OGH 5Nc3/15h

OGH5Nc3/15h9.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth und die Hofrätin Dr. Grohmann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen A***** R***** K*****, geboren am *****, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050NC00003.15H.0309.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Steyr vom 4. Februar 2015, GZ 22 PS 18/15k‑4, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Amstetten wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Beim Bezirksgericht Steyr langte am 30. 1. 2015 (vorab per Telefax) ein vom Bezirksgericht St. Pölten übermittelter Antrag der Bezirkshauptmannschaft Amstetten ein, mit dem dieser Kinder- und Jugendhilfeträger (ua) begehrte, den Eltern des Kindes die Obsorge in den Teilbereichen Pflege und Erziehung zu entziehen und dem Kinder- und Jugendhilfeträger zu übertragen. In diesem Antrag wird berichtet, dass sich das Kind derzeit auf einem Krisenpflegeplatz in 3385 Prinzersdorf aufhalte, die Mutter in 4303 St. Pantaleon‑Erla wohnhaft und der Vater unbekannten Aufenthalts sei.

Das Bezirksgericht Steyr übertrug mit Beschluss vom 4. 2. 2015, GZ 22 PS 18/15k‑4, gemäß § 111 JN die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Amstetten mit der Begründung, dass sich das Kind ständig in 3385 Prinzersdorf auf einem Krisenpflegeplatz aufhalte, weshalb es zweckmäßiger sei, wenn das Bezirksgericht Amstetten die Pflegschaftssache führe.

Die vom Bezirksgericht Amstetten durchgeführten Behördenanfragen aus dem Zentralen Melderegister ergaben, dass die Mutter seit 4. 2. 2015 in 4060 Leonding und der Vater seit 6. 2. 2015 in 4020 Linz gemeldet ist. Auf telefonische Anfrage teilte die Mutter dem Bezirksgericht Amstetten mit, dass sie derzeit bei einer Freundin wohne, auf Wohnungssuche in Linz sei, künftig dort mit dem Vater des Kindes wohnen und nach Bezug einer eigenen Wohnung das Kind wieder bei sich haben wolle. Bis dahin könne das Kind bei den Pflegeeltern bleiben.

Das Bezirksgericht Amstetten lehnte darauf die Übernahme des Akts ab, weil kein Anknüpfungspunkt an den Sprengel des Bezirksgerichts Amstetten bestehe.

Das Bezirksgericht Steyr legte den Akt daraufhin dem Obersten Gerichtshof zur Genehmigung der Übertragung gemäß § 111 Abs 2 JN vor und verfügte in einem die Zustellung des Übertragungsbeschlusses an die Eltern des Kindes. Nach der Aktenlage war die Zustellung betreffend beide Elternteile bislang nicht erfolgreich.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht nach § 111 JN setzt voraus, dass dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint. Dies trifft dann zu, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich gefördert wird. § 111 JN nimmt dabei ua darauf Bedacht, dass ein (örtliches) Naheverhältnis zwischen dem Pflegschaftsgericht und dem Minderjährigen in der Regel zweckmäßig und von wesentlicher Bedeutung ist (RIS‑Justiz RS0046929). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bei einer Weiterführung der Pflegschaftssache durch das Bezirksgericht Amstetten bestehen keine Anhaltspunkte, befindet sich doch der derzeitige Aufenthaltsort weder der Eltern noch des Kindes im Sprengel dieses Bezirksgerichts. Die Übertragung ist daher nicht zu genehmigen.

Für den Obersten Gerichtshof besteht dann, wenn ‑ wie hier ‑ die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben sind, kein Hindernis, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen (vgl RIS‑Justiz RS0112956 [T1]).

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