OGH 10ObS10/15s

OGH10ObS10/15s24.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 2 ASGG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Berufsunfähigkeitspension, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. Dezember 2014, GZ 10 Rs 144/14s‑27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00010.15S.0224.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. 12. 2012 hatte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom 2. 10. 2012 auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension abgelehnt. Das dagegen von der Klägerin zu 32 Cgs 25/13w des Erstgerichts erhobene Klagebegehren wurde mit dem am 24. 9. 2013 mündlich verkündeten und am 26. 9. 2013 schriftlich ausgefertigten Urteil rechtskräftig abgewiesen.

Bereits am 29. 11. 2013, somit vor Ablauf von 18 Monaten nach Rechtskraft dieser Entscheidung, stellte die Klägerin einen neuerlichen Antrag auf Zuerkennung der Berufsunfähigkeitspension, den die beklagte Partei mit Bescheid vom 23. 1. 2014 unter Hinweis auf § 362 Abs 2 ASVG mangels Bescheinigung einer wesentlichen Änderung der Arbeitsfähigkeit zurückwies.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage gemäß § 73 ASGG wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs mit der Begründung zurück, es sei keine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands bescheinigt worden.

Das Rekursgericht gab dem allein aus dem Grund der Mangelhaftigkeit erhobenen Rekurs der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig.

I. Der im Revisionsrekurs enthaltene Antrag auf nachträgliche Zulassung des Revisionsrekurses durch eine Abänderung des Unzulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts dahin, dass der Revisionsrekurs doch zugelassen werde, ist verfehlt, weil in Streitigkeiten in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen (§ 502 Abs 5 Z 4 ZPO) ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden kann, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach § 528 Abs 1 ZPO zulässig ist. Für diesen gelten die Bestimmungen über die außerordentliche Revision sinngemäß (§ 528 Abs 3 ZPO iVm § 505 Abs 4 ZPO). Einer Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht bedarf es in diesem Fall nicht. Das vorliegende Rechtsmittel der Klägerin ist daher als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln, dessen Zulässigkeit vom Obersten Gerichtshof ausschließlich nach § 528 Abs 1 ZPO zu beurteilen ist (RIS‑Justiz RS0110049 [T8, T9]).

II. Danach ist der Revisionsrekurs nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen oder des Prozessrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

1. Hat der Versicherungsträger in den Fällen des § 362 ASVG den Antrag zurückgewiesen, so obliegt es nach § 68 ASGG dem Versicherten, dem Gericht eine wesentliche Änderung des zuletzt festgestellten Gesundheitszustands glaubhaft zu machen. Es muss sich das festgestellte Leiden entweder verschlechtert haben oder ein neues Leiden hinzugetreten sein. Wenn auch keine allzu hohen Anforderungen an die Bescheinigung einer Verschlechterung des Leidens oder des Hinzutretens eines neuen Leidens gestellt werden sollen, so müssen die Bescheinigungsmittel doch geeignet sein, dem Richter die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit einer Tatsache zu verschaffen (RIS‑Justiz RS0085657). Gelingt dem Kläger die Glaubhaftmachung nicht, ist die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurückzuweisen (10 ObS 14/10x, SSV‑NF 24/13). Es fehlt dann an der Voraussetzung eines über den Leistungsantrag des Versicherten materiell absprechenden Bescheids des Versicherungsträgers und an der weiteren Voraussetzung der Glaubhaftmachung einer wesentlichen Änderung der Anspruchsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0085668).

2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin über Aufforderung des Erstgerichts medizinische Befunde vorgelegt. Darüberhinaus hat das Erstgericht ‑ obwohl es sich dabei nicht um parate Bescheinigungsmittel handelte ‑ Aktengutachten zum Gesundheitszustand der Klägerin eingeholt und nach Vorliegen der Gutachten der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Auf Grundlage der Ergebnisse des Bescheinigungsverfahrens ist das Erstgericht davon ausgegangen, eine Verschlechterung des Gesundheitszustands sei nicht glaubhaft gemacht.

3. Ob die Glaubhaftmachung gelungen ist oder nicht, stellt immer das Ergebnis der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung dar (10 ObS 62/12h). Der Oberste Gerichtshof hat daher auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Klägerin die Bescheinigung einer Verschlechterung ihres seinerzeit festgestellten Gesundheitzustands nicht gelungen ist.

4. Das Rekursgericht hat sich mit der ‑ unter dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit geltend gemachten ‑ angeblichen Verletzung des Parteiengehörs infolge Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung befasst und eine Verletzung des Parteiengehörs mit der Begründung verneint, die Klägerin habe ihren Standpunkt schriftlich (in der Klage und in mehreren Schriftsätzen) darlegen können.

Nach ständiger Rechtsprechung können angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Rekursgericht verneint wurden, auch im Verfahren nach dem ASGG im Revisionsrekurs aber nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963; RS0043061).

Sollte die Revisionsrekurswerberin die Verletzung des Parteiengehörs im erstinstanzlichen Verfahren nunmehr auch unter dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend machen wollen, so ist darauf schon deshalb nicht einzugehen, weil eine in zweiter Instanz unterlassene Rechtsrüge in dritter Instanz nicht mehr erfolgreich nachgeholt werden kann (RIS‑Justiz RS0043480).

Mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO ist der außerordentliche Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung im Dreirichtersenat beruht auf § 11a Abs 3 Z 2 ASGG.

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