Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, dass im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterbringungsanordnung sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang dieser Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung wegen Strafe und gegen den Ausspruch nach § 21 Abs 2 StGB wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche obliegt dem Oberlandesgericht Wien.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Aleksandar P***** (zu I. richtig:) der Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB und (zu II.) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt, zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er
I.) in S***** und an anderen Orten von 1. Juni 2009 bis 19. Februar 2014 gegenüber Nachstehenden längere Zeit fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie in zahlreichen Angriffen am Körper misshandelte und vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit (mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach §§ 107a, 108 und 110 StGB) beging, indem er,
1) Andrea B***** „in mehrfachen Angriffen mit der flachen Hand gegen den Kopf schlug, sie rempelte und mit den Füßen trat, wodurch sie nicht verletzt wurde, ihr gegenüber zumindest einmal im Monat äußerte, dass er sie umbringen, aufhängen, erschießen oder auslöschen werde, wobei er ihr einmal ein Messer im Bauchbereich anhielt, sie mit Gewalt vom Sofa zu Boden stieß und ihr die Kleidung im Brustbereich aufriss, wobei er schrie, dass er ihr zeigen werde, wer sie 'ficke' und ihr überdies regelmäßig damit drohte, dass er die gemeinsamen Kinder nach Montenegro verbringen und sie sie nie wiedersehen werde“;
2) die am 23. Oktober 1998 geborene Jovana P***** „in regelmäßigen Abständen mit der flachen Hand gegen den Kopf schlug und mit der Faust gegen ihre Oberarme boxte, sie an den Haaren riss und einmal ihren Kopf gegen die Scheibe der Autotür stieß, wodurch sie ein Hämatom an der Schläfe erlitt, ihr einmal die Hand verbog, wodurch sie eine Rötung im Gelenkbereich erlitt und ihr gegenüber wiederholt äußerte, dass er sie nach Montenegro schicken werde, wo er sie töten und einsperren könne, ohne dass sich jemand darum kümmere, ihr dabei einmal ein Messer im Hals‑/Brustbereich anhielt und ihr einmal ein Messer hinterher warf, welches in rund 20 cm Entfernung vor ihr landete“;
II.) am 9. August 2012 in U***** Muhamet T***** durch das Versetzen eines Schlages gegen das Gesicht, wodurch dieser eine Rissquetschwunde an der Stirn erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.
In der Hauptverhandlung am 16. Oktober 2014 beantragte der Verteidiger, das psychiatrische Sachverständigengutachten nicht zu verlesen, den Sachverständigen „wegen Befangenheit und Verstoßes gegen verfassungsrechtlich und grundrechtlich gesicherte Verteidigungsrechte abzuberufen“ und einen neuen Sachverständigen zu bestellen (ON 70 S 5). Dazu brachte er vor, der Sachverständige habe bei seiner ergänzenden, vom Gericht in Auftrag gegebenen Befundaufnahme (ON 64 S 3 ff) den Angeklagten mehrfach dazu befragt, wie dieser Kenntnis vom ursprünglichen, in der Hauptverhandlung (ON 53 S 28 f) von ihm (dem Angeklagten) als falsch bezeichneten Gutachten (ON 33) erhalten habe, und ob bzw was ihm sein Anwalt darüber erzählt habe (vgl ON 64 S 11 ff). Dies stelle einen „massiven Eingriff in die Verteidigungsrechte“ dar und „bildet eine Befangenheit“.
Entgegen diesem Vorbringen wurden durch die Abweisung des Antrags (ON 70 S 8 f) Verteidigungsrechte nicht geschmälert. Denn mit Blick auch auf die vom Sachverständigen in der Hauptverhandlung am 16. Oktober 2014 gegebene Erklärung über die Zielrichtung seiner Befragung, nämlich zu ergründen, weshalb der ‑ sich verfolgt fühlende ‑ Angeklagte meine, das Gutachten sei falsch und ob er es überhaupt kenne (ON 70 S 7), zeigte der Antrag keinen Umstand auf, der eine beim Sachverständigen vorliegende Hemmung der unparteilichen Gutachtenserstattung durch unsachliche Motive nahelegen würde (§ 126 Abs 4 iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO; vgl Lässig , WK‑StPO § 43 Rz 9). Ebenso wenig lässt sich aus der spekulativen, aktenmäßig nicht gedeckten Behauptung, der Sachverständige habe herausfinden wollen, „was Inhalt der Gespräche des Beschuldigten mit seinem Verteidiger gewesen sei“, eine Verletzung grundrechtlich (Art 6 MRK) abgesicherter Verteidigungsrechte ableiten, zumal sich auch aus den vom Verteidiger in seinem Antrag zitierten Fragen des Sachverständigen an den Angeklagten kein Eingriff in das geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant ergibt.
Die Verantwortung des Angeklagten zu I.) wurde ‑ dem Einwand der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider ‑ nicht übergangen, sondern von den Tatrichtern einer Würdigung unterzogen, jedoch für nicht beweiskräftig erachtet (US 15 ff). Auch mit einem allfälligen Motiv für eine ‑ von der Beschwerde behauptete ‑ Falschbelastung durch die Zeugin B***** haben sich die Tatrichter auseinandergesetzt (US 18).
Zu II.) hat sich das Erstgericht mit der leugnenden Einlassung des Angeklagten auseinandergesetzt (Z 5 zweiter Fall), sie aber als Schutzbehauptung qualifiziert und ihr somit Glaubwürdigkeit abgesprochen (US 20 ff).
Soweit die Beschwerde argumentiert, bei einer „derart unglaubwürdigen Verantwortung des Opfers“ sei der entgegenstehenden Verantwortung des Angeklagten besonderes Augenmerk zu schenken, bekämpft sie bloß auf Basis eigenständiger Beweiswerterwägungen die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld.
Zu I.) stellten die Tatrichter fest, dass der Angeklagte Andrea B***** zwischen 1. Juni 2009 und 19. Februar 2014 in mehrfachen Angriffen mit der flachen Hand gegen den Kopf schlug, sie rempelte und mit den Füßen trat, er auch mehrmals äußerte, er werde sie umbringen, aufhängen, erschießen und auslöschen. Derartige, von B***** ernst genommene Drohungen wiederholte er durchschnittlich einmal pro Monat (US 6 ff). Seine Tochter Jovana P***** schlug der Angeklagte ab zumindest 1. Juni 2009 in regelmäßigen Abständen mit der flachen Hand gegen den Kopf, boxte mit der Faust gegen ihre Oberarme, riss sie an den Haaren, stieß einmal ihren Kopf gegen die Scheibe der Autotüre, wodurch sie ein Hämatom an der Schläfe erlitt, und verbog ihr einmal die Hand. Diese körperlichen Übergriffe intensivierten sich im Jahr 2013, sodass es zu vier bis sechs Übergriffen pro Woche kam. Weiters äußerte er ihr gegenüber wiederholt, dass er sie nach Montenegro schicken werde, wo er sie töten und einsperren könne, ohne dass sich jemand darum kümmere. Einmal hielt er ihr dabei ein Messer im Hals‑/Brustbereich an, einmal warf er ihr ein Messer nach (US 9 ff). Der Angeklagte hielt es dabei ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass die Tathandlungen geeignet waren, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der freien Lebensführung von Andrea B***** und Jovana P***** herbeizuführen (US 12).
Aus welchem Grund diese Konstatierungen, die das Beschwerdevorbringen zum Teil vernachlässigt (vgl aber RIS‑Justiz RS0099810), den Schuldspruch wegen (jeweils) des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB bei der gebotenen einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung (RIS‑Justiz RS0127377) nicht tragen sollten, vermag die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht darzulegen. Eigener Feststellungen dahingehend, dass das Verhalten des Angeklagten die beiden Tatopfer dazu veranlasst hätte, ihre Lebensgewohnheiten und Lebensführung zu verändern, bedurfte es ‑ der dies behauptenden Kritik der Beschwerde zuwider ‑ zur Herstellung des Tatbestands nicht. Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde daher zurückzuweisen.
Im Recht ist allerdings die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) mit dem Einwand, den Urteilsannahmen sei nicht zu entnehmen, „welche Art von Prognosetat vom Angeklagten zu befürchten“ sei. Die Anordnung der Unterbringung eines Angeklagten (Betroffenen) in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB setzt nämlich (ua) eine ausreichende Feststellungsgrundlage für das Vorliegen einer Prognosetat voraus. Diese ist im Urteil zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben, um solcherart die rechtliche Beurteilung der zu erwartenden mit Strafe bedrohten Handlung(en) mit schweren Folgen zu ermöglichen (vgl Ratz in WK 2 StGB § 21 Rz 27). Diesem Erfordernis wird das Urteil mit der bloßen Konstatierung, es seien „weitere derartige störungsbedingte Straftaten mit schweren Folgen“ zu befürchten (US 15, 28) nicht gerecht (RIS‑Justiz RS0113980 [T3, T8 und T10]; zuletzt 15 Os 55/14y).
Das angefochtene Urteil war daher ‑ ohne dass es eines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11) bedurfte ‑ in der Unterbringungsanordnung sowie ‑ in Hinblick auf den hier gegebenen faktischen Zusammenhang (vgl RIS‑Justiz RS0100108) ‑ auch im Strafausspruch aufzuheben, und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285i StPO).
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Entscheidung über die Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche obliegt dem Oberlandesgericht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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