OGH 6Ob226/14z

OGH6Ob226/14z19.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** S*****, vertreten durch den Verfahrenshelfer Mag. Felix Fuchs, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. A***** G*****, 2. M***** G*****, beide vertreten durch Dr. Rudolf Pototschnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen 4.537 EUR sA und Rechnungslegung (Revisionsinteresse 26.537 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. November 2014, GZ 2 R 170/14h‑36, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 18. Juli 2014, GZ 69 Cg 187/11d‑30, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00226.14Z.0319.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie einschließlich der rechtskräftigen Teile folgendermaßen zu lauten haben:

„1.) Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei 4.537 EUR samt 4 % Zinsen seit 10. 10. 2011 sowie 4 % Zinsen aus 4.537,20 EUR vom 5. 12. 2011 bis 28. 12. 2011 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2.) Das Klagebegehren,

a.) die beklagten Parteien seien schuldig, binnen 14 Tagen der klagenden Partei gegenüber Art, Ausmaß und Umfang sämtlicher Vorempfänge bzw Schenkungen anzugeben, eine vollständige Dokumentation der bezughabenden Unterlagen vorzulegen und einen Eid dahin zu leisten, dass ihre Angaben richtig und vollständig sind;

b.) die beklagten Parteien seien schuldig, binnen 14 Tagen der klagenden Partei den sich aufgrund der eidlichen Angaben im Sinne des Punkts a.) des Urteilsbegehrens ergebenden Pflichtteilsergänzungsbetrag samt 4 % Zinsen seit 14. 10. 2011 zu bezahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis nach der gemäß Punkt a.) erfolgten eidlichen Angabe vorbehalten bleibt;

wird abgewiesen.

3.) a.) Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 8.836,31 EUR (darin enthalten 1.472,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

b.) Gemäß §§ 70 und 43 Abs 1 letzter Satz ZPO wird festgestellt, dass die beklagten Parteien zum Ersatz von 20 % der im § 64 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Beträge infolge der der klagenden Partei gewährten Verfahrenshilfe verpflichtet sind.

Gemäß §§ 70 und 43 Abs 1 letzter Satz ZPO wird weiters festgestellt, dass die beklagten Parteien zum Ersatz von 17 % der dem Kläger gestundeten Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren verpflichtet sind.“

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.118,23 EUR (darin enthalten 186,37 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Gemäß §§ 70 und 43 Abs 1 letzter Satz ZPO wird festgestellt, dass die beklagten Parteien zum Ersatz von 17 % der dem Kläger gestundeten Pauschalgebühr für das Revisionsverfahren verpflichtet sind.

 

Entscheidungsgründe:

Der am 27. 10. 2009 verstorbene K***** F***** G***** (im Folgenden als Erblasser bezeichnet) hinterließ neben dem Kläger, seinem unehelichen Sohn, seine Ehefrau (die Zweitbeklagte), den der Ehe mit der Zweitbeklagten entstammenden Sohn A***** G***** (der Erstbeklagte) sowie aus erster Ehe zwei weitere Kinder, die mit notariellem Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 19. 8. 1993 auch mit Wirkung für ihre Nachkommen auf das ihnen nach dem Erblasser zustehende gesetzliche Pflichtteilsrecht verzichteten. Mit Testament vom 16. 4. 1993 setzte der Erblasser den Erstbeklagten und die Zweitbeklagte je zur Hälfte zu Erben ein. Weiters ordnete er im Testament an, dass die Pflichtteilsansprüche des Klägers gemäß § 773a ABGB auf die Hälfte gemindert werden, da er und der Kläger zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis, wie es in der Familie zwischen Eltern und Kindern gewöhnlich besteht, standen. Mit Einantwortungsbeschluss vom 8. 9. 2010 wurde der Nachlass dem Erstbeklagten und der Zweitbeklagten je zur Hälfte eingeantwortet. Das reine Nachlassvermögen des Erblassers betrug 108.892,55 EUR. Am 28. 12. 2011, also während des in erster Instanz laufenden Verfahrens, bezahlten die Beklagten an den Kläger 4.537,20 EUR mit der Widmung „Pflichtteilsabgeltung“ und weiters 8.390,66 EUR zur Abgeltung des Schenkungspflichtteils.

Zwischen dem Kläger und dem Erblasser gab es nie eine Vater-Sohn-Beziehung. Der Erblasser kümmerte sich nie um den Kläger. Kontakt gab es immer nur im Rahmen der gegen den Erblasser angestrengten Unterhaltsverfahren. Die Mutter des Klägers hätte ein alleiniges Treffen zwischen dem Kläger und dem Erblasser nie zugelassen. Der Erblasser äußerte im Rahmen der Unterhaltsverfahren immer wieder Zweifel an seiner Vaterschaft zum Kläger. 1984 drohte der Erblasser im Rahmen eines Unterhaltsverfahrens, dass er, wenn seine Eingaben keine Berücksichtigung fänden, nach Klagenfurt fahre und Mutter und Kind umbringe.

Im Jahr 1995 fand der letzte Kontakt zwischen dem Kläger und dem Erblasser anlässlich einer Unterhaltsverhandlung vor dem Bezirksgericht Hermagor statt. In der Verhandlung beschimpfte der Erblasser den Kläger als „Bastard“ und sagte, dass der Kläger abgetrieben hätte werden sollen. In diesem Verfahren kam es schließlich zum Abschluss eines Vergleichs über die Unterhaltszahlung.

Der Kläger hat abgesehen von den Unterhaltsforderungen nie zu seinem Vater Kontakt aufgenommen. Seit der Unterhaltsverhandlung 1995 hat der Kläger überhaupt nie mehr versucht, mit dem Erblasser in Verbindung zu treten.

Ob der Erblasser im Falle einer Kontaktaufnahme durch den Kläger, losgelöst von finanziellen Forderungen, nach dem 1. 7. 2001 weiterhin den persönlichen Kontakt zum Kläger abgelehnt hätte, kann nicht feststellt werden.

Mit Schreiben vom 25. 8. 2010 teilten die Beklagten betreffend den dem Kläger zustehenden Schenkungspflichtteils nach dem Erblasser mit, dass die Schenkungen sich auf insgesamt 201.375,95 EUR beliefen. Dieser Betrag wurde aufgeschlüsselt wie folgt:

1. Einmalerlag für Lebensversicherung (15. 11. 2002): 100.000 EUR;

2. Kredittilgung am 7. 1. 2005: 35.953,95 EUR;

3. Kredittilgung am 7. 6. 2005: 30.422 EUR;

4. Kredittilgung am 22. 6. 2005: 35.000 EUR.

Die Beklagten haben vom Erblasser über diesen Betrag hinaus keine weiteren Schenkungen erhalten.

Der Kläger begehrt zuletzt von den Beklagten die Zahlung von 4.537 EUR sA und die Angabe von „Art, Ausmaß und Umfang sämtlicher Vorempfänge bzw Schenkungen“, die Vorlage einer vollständigen Dokumentation „der bezughabenden Unterlagen“ und einen Eid, dass ihre Angaben richtig und vollständig seien, sowie nach Bezifferung des Zahlungsbegehrens nach diesen eidlichen Angaben die Zahlung des sich daraus ergebenden Pflichtteilsergänzungsbetrags. Er brachte vor, die ihm im Testament auferlegte Pflichtteilsminderung sei unwirksam, weil der Erblasser weder vor noch nach dem 1. Juli 2001 ein Naheverhältnis zum Kläger zugelassen habe, sondern immer wieder seine Vaterschaft bestritten, den Kläger „grundsätzlich abgelehnt“, ihm den Unterhalt nicht entrichtet und außerdem den Kläger und seine Mutter beschimpft und mit Gewalt bedroht habe. Der Erblasser habe den Kläger vor dem 1. Juli 2001 dermaßen verletzend beleidigt und bedroht und den persönlichen Verkehr mit dem Kläger fortgesetzt verweigert, dass dieses Verhalten auch über den 1. Juli 2001 hinauswirke, ohne dass weitere „aktive entwürdigende Kontaktversuche oder gar das Inkaufnehmen von angedrohten Gewalttätigkeiten durch den Kläger notwendig gewesen wären“. Das Manifestationsbegehren bestehe zu Recht, weil der Kläger aufgrund von Informationen von Nachbarn und Bekannten davon ausgehen dürfe, dass die Angaben der Beklagten über die Schenkungen weiterhin unvollständig seien. Dazu führte der Kläger einige konkrete Umstände an.

Die Beklagten wendeten ein, die Pflichtteilsminderung sei zu Recht erfolgt, weil es der Kläger unterlassen habe, ab 2001 Kontakt zum Erblasser zu suchen. In diesem Zeitraum, in dem der Kläger bereits selbsterhaltungsfähig gewesen sei, habe es „keinerlei Problemfälle“ zwischen dem Kläger und dem Erblasser gegeben. Das Zahlungsbegehren bestehe daher nicht zu Recht, weil die Beklagten dem Kläger den gesamten ihm zustehenden, gemäß § 773a ABGB geminderten Pflichtteilsanspruch abgegolten hätten. Zum Manifestationsbegehren verwiesen die Beklagten darauf, dass sie ihrer Auskunftspflicht nachgekommen seien.

Das Erstgericht wies ‑ abgesehen vom rechtskräftigen Zuspruch eines geringfügigen Zinsenbegehrens ‑ das gesamte Klagebegehren ab. Es stellte den wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Erblasser habe zu Recht den Pflichtteil des Klägers auf die Hälfte gemindert. § 773a Abs 3 ABGB, wonach das Recht auf Pflichtteilsminderung nicht zusteht, wenn der Erblasser die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt hat, sei trotz des Inkrafttretens dieser Norm am 1. Juli 2001 auf die letztwillige Verfügung vom 16. April 1993 anwendbar, doch könne „die Sanktion unerwünschten Verhaltens“ nach § 773a Abs 3 ABGB nur auf ein Verhalten des Erblassers gegründet sein, das dieser nach dem 1. Juli 2001 gesetzt hat. Die grundlose Ablehnung des persönlichen Verkehrs mit dem Kläger durch den Erblasser bis 1. Juli 2001 sei daher rechtlich unerheblich. Die bis Juli 2001 bestehende Situation gehe nicht allein auf das Verhalten des Erblassers, das aus moralischen und ethischen Gesichtspunkten als verwerflich zu beurteilen sei, zurück, sondern auch auf das Verhalten der Mutter des Klägers und des Klägers selbst, die abgesehen von finanziellen Forderungen nie einen persönlichen Kontakt zum Erblasser gesucht hätten. Dadurch, dass der Erblasser nach dem 1. Juli 2001 nicht von sich aus versucht habe, mit dem Kläger persönlichen Kontakt zu pflegen, und durch den Umstand, dass die bis zu diesem Zeitpunkt geschaffene Situation von beiden Seiten zu vertreten sei, habe der Erblasser sein Recht auf Pflichtteilsminderung nicht verwirkt. Das auf Bezahlung der zweiten Hälfte des Pflichtteils gerichtete Leistungsbegehren sei daher abzuweisen. Das Manifestationsbegehren sei abzuweisen, weil die vom Kläger ins Treffen geführten Gründe nicht hinreichten, um seine subjektive Besorgnis begründet erscheinen zu lassen, dass er nicht von allen Schenkungen Kenntnis erlangt habe. Es handle sich dabei lediglich um vage Vermutungen mit keinerlei begründetem Substrat. Vielmehr seien die Beklagten bemüht gewesen, dem Kläger umfassend Auskunft zu geben und sie hätten jederzeit ihre Bereitschaft bekundet, darüber einen Eid zu leisten, dass sie die Schenkungen vollständig angegeben hätten.

Das nur vom Kläger angerufene Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Es führte zum Zahlungsbegehren aus, der Erblasser und der Kläger seien zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis gestanden, wie es in der Familie zwischen Vater und Sohn gewöhnlich besteht (§ 773a Abs 1 ABGB). Das Recht auf Pflichtteilsminderung stehe dem Erblasser nur dann nicht zu, wenn er nach dem 1. Juli 2001 (Inkrafttreten des § 773a Abs 3 ABGB) die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte mit dem Kläger grundlos abgelehnt habe (§ 773a Abs 3 ABGB). Die Ablehnung eines Kontakts erfordere zumindest den Versuch einer Kontaktaufnahme durch das Gegenüber. Da der Kläger nach dem 1. Juli 2001 keinen Kontakt zum Erblasser gesucht habe, habe dieser seit diesem Datum die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte (auf persönlichen Verkehr) mit dem Kläger nicht (grundlos) ablehnen können. Die letztwillige Pflichtteilsminderung sei daher wirksam.

Das Manifestationsbegehren sei angesichts der Feststellung, dass über die von den Beklagten bereits bekannt gegebenen Schenkungen hinaus keine weiteren Schenkungen stattgefunden haben, unberechtigt. Die subjektive Besorgnis des Klägers erweise sich aufgrund dieser Tatsachenfeststellung als unbegründet; sie könne daher nicht mehr Grundlage eines stattgebenden Urteils über das Manifestationsbegehren sein. Dessen Ziel, die Schwierigkeiten bei der Erhebung eines Leistungsbegehrens zu beheben, sei infolge dieser Feststellung obsolet (2 Ob 186/10g mwN = RIS-Justiz RS0012974 [T8]).

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.

Der Kläger bringt in der Revision im Wesentlichen vor, das Verhalten des Erblassers im vorliegenden Fall sei derart verwerflich, dass dem Kläger Kontaktbemühungen nach dem 1. Juli 2001 unzumutbar gewesen seien. Zum Manifestationsbegehren sei das Erstgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen.

Hierzu wurde erwogen:

1. Zahlungsbegehren:

1.1. Standen der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit in einem Naheverhältnis, wie es in der Familie zwischen solchen Verwandten gewöhnlich besteht, so kann der Erblasser gemäß § 773a Abs 1 ABGB den Pflichtteil auf die Hälfte mindern.

Die §§ 771 und 772 ABGB gelten sinngemäß für die Pflichtteilsminderung (§ 773a Abs 2 ABGB).

Das Recht auf Pflichtteilsminderung steht gemäß § 773a Abs 3 ABGB nicht zu, wenn der Erblasser die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt hat.

Nach § 771 ABGB muss die Enterbungsursache immer vom Erben erwiesen werden.

1.2. Der mit BGBl I 2000/135 (KindRÄG 2001) neu hinzugefügte § 773a Abs 3 ABGB trat nach der allgemeinen Anordnung des Art XVIII § 1 Abs 1 „mit 1. 7. 2001 in Kraft“; ausdrückliche Übergangsbestimmungen fehlen. Die neue Bestimmung lautete ursprünglich:

„Das Recht auf Pflichtteilsminderung steht nicht zu, wenn der Erblasser die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt hat.“

 

Durch das KindNamRÄG 2013 (BGBl I 2013/15) wurde in § 773a Abs 3 ABGB die Wortfolge „persönlichen Verkehr“ durch die Wortfolge „persönliche Kontakte“ ersetzt (leg cit Art 1 Z 37a).

Die Erläuterungen des Gesetzgebers (RV 296 21. GP zum KindRÄG 2001) führen zu § 773a ABGB aus:

„Der geltende § 773a sieht die Möglichkeit einer Pflichtteilsminderung für den Fall vor, dass zwischen Erblasser und Noterben kein oder nur ein sehr loser persönlicher Kontakt bestanden hat. Wenn sich zwei Menschen dazu entschließen, keine Kontakte zueinander haben zu wollen, ist das zu akzeptieren. Wenn aber ein Beteiligter den Kontakt wünscht, der andere ‑ trotz bestehender gesetzlicher Verpflichtungen dazu (resultierend aus § 137a und § 148 Abs 1) ‑ aber diese Kontakte ohne Grund überhaupt ablehnt, soll dieses Verhalten nicht auch noch dadurch 'belohnt' werden, dass er den anderen überdies durch Schmälerung der erbrechtlichen Ansprüche bestrafen kann. Konsequenterweise gilt dies sowohl im Verhältnis des Elternteils als Erblasser zum Kind als auch umgekehrt. Der Vorschlag soll allzu vorschnellen Ablehnungen des persönlichen Verkehrs durch den nicht betreuenden Elternteil aber auch durch das Kind vorbeugen helfen.“

1.3. Der Oberste Gerichtshof hat sich bisher in zwei Entscheidungen mit § 773a Abs 3 ABGB befasst:

1.3.1. In der Entscheidung 6 Ob 136/10h wurde ausgesprochen, dass nach § 773a ABGB die gesamte Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten bis zum Tod des Erblassers zu berücksichtigen ist. Implizit wurde damit auch bejaht, dass es nicht nur auf den persönlichen Verkehr (die persönlichen Kontakte) zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem während der Minderjährigkeit des Pflichtteilsberechtigten, sondern auch nach Erreichen von dessen Volljährigkeit ankommt. Weiters wurde ausdrücklich ausgesprochen, dass die Bestimmung auch auf Fälle anzuwenden ist, in denen (wie auch im vorliegenden Fall) die letztwillige Verfügung vor dem 1. Juli 2001 errichtet wurde.

1.3.2. Die Entscheidung 4 Ob 98/11g (vgl dazu Ondreasova, Zak 2011, 367; Hawel, EF-Z 2012/34, 55) hat sich, aufbauend auf 6 Ob 136/10h, ausführlich mit den Lehrmeinungen zu § 773a Abs 3 ABGB auseinandergesetzt und ist zu folgendem Ergebnis gekommen:

§ 773a Abs 3 ABGB ist auch auf Fälle anzuwenden, in denen die letztwillige Verfügung vor dem 1. Juli 2001 errichtet wurde.

Für die Sanktion des § 773a Abs 3 ABGB, dass bei grundloser Ablehnung der Ausübung des Rechts auf den persönlichen Verkehr (auf persönliche Kontakte) durch den Erblasser das Recht auf Pflichtteilsminderung nicht zusteht, kommt es nur auf ein Verhalten des Erblassers an, das dieser nach dem 1. Juli 2001 gesetzt hat.

Bei Anwendung des § 773a Abs 3 ABGB sind minderjährige und erwachsene Kinder gleich zu behandeln.

1.4. Der erkennende Senat hält am dargestellten Ergebnis der Entscheidung 4 Ob 98/11g fest.

1.5.1. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies zunächst, dass es auf die festgestellten ‑ den Kontakt mit dem Kläger grundlos (vgl dazu auch 6 Ob 136/10h) ablehnenden ‑ Verhaltensweisen des Erblassers gegenüber dem Kläger vor dem 1. Juli 2001 nicht ankommt.

1.5.2. Die Ablehnung des Kontakts erfordert grundsätzlich zumindest den Versuch einer Kontaktaufnahme durch das jeweilige Gegenüber ( Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 [2013] § 773a Rz 3). Der Kontaktversuch des anderen muss aktiv abgelehnt werden (vgl die unter Punkt 1.2. wiedergegebenen ErläutRV; Spitzer , Änderungen im Erbrecht durch das KindRÄG 2001, NZ 2003/98, 353 [357 f]; Ondreasova , Zak 2011/689, 367 [368]; Nemeth in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2013] § 773a Rz 5; vgl auch Welser in Rummel/Lukas , ABGB 4 [2014] § 773a Rz 8).

An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Fall, hat doch der Kläger nach dem 1. Juli 2001 keinen Kontakt zum Erblasser gesucht, weshalb dieser einen solchen auch nicht aktiv ablehnen konnte.

Bereits das Erstgericht hat aber zutreffend das festgestellte Verhalten des Erblassers gegenüber dem Kläger (Morddrohung, Beschimpfen des Klägers als „Bastard“, der abgetrieben hätte werden sollen) als moralisch und ethisch verwerflich beurteilt. Nach diesem Verhalten des Erblassers war es aber dem Kläger auch nach dem 1. Juli 2001 nicht zumutbar, von sich aus noch den Kontakt zum Erblasser zu suchen. Deshalb fällt es im vorliegenden Fall dem Kläger nicht zur Last, dass er nach dem 1. Juli 2001 keinen Kontakt zu seinem Vater gesucht hat.

Auszugehen ist in einem solchen Fall dann davon, dass es nach den entsprechend § 773a Abs 2 ABGB anzuwendenden Beweislastregeln des § 771 ABGB am Erben gelegen wäre, nachzuweisen, dass die „Enterbungsursache“ nach dem 1. 7. 2001 vorgelegen ist. Dazu gehört dann auch die vom Gesetzgeber der Regelung des § 773a Abs 3 ABGB zugrunde gelegte Annahme einer Situation, in der es dem pflichtteilsberechtigten Kläger zumutbar ist, wieder den persönlichen Kontakt mit dem Erblasser zu suchen. Soweit dies einmal infolge einer massiven Ablehnung ‑ wie hier ‑ als nicht zumutbar erachtet werden kann, liegt es am Erben nachzuweisen, dass dieses Verhalten des Erblassers durch den zeitlichen Verlauf oder sonstige Umstände so an Bedeutung verloren hat, dass die Unzumutbarkeit weggefallen ist. Dafür liegen hier aber keine ausreichenden Anhaltspunkte vor. Zwar ist ein durchaus erheblicher Zeitraum verstrichen, jedoch handelte es sich um eine Morddrohung und äußerst massive Beleidigungen und konnte nicht einmal festgestellt werden, dass der Erblasser einem späteren Versuch des Klägers, einen persönlichen Kontakt herzustellen, positiv gegenüber gestanden wäre.

Dem Erblasser stand daher das Recht auf Pflichtteilsminderung nicht zu, weshalb sich das Begehren des Klägers auf Bezahlung des nicht geminderten Pflichtteils als berechtigt erweist. Dem Zahlungsbegehren war daher stattzugeben.

2. Manifestationsbegehren:

Dazu wird der Revisionswerber auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichts verwiesen (§ 510 Abs 1 Satz 2 ZPO).

3. Die Kostenentscheidung gründet auf den § 43 Abs 1 (und § 50) ZPO. Der Kläger war im erstinstanzlichen Verfahren im ersten Verfahrensabschnitt mit 29 % erfolgreich, nach der Einschränkung im zweiten Verfahrensabschnitt und im gesamten Rechtsmittelverfahren mit 17 %.

Der Ausspruch über die anteilige Verpflichtung der Beklagten zur Bezahlung der in § 64 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Beträge gründet sich auf die angegebenen Gesetzesstellen (vgl Danzl , Geo. 5 § 545 Anm 23).

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