OGH 3Ob231/14p

OGH3Ob231/14p18.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der wiederaufnahmsklagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenbichler, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die wiederaufnahmsbeklagte Partei Dr. N*****, vertreten durch Hochsteger, Perz, Wallner & Warga Rechtsanwälte in Hallein, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 31 C 86/09a des Bezirksgerichts Salzburg, über den Revisionsrekurs der wiederaufnahmsklagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. Oktober 2014, GZ 21 R 214/14p‑15, womit über Rekurs der wiederaufnahmsklagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 28. Mai 2014, GZ 31 C 782/13k-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00231.14P.0318.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antrag der wiederaufnahmsbeklagten Partei auf Ersatz der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Zwischen den Streitparteien behängt seit mehreren Jahren ein Scheidungsverfahren. Auch zahlreiche andere Gerichtsverfahren sind anhängig.

Die primär auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO und daneben auf § 530 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO, „hilfsweise auf § 531 ZPO“ gestützte Klage strebt eine Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 31 C 86/09a des Erstgerichts an. In diesem Verfahren wurde der Oppositionsklage des nun Wiederaufnahmsbeklagten rechtskräftig stattgegeben und ausgesprochen, dass der Anspruch der Wiederaufnahmsklägerin aus dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Unterhaltsvergleich vom 19. Februar 2007 erloschen ist.

Das Erstgericht wies die Klage ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ zurück.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Wiederaufnahmsklägerin nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass ausdrückliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bereits im Vorprüfungsverfahren eine Verschuldensprüfung anhand des Klagevorbringens erfolgen dürfe.

Der Revisionsrekurs der Wiederaufnahmsklägerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Frage, inwieweit im Vorprüfungsverfahren ein Verschulden des Wiederaufnahms-klägers iSd § 530 Abs 2 ZPO geprüft werden kann, bereits mehrfach befasst und ist zum Ergebnis gelangt, dass zwar in der Regel nicht im Vorprüfungsverfahren zu klären ist, ob den Kläger ein Verschulden an der nicht rechtzeitigen Kenntnis der neuen Beweismittel trifft (RIS‑Justiz RS0044639). Ein Verschulden des Klägers rechtfertigt allerdings nach gesicherter Rechtsprechung dann die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage, wenn sich dieses Verschulden bereits aus den ‑ als richtig angenommenen ‑ Tatsachenbehauptungen der Klage ergibt oder wenn in der Klage jede Behauptung fehlt, dass die Geltendmachung des als Wiederaufnahmsgrund angeführten Beweismittels im Vorprozess ohne Verschulden unmöglich war (RIS‑Justiz RS0044558). Die bloße Berufung auf mangelndes Verschulden ist nicht ausreichend. Vielmehr muss die Klage konkrete Tatsachenbehauptungen enthalten (2 Ob 47/11t = RIS‑Justiz RS0044558 [T16]).

2. Die Anwendung dieser Leitlinien der oberstgerichtlichen Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall begründet grundsätzlich (RIS‑Justiz RS0111578) ‑ mangels korrekturbedürftiger Fehlbeurteilung des Rekursgerichts (RIS‑Justiz RS0044411 [T19]) ‑ keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO:

2.1 Nicht einmal im Revisionrekurs vermag die Klägerin aufzuzeigen, warum sie zwar in der Lage war, vor Einbringung der Wiederaufnahmsklage die nach ihren Behauptungen persönlichkeitsverändernde Wirkung eines ihr verschriebenen Psychopharmakums (die zu den ‑ unterhaltsverwirkenden ‑ Feindseligkeiten gegen den Beklagten geführt haben soll), zu erkennen, warum sie aber nicht in der Lage war, diese Wirkung im Oppositionsverfahren (dessen Schwerpunkt ja gerade die Frage bildete, ob die Klägerin durch falsche Anschuldigungen und massiv übertriebene Vorwürfe gegen den Beklagten ihren Unterhaltsanspruch verwirkte) ins Treffen zu führen.

2.2 Auch die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Klägerin ein Verschulden daran treffe, dass sie die drei in der Klage als „neue Beweismittel“ benannten Zeugen nicht im Vorprozess beantragte, steht im Einklang mit der Rechtsprechung: Ein Verschulden liegt vor, wenn die Partei im Hauptprozess Zeugen zu führen unterlässt, von denen sie voraussetzen musste, dass diesen die zu erweisenden Tatsachen bekannt sind (RIS‑Justiz RS0044619), wobei ein Verstoß gegen die prozessuale Diligenzpflicht auch darin bestehen kann, dass eine Partei ihr zumutbare Erhebungen nicht pflegt, um die zur Dartuung ihres Prozessstandpunkts erforderlichen Zeugen auszuforschen (RIS‑Justiz RS0109743).

2.3 Irrelevant ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin nach ihren Behauptungen im Vorprozess glaubte, einer der Zeugen würde nicht „günstig“ für sie aussagen: Mit einer nachträglich erkannten Fehleinschätzung des Beweiswerts unterbliebener Zeugenaussagen lässt sich die Wiederaufnahme gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht erfolgreich begründen (RIS‑Justiz RS0117483 [T2]).

2.4 Hinsichtlich jenes Rechtsanwalts, der nach den eigenen Behauptungen der Klägerin zwischen 2006 und 2008 ihr Rechtsvertreter war, enthält die Klage kein Vorbringen, warum die Klägerin erst anlässlich einer Zeugenaussage ihres ehemaligen Rechtsvertreters im Jahr 2013 erfahren haben soll, dieser Rechtsanwalt könne aussagen, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Unterhaltsvergleichs über sämtliche, letztlich im Oppositionsprozess als unterhaltsverwirkend qualifizierten Vorwürfe, die die Klägerin gegen den Beklagten erhob, informiert gewesen sei.

3. Ob für die Geltendmachung des Wiederaufnahmsgrundes des § 530 Abs 1 Z 3 ZPO eine „strafrechtlich exakte“ Beschreibung des Tatbestands erforderlich ist, kann dahinstehen. Jedenfalls nicht ausreichend ist die unsubstanziierte Behauptung, der Gegner habe im Vorverfahren „Prozessbetrug“ begangen.

4. Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen. Er hat daher die Kosten seiner nicht zweckentsprechenden Revisionsrekurs-beantwortung selbst zu tragen.

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