OGH 13Os106/14h

OGH13Os106/14h25.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Februar 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bachl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian F***** wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB, AZ 15 HR 51/13g des Landesgerichts Leoben (AZ 1 St 225/12h der Staatsanwaltschaft Leoben), über den auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 30. April 2014, AZ 8 Bs 124/14t (ON 66 der HR‑Akten), bezogenen Antrag der Generalprokuratur auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens und die gegen diesen Beschluss erhobene Beschwerde des Beschuldigten in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00106.14H.0225.000

 

Spruch:

In Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur wird der Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 30. April 2014, AZ 8 Bs 124/14t (ON 66 der HR‑Akten), aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über die Beschwerde des Beschuldigten vom 7. April 2014 (ON 63 der HR‑Akten) an dieses Gericht verwiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Leoben führt zu AZ 1 St 225/12h (AZ 15 HR 51/13g des Landesgerichts Leoben) ein Ermittlungsverfahren gegen Christian F***** wegen des Verdachts des schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB.

Mit Beschluss vom 12. März 2014 (ON 61) gab das Landesgericht Leoben dem Einspruch des Beschuldigten wegen Rechtsverletzung (§ 106 StPO) vom 27. Dezember 2013 (ON 55) nicht Folge.

Die dagegen am 7. April 2014 erhobene Beschwerde des Beschuldigten (ON 63) wies das Oberlandesgericht Graz mit Beschluss vom 30. April 2014 (ON 66) als verspätet zurück.

Dabei ging das Beschwerdegericht aufgrund der Aktenlage (Zustellnachweis ON 61 S 17) davon aus, dass der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 12. März 2014 (ON 61) dem Beschuldigten am Freitag, dem 21. März 2014, zugestellt worden und demnach die Einbringung der Beschwerde am Montag, dem 7. April 2014, nach Ablauf der 14‑tägigen Frist des § 88 Abs 1 zweiter Satz StPO erfolgt sei (ON 66 S 3).

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2014 (ON 69) brachte der Beschuldigte vor, dass ihm der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 12. März 2014 (ON 61) erst am Montag, dem 24. März 2014, zugestellt und demgemäß die dagegen gerichtete Beschwerde (ON 63) rechtzeitig erhoben worden sei.

Zum Nachweis dafür legte er eine eidesstättige Erklärung jener Mitarbeiterin des Verteidigers, deren Unterschrift auf dem Zustellnachweis (ON 61 S 17) aufscheint, vor, wonach diese am Freitag, dem 21. März 2014, dienstfrei und demnach nicht in der Kanzlei des Verteidigers anwesend gewesen sei (ON 69 S 33).

Zu diesem Vorbringen als Zeuge befragt gab der Zusteller Albin B***** an, „ziemlich sicher“ zu sein, dass die in Rede stehende Zustellung tatsächlich erst am Montag, dem 24. März 2014, erfolgt sei. Die Diskrepanz hinsichtlich des Zustelldatums erklärte er damit, dass er möglicherweise am Freitag, dem 21. März 2014, in der Kanzlei des Verteidigers niemanden angetroffen und deswegen am Montag, dem 24. März 2014, einen weiteren (erfolgreichen) Zustellversuch vorgenommen, dabei aber vergessen habe, das bereits zuvor auf dem Zustellnachweis angebrachte Datum (21. März 2014) richtigzustellen (ON 98 S 25).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt, wies das Oberlandesgericht Graz die Beschwerde des Beschuldigten rechtsfehlerfrei zurück, weil sie nach der im Entscheidungszeitpunkt gegebenen Aktenlage verspätet eingebracht worden war.

Die nachträglich vorgelegte Urkunde und die hiezu durchgeführten Erhebungen wecken aber an der Richtigkeit der Sachverhaltsbasis dieser Entscheidung erhebliche Bedenken. Dies greift die Generalprokuratur zulässigerweise mit einem auf Wiederaufnahme des Verfahrens gerichteten Antrag auf, weil die analoge Anwendung des § 362 Abs 1 Z 2 StPO durch den Obersten Gerichtshof stets dann in Betracht kommt, wenn sich ‑ wie hier ‑ herausstellt, dass letztinstanzliche Entscheidungen, die nicht vom Obersten Gerichtshof gefällt worden sind, auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv unrichtigen Verfahrensgrundlage ergangen sind, ohne dass dem Gericht ein Rechtsfehler unterlaufen ist (14 Os 159/02, SSt 2003/9; RIS‑Justiz RS0117312 und RS0117416, jüngst 13 Os 45/14p).

Demnach war in Stattgebung des Antrags der Generalprokuratur der Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Beschwerdegericht vom 30. April 2014 (ON 66) aufzuheben und diesem Gericht die Entscheidung über die Beschwerde des Beschuldigten vom 7. April 2014 (ON 63) aufzutragen.

Die ‑ im Übrigen unzulässige (§ 89 Abs 6 StPO) ‑ Beschwerde des Beschuldigten (ON 69) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 30. April 2014 (ON 66) sowie alle auf diesem Beschluss basierenden Entscheidungen und Verfügungen sind damit gegenstandslos.

Stichworte