European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00204.14I.0319.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antrag des Verlassenschaftkurators Mag. Wolfgang Klasnic auf Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Der Erblasser verstarb ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Seine Witwe und zwei seiner Kinder - die Revisionsrekurswerber ‑ gaben bedingte Erbantrittserklärungen ab (die Witwe zu 17/21 und die Kinder zu je 2/21 des Nachlasses). Seine anderen Kinder entschlugen sich ihres Erbrechts zugunsten der Witwe. Ein Rechtsanwalt wurde zum Verlassenschaftskurator bestellt.
Zum Nachlass gehört ein Erbhof, der aus drei Liegenschaften gebildet wird. Eine dieser Liegenschaften („Liegenschaft EZ 43“) hat einen Verkehrswert von 315.000 EUR, die beiden anderen einen von zusammen 689.000 EUR. Die Summe der Verkehrswerte aller in den Nachlass fallenden Liegenschaften und Liegenschaftsanteile beträgt 1.028.000 EUR. Der reine Nachlass ist im Inventar vom 13. 9. 2011 mit 914.427,32 EUR ausgewiesen.
Die Verlassenschaft schuldet einer Sparkasse aufgrund des Versäumungsurteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 2. 8. 2013 128.083,36 EUR samt Nebengebühren. Diese Forderung löste der Schwiegersohn der Witwe Ende November 2013 gemäß § 1422 ABGB ein.
Der Verlassenschaftskurator verkaufte am 3. 10. 2013 die Liegenschaft EZ 43 um 380.000 EUR. Der Käufer entrichtete den Kaufpreis. Die Witwe des Erblassers ist für den Verkauf, die, den Erbantritterklärten Kinder sind dagegen.
Der Schwiegersohn der Witwe kündigte am 5. 12. 2013 die exekutive Betreibung der eingelösten Forderung an, wenn die verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung des Kaufvertrags nicht bis zum 31. 12. 2013 erfolge.
Mit Beschluss vom 13. 12. 2013 genehmigte das Erstgericht den Kaufvertrag, nachdem die den Verkauf ablehnenden Kinder die vom Gericht gesetzte Frist für die Einlösung der Forderung ungenützt hatten verstreichen lassen. Die Voraussetzungen für die Genehmigung seien gegeben, weil die Zwangsversteigerung der Liegenschaft drohe und der erzielte Kaufpreis über dem Verkehrswert liege.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs dieser Kinder nicht Folge. Der Verkauf sei für die Verlassenschaft vorteilhaft. Die drohende Exekution der titulierten Forderung wiege so schwer, dass das Ziel der ungeschmälerten Erhaltung des Liegenschaftsvermögens dahinter zurück trete. Dass die verkaufte Liegenschaft zu einem Erbhof gehöre, stehe der Veräußerung nicht entgegen. Die Rekurswerber führten nicht aus, welche konkreten eigenen Interessen sie am Weiterbestand des Erbhofs hätten. Keiner von ihnen habe bisher behauptet, dass er als Anerbe zu bestimmen sei.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, fehle doch höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob vor Zuweisung des Erbhofs an den Anerben ein Verkauf wesentlicher Teile des Erbhofs zulässig oder dem Verkauf die abhandlungsgerichtliche Genehmigung zu versagen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Verlassenschaftskurator beantwortete Revisionsrekurs dieser Kinder ist zur Klarstellung zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerber machen geltend, einer von ihnen habe zwingend Anspruch, zum Anerben bestellt zu werden, weil die Witwe bereits Eigentümerin eines Erbhofs sei und auch noch Ausschlussgründe im Sinn des § 5 AnerbenG auftreten könnten. Bei tatsächlicher Einleitung der Zwangsversteigerung durch den Schwiegersohn könnten sie diesen Gläubiger befriedigen und damit den Erbhof erhalten.
Dem ist zu erwidern:
1. Nach § 810 Abs 2 ABGB bedürfen alle Veräußerungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts, wenn sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Handlung für die Verlassenschaft offenbar nachteilig wäre.
2. § 810 Abs 2 ABGB ist (unmittelbar) nur auf Verwaltungs- und Vertretungshandlungen des Erben selbst anzuwenden, dem gemäß § 810 Abs 1 ABGB das Recht zukommt, das Verlassenschaftsvermögen zu benützen, zu verwalten und die Verlassenschaft zu vertreten. Für Vertretungshandlungen des Verlassenschaftskurators ist nach der Rechtsprechung diese Bestimmung nicht einschlägig, sondern vielmehr § 167 Abs 3 ABGB idF KindNamRÄG 2013 (sinngemäß) anzuwenden, der die Fremdvertretung nicht (ausreichend) Geschäftsfähiger regelt (1 Ob 245/12d; RIS‑Justiz RS0129074). Die Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts ist dann zu versagen, wenn die Handlung des Verlassenschaftskurators für die Verlassenschaft nicht von Vorteil wäre (1 Ob 245/12d; vgl Mondel , Die Kuratoren im österreichischen Recht 276 ff).
3. Der Verkauf der Liegenschaft ist zum Vorteil der Verlassenschaft:
3.1. Die Rechtsmittelwerber stellen nicht in Abrede, dass der Nachlass nicht ausreichend liquide ist, um die titulierte Nachlassforderung zu erfüllen. Sie selbst haben von der Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, gemäß § 1423 ABGB mit Einverständnis des Verlassenschaftskurators auch gegen den Willen des Schwiegersohns der Witwe die Forderung einzulösen und so eine Zwangsversteigerung abzuwenden.
3.2. Durch den Verkauf der Liegenschaft erhält der Nachlass eine Gegenleistung, die den Verkehrswert der Liegenschaft um rund ein Fünftel übersteigt. Ihr Nichtverkauf liefe den Interessen der Verlassenschaft (und mittelbar) der Erben zuwider: Zum einen erhöht sich die Verbindlichkeit durch die Zinsbelastung, die nach unwidersprochener Berechnung des Verlassenschaftskurators rund 900 EUR im Monat beträgt. Zum anderen droht die Zwangsversteigerung, die vom Nachlass zu tragende Kosten verursacht und deren Erlös geringer als der Verkehrswert sein könnte. Die Veräußerung ist daher offenbar im Interesse der Verlassenschaft.
3.3. Dass die Liegenschaft zu einem Erbhof gehört, steht der Genehmigung der Veräußerung nach diesen Umständen des Falls nicht entgegen. Das Anerbenrecht strebt zwar die Erhaltung eines gesunden und leistungsstarken Bauernstands an (6 Ob 1/76 SZ 49/27), allerdings durch Vermeidung der Zersplitterung eines Erbhofs durch Erbteilung (RIS‑Justiz RS0050211). Gläubiger des Erblassers und des Nachlasses sind nicht gehindert, ihre Forderungen auf einem Weg durchzusetzen, der zur Zerschlagung des Erbhofs führt. An der Haftung des Anerben und der Miterben den Gläubigern gegenüber nach allgemeinen erbrechtlichen Grundsätzen (§§ 801 ff ABGB) ändert auch die Zuweisung des Erbhofs nichts (vgl Kathrein , Anerbenrecht § 11 AnerbenG Anm 1; Mayer , AnerbenG § 11 Anm 2; Ferrari in Ferrari / Likar-Peer , Erbrecht 100).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 185 AußStrG, wonach im Verlassenschaftsverfahren ‑ außer im Verfahren über das Erbrecht ‑ kein Ersatz von Vertretungskosten zu leisten ist.
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