European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00159.14W.0305.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Marwan D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche und einen rechtskräftigen Schuldspruch einer weiteren Angeklagten enthält wurde Marwan D***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB (A./I./1./ und 3./), mehrerer Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A./II./1./) und des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG, § 12 dritter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.
Danach hat er ‑ soweit für das Nichtigkeitsverfahren relevant ‑ in W*****
A./ vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Heroin
I./ von etwa Februar 2012 bis 18. Oktober 2013 in einer das 25‑fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, überwiegend gewerbsmäßig anderen überlassen und zur Überlassung beigetragen, und zwar
1./ indem er
a./ im Sommer 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Silvia K***** dem abgesondert verfolgten Servet N***** in Teilmengen insgesamt rund 1,2 Gramm reines Heroin verkaufte;
b./ von etwa Juni bis 18. Oktober 2013 dem abgesondert verfolgten Beslan T***** in drei bis vier Teilmengen insgesamt rund 10 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von rund 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und rund 0,6 % Acetylcodein verkaufte;
c./ von etwa Juni bis 18. Oktober 2013 dem abgesondert verfolgten Recep Ö***** in mehreren Teilmengen insgesamt rund 8 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von rund 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und 0,6 % Acetylcodein verkaufte und ihm eine geringe Menge unentgeltlich überließ;
d./ von September bis Oktober 2013 der abgesondert verfolgten Natascha H***** in 15 bis 20 Teilmengen insgesamt rund 10 bis 15 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von rund 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und 0,6 % Acetylcodein verkaufte;
e./ von Frühling/Sommer bis 18. Oktober 2013 dem abgesondert verfolgten Hasudin G***** in Teilmengen insgesamt rund 15 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von rund 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und rund 0,6 % Acetylcodein verkaufte;
f./ von September bis 18. Oktober 2013 dem abgesondert verfolgten Admir Ku***** in fünf Teilmengen insgesamt rund 4,5 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von rund 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und rund 0,6 % Acetylcodein verkaufte;
g./ von Februar bis August 2013 dem abgesondert verfolgten Baljinder A***** in rund zehn Teilmengen insgesamt zumindest 10 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von rund 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und rund 0,6 % Acetylcodein verkaufte;
h./ von zumindest Juni/Juli bis 18. Oktober 2013 zahlreichen unbekannt gebliebenen Abnehmern in zahlreichen Teilmengen insgesamt höchstens 150 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest rund 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und rund 0,6 % Acetylcodein verkaufte;
i./ im September 2013 dem abgesondert verfolgten Mehmet C***** in mehreren Teilmengen zumindest 1,5 Gramm Heroin unentgeltlich überließ;
j./ von Februar 2012 bis Anfang Oktober 2013 Silvia K***** in täglichen Teilmengen 900 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt zwischen 3 und 8,5 % Heroin überließ, die er von den abgesondert verfolgten Basri V*****, Adnan G*****, Ufuk E***** und weiteren unbekannt gebliebenen Suchtgiftverkäufern besorgt hatte;
k./ von längstens Anfang Oktober bis 18. Oktober 2013 unbekannt gebliebenen Abnehmern des abgesondert verfolgten Ufuk E***** in zwei Teilmengen insgesamt rund 3 Gramm Heroin mit einem Wirkstoffgehalt von zumindest 8,5 % Heroin, rund 0,6 % Monoacetylmorphin und rund 0,6 % Acetylcodein im Auftrag des Ufuk E***** übergab und das Geld dafür kassierte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen die Punkte A./I./1./ und 3./ des Schuldspruchs richtet sich die auf Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Marwan D*****, welche sich als nicht berechtigt erweist.
Mit Mängelrüge bekämpft der Angeklagte die erstgerichtliche Konstatierung, wonach er der Angeklagten Silvia K***** 900 Gramm Heroin mit einem Reinheitsgehalt zwischen 3 und 8,5 % überlassen habe (US 12), und behauptet das Fehlen bzw die Aktenwidrigkeit einer diesbezüglichen Begründung (Z 5 vierter und fünfter Fall). Entgegen diesem Vorwurf konnten sich die Tatrichter auf die in der Nichtigkeitsbeschwerde sogar zitierten übereinstimmenden Angaben der Angeklagten stützen, wonach Marwan D***** das Suchtgift besorgte und es in der Folge jeweils gemeinsam mit Silvia K***** konsumierte.
Indem der Rechtsmittelwerber ‑ ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116962, RS0116565) lediglich durch Verweis auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Gewahrsamsbruchs beim Diebstahl ‑ behauptet, im gemeinsamen Konsum des zuvor vom Angeklagten D***** allein gekauften und übernommenen Suchtgifts liege keine Überlassung im Sinn des § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (inhaltlich Z 9 lit a), verfehlt er prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (vgl RIS‑Justiz RS0088330; Fabrizy , Suchtmittelrecht 5 [2012] § 27 SMG Rz 11 mwN).
Ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 dritter Fall liegt nur dann vor, wenn zwischen Feststellungen und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehreren Feststellungen in den Entscheidungsgründen oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS‑Justiz RS0119089). Die zu Punkt A./I./3./ des Schuldspruchs erhobene Kritik der Mängelrüge zeigt jedoch keinen Widerspruch in diesem Sinn auf, weil sie lediglich aus einer eigenen Würdigung nicht näher bezeichneter (vgl RIS‑Justiz RS0124172) Ergebnisse einer „Sicherstellung“ und nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unter Anstellung eigenständiger Überlegungen die tatverfangenen Suchtgiftquanten in Frage stellt.
Indem die Mängelrüge zu Punkt A./I./3./ ausführt, das Erstgericht hätte die Feststellung unbegründet gelassen (Z 5 vierter Fall), wonach der Rechtsmittelwerber Ufuk E***** auch psychisch bestärkte, mit dem Drogenhandel fortzufahren (US 13), spricht sie keine entscheidende Tatsache an (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 399), weil dem Angeklagten durch das Gestatten der Bunkerung des Suchtgifts in seiner Wohnung vor dem Verkauf durch E***** auch ein physischer Beitrag zur strafbaren Handlung zur Last liegt. Soweit der Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang ausführt, die Bunkerhaltung erfülle nicht den Tatbestand des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG, sondern lediglich jenen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 SMG, übergeht er die Konstatierungen, wonach Ufuk E***** das Suchtgift nicht bloß in der Wohnung des Angeklagten lagerte, sondern es in der Folge anderen überließ, wozu der Angeklagte dadurch beitrug, dass er gemeinsam mit der Zweitangeklagten ihre Wohnung zur Aufbewahrung, Portionierung und teilweise auch zum Verkauf zur Verfügung stellte (US 13 f).
Aufgrund der gesetzlichen Anordnung, die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO), versagt auch der Einwand, das Gericht hätte den „Umstand, dass bei dem Lieferanten Adnan G***** Streckmittel vorgefunden wurde“, dessen Bekundung „nur 60 bis 100 Gramm täglich an E***** weitergegeben zu haben“ (vgl aber US 13) sowie eine „erste Aussage“ des Zeugen Ufuk E*****, in welcher dieser lediglich von einer Gesamtmenge an verkauftem Heroin von 450 Gramm ausging, berücksichtigen müssen. Da der Rechtsmittelwerber hiezu nur Aktenstellen der ON 14 benennt, auf denen insofern aber keine argumentative Basis zu diesem Beschwerdevorbringen zu finden ist, verfehlt sein Vorbringen die prozessförmige Ausführung.
Die Ausführungen, die Angeklagten wären bei ihrer Vernehmung vor der Polizei aufgrund von Entzugserscheinungen „zumindest am zweiten Tag eigentlich gar nicht mehr vernehmungsfähig“ gewesen, bleiben rein spekulativ, entbehren einer Bezugnahme auf konkretes Aktenmaterial (RIS‑Justiz RS0124172) und lassen überdies auch keinen Konnex zu bestimmten ‑ davon vermeintlich betroffenen ‑ entscheidenden Feststellungen erkennen (RIS‑Justiz RS0106268).
Da Gegenstand einer Zeugenaussage nur sinnliche Wahrnehmungen, nicht aber Meinungen, Ansichten, Wertungen oder ähnliche intellektuelle Vorgänge sind (RIS‑Justiz RS0097540), bedurfte auch die vom als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Markus P***** bekundete Einschätzung, wonach ein Beschuldigter, dem man etwas „in den Mund lege“, gewöhnlich nicht zur Unterschriftleistung bereit sei, keiner Erörterung im Urteil.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Entgegen der Ansicht der Generalprokuratur fehlen betreffend die Qualifikationsnorm des § 28a Abs 4 Z 3 SMG keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der tatverfangenen Suchtgiftquanten. Die Tatrichter stellten fest, dass die Angeklagten das Überlassen der im Spruch genannten Suchtgiftquanten bzw Beitragshandlungen dazu und den jeweils darauf bezogenen Reinheitsgrad des weitergegebenen Suchtgifts ernstlich für möglich hielten und sich damit abfanden (US 14 und 21). Nach den Konstatierungen des Schöffengerichts war den Angeklagten „bei jedem entgeltlichen bzw unentgeltlichen Überlassen und auch bei ihren Beitragshandlungen bewusst, dass durch fortgesetzte Überlassung von für sich genommenen kleinen Mengen Wirksubstanz sich diese mit der Zeit immer wieder auf die Grenzmenge übersteigende Mengen summieren und summieren werden, fanden sich damit ab und entschlossen sich dessen ungeachtet, fortlaufend Heroin an andere Personen selbst zu überlassen bzw dazu beizutragen“ (US 14 f).
Speziell zum Urteilsspruch A./I./3./ (der für sich alleine schon mehr als das 28‑fache der Grenzmenge betraf) hielt das Schöffengericht fest, dass beide Angeklagte über die Suchtgiftgeschäfte des Ufuk E***** genauestens ‑ auch hinsichtlich der von ihm gehandelten Suchtgiftmengen ‑ Bescheid wussten und ihn bei dessen Suchtgiftgeschäften unterstützten (US 20). Ergänzend dazu konstatierten die erkennenden Richter, dass die Angeklagten mit entsprechendem Additionsvorsatz im Wissen um den Umfang der inkriminierten Suchtgifttransaktionen bzw den dazu getätigten Unterstützungshandlungen billigend in Kauf nahmen, dass durch ihr wiederkehrendes Handeln sich die einzelnen Teilmengen mit der Zeit immer wieder auf die Grenzmenge übersteigende Mengen summieren werden (US 21 und 23), zumal sie auch hinsichtlich des angenommenen Reinheitsgrades bedingt vorsätzlich handelten (US 22). Damit wird die subjektive Tatseite auch in Bezug auf ein gewolltes Überschreiten einer übergroßen Menge im Sinn des § 28a Abs 4 Z 3 SMG hinlänglich zum Ausdruck gebracht (vgl RIS‑Justiz RS0117464).
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