaft fortgesetzt worden war, nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der (bedingt obligatorischen) Haft gemäß § 29 ARHG iVm § 173 Abs 6 StPO (§ 173 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO) an.

Dem Einwand der Überschreitung der zulässigen Höchstdauer der Auslieferungshaft hielt das Oberlandesgericht die gemäß § 34 Abs 1 ARHG erteilte Bewilligung der Auslieferung entgegen (BS 9).

Rechtliche Beurteilung

3.  Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Dr. Anatoly R*****.

Soweit der Beschwerdeführer einen über die Haftbeschwerde hinausgehenden Willen zur Anfechtung erklärt (der Beschluss wird „in seinem gesamten Umfang und Inhalt angefochten“), scheitert ein Erfolg bereits an der

Erschöpfung des

Instanzenzugs (§ 1 Abs 1

GRBG; RIS‑Justiz RS0114487).

Die Zulässigkeit der Auslieferung stellt keine Voraussetzung für die Auslieferungshaft dar (RIS‑Justiz RS0120452).

Der Kritik an der Entscheidung des Bundesministers für Justiz kommt nur im Zusammenhang mit der Frage der Aufhebung der zeitlichen Beschränkung der Auslieferungshaft Bedeutung zu. Gemäß § 29 Abs 6 ARHG ist die betroffene Person jedenfalls zu enthaften, wenn sie sich schon ein Jahr in Auslieferungshaft befindet, ohne dass der Bundesminister für Justiz die Auslieferung bewilligt oder abgelehnt hat.

Entgegen dem Vorwurf falscher rechtlicher Beurteilung ging das Oberlandesgericht Wien mit Blick auf den Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 5. Februar 2015, GZ BMJ-4060431/0002-IV 4/2015, zu Recht davon aus, dass die Beschränkung der Dauer der Auslieferungshaft mit der Bewilligung der Auslieferung durch den Bundesminister für Justiz entfallen ist (vgl Göth‑Flemmich in WK 2 ARHG § 29 Rz 19; 13 Os 27/15t, 13 Os 30/15h).

Die Beschwerdeargumentation, wonach nur eine in Bescheidform ergangene Bewilligung eine solche Wirkung nach sich ziehen würde, lässt sich weder aus dem Gesetz (§§ 29 Abs 6, 34 Abs 1 ARHG) noch aus dem Bedürfnis des Schutzes subjektiver Rechte der betroffenen Person ableiten. Aus der zur Rechtslage vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 12. Dezember 2002, G 151, 152/02, die Anlass dafür war, die ‑ nicht auf subjektive Rechte der betroffenen Person bezogenen ‑ Befugnisse des Bundesministers für Justiz klarzustellen (vgl Göth‑Flemmich in WK 2 ARHG § 34 Rz 1), lässt sich für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen.

Zur in der Grundrechtsbeschwerde angeregten Antragstellung im Sinn des Art 89 Abs 2 B‑VG wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit des § 34 Abs 1 ARHG sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst (vgl dazu auch VwGH 7. 3. 2008, 2008/06/0019; VwGH 31. 5. 2012, 2012/01/0069 unter Hinweis auf einen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 18. April 2012).

Die in der Äußerung des Beschwerdeführers zur Stellungnahme der Generalprokuratur vorgebrachten Neuerungen sind prozessual unbeachtlich.

Dr. Anatoly R***** wurde somit im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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