OGH 3Ob229/14v

OGH3Ob229/14v18.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. N*****, vertreten durch Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeine S*****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Aufhebung eines Kaufvertrags, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Oktober 2014, GZ 6 R 163/14d‑32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 25. Juli 2014, GZ 2 Cg 65/13a-27, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die beklagte Stadtgemeinde kaufte im Jahr 2002 von den Eltern und Rechtsvorgängern des Klägers aus einer Liegenschaft acht als Grünland gewidmete Grundstücke im Gesamtausmaß von 11.353 m² um einen Gesamtkaufpreis von 490.550 EUR. Laut Punkt Fünftens des Kaufanbots vom 4. Juli 2002 wurde die Frist des § 38 Abs 6 OÖ ROG von zehn auf zwanzig Jahre verlängert. Die beklagte Stadtgemeinde hat zwei der acht gekauften Grundstücke, nämlich die Grundstücke 53/2 und 981/3, in Bauland umgewidmet und am 19. April 2012 eine Baubewilligung für einen dort auch errichteten Kindergarten erteilt.

Während der gesamten Vertragsverhandlungen haben die Vertragsparteien weder über die Veräußerung einzelner Grundstücke noch über unterschiedliche Wertigkeiten der Grundstücke aufgrund unterschiedlicher Grünlandkategorien gesprochen, sondern nur über einen einheitlichen Durchschnittspreis pro Quadratmeter verhandelt; dies obwohl ihnen bewusst war, dass die Grundstücke unterschiedliche Werte hatten. Letztlich wurde ein Quadratmeterpreis von 600 ATS vereinbart. Der Vater des Klägers vertraute beim Vertragsabschluss darauf, dass weder die Liegenschaft als ganze noch einzelne Teilgrundstücke in Bauland umgewidmet werden. Nicht feststellbar ist, ob die beklagte Stadtgemeinde die Grundstücke 53/2 und 981/3 auch alleine gekauft hätte.

Im Juli 2002 hatte die gesamte Liegenschaft im Ausmaß von 11.353 m² einen Wert von 413.022,14 EUR. Die Grundstücke 53/2 und 981/3 mit einer Gesamtfläche von 4.344 m² hatten einen Wert von 203.212,32 EUR. Als Bauland, eingeschränkt auf Kinderbetreuung, hätten sie einen Wert von 406.424,64 EUR gehabt. In diesem Fall ergäbe sich ein Gesamtwert der Kaufliegenschaft von 661.412,06 EUR, zusammengesetzt aus 4.344 m² zu je 93,56 EUR und 7.009 m² Restfläche zu je 36,38 EUR.

Die maßgebliche Bestimmung des § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994, LGBl 1993/114, hat in der hier anzuwendenden Fassung folgenden Inhalt:

„(6) Wird ein Grundstück im Vertrauen auf die Wirkung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes, der die Bebaubarkeit dieses Grundstückes ausschließt, veräußert, und wird die Bebauung des Grundstückes durch eine nachträgliche, innerhalb von zehn Jahren in Kraft getretene Änderung oder Neuerlassung eines Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes zulässig, so hat der Veräußerer das Recht, bei Gericht die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung des vorigen Standes zu fordern, wenn der vereinbarte Kaufpreis nicht die Hälfte des Kaufpreises erreicht, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Der Erwerber des Grundstückes kann die Aufhebung des Vertrages nur dadurch abwenden, daß er dem Veräußerer den Unterschied zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und jenem Kaufpreis erstattet, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstückes schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Das Recht, die Aufhebung des Vertrages und die Herstellung des vorigen Standes zu fordern, entsteht jedoch nur, wenn der Erwerber des Grundstückes innerhalb der zehnjährigen Frist und nach der Änderung oder Neuerlassung des Flächenwidmungsplanes oder eines Bebauungsplanes das Grundstück wieder veräußert oder eine Bewilligung für die Errichtung eines Baues auf diesem Grundstück rechtskräftig erteilt wird, und kann bei sonstigem Verlust nur innerhalb eines Jahres nach der Wiederveräußerung oder der Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides geltend gemacht werden.

Der Kläger begehrt die Teilaufhebung des Kaufvertrags in Bezug auf die Grundstücke 53/2 und 981/3; diese Aufhebung könne die beklagte Stadtgemeinde durch Zahlung von (zuletzt) 218.720,40 EUR abwenden. Das OÖ ROG 1994 stelle explizit auf Grundstücke und nicht etwa auf Kaufobjekte oder Liegenschaften ab, weshalb die Kaufvertragsaufhebung auch in Bezug auf einzelne Grundstücke möglich sei. Die Teilbarkeit der Leistung sei nicht nur objektiv gegeben, sondern ergebe sich auch aus dem Vertrag, weil einzelne, einer selbständigen Bewertung zugängliche Grundstücke angeführt seien.

Die beklagte Partei wandte Unteilbarkeit des Kaufobjekts ein, weil immer über ein einheitliches Kaufobjekt mit einem einheitlichen Quadratmeterpreis gesprochen worden sei, der als Mischpreis zu verstehen sei. Ein Missverhältnis iSd § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 bestehe nicht, weil sich diese Bestimmung zwangsläufig auf die gesamte verkaufte Liegenschaft beziehen müsse. Für den Fall der Berechtigung des Aufhebungsanspruchs erklärte die beklagte Partei, von der facultas alternativa, den Unterschiedspreis zu zahlen, Gebrauch machen zu wollen.

Das Erstgericht wies das auf Zahlung von 218.720,40 EUR gerichtete Klagebegehren ab (über das vom Kläger gestellte Aufhebungsbegehren wurde nicht abgesprochen). Da der explizite Parteiwille auf den Abschluss eines Kaufvertrags über die Gesamtliegenschaft gerichtet gewesen sei, sei in Anwendung des § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 eine grundstückweise Teilaufhebung des Kaufvertrags nicht möglich. Unter Berücksichtigung der Grundstücke 53/2 und 981/3 als Bauland habe der Wert aller Grundstücke zusammen im Juli 2002 661.412,06 EUR betragen. Angesichts eines Kaufpreises von 490.550 EUR liege keine Verkürzung über die Hälfte vor. Da die beklagte Partei die Ersetzungsbefugnis ausgeübt habe, sei das Vertragsaufhebungsbegehren des Klägers erloschen, weshalb darüber im Urteilsspruch nicht mehr ausdrücklich abzusprechen gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil mit der Maßgabe, dass es das Aufhebungsbegehren abwies; die Revision ließ es mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 in Verbindung mit §§ 878, 934 ABGB räume dem Kläger keinen Anspruch ein, wegen der Wertsteigerung eines Teils der Kaufgrundstücke einen Vertragsteil anzufechten und somit der beklagten Partei einen Restvertrag über sechs nicht umgewidmete Grundstücke aufzudrängen, den sie so weder geschlossen habe noch geschlossen hätte. Das Gestaltungsrecht des § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 bestehe nur im Hinblick auf ein am Gesamtvertrag zu messendes Wertverhältnis. Da der vereinbarte Gesamtkaufpreis mehr als die Hälfte des Kaufpreises betrage, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung der Grundstücke 53/2 und 981/3 schon zur Zeit der Veräußerung möglich gewesen wäre, habe das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen.

In seiner außerordentlichen Revision stellt der Kläger in den Vordergrund, dass es bei Anwendung des § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 allein auf die objektive Teilbarkeit der vertraglich bedungenen Leistung ankomme und nicht darauf, ob die ‑ wie hier ‑ objektiv teilbare Leistung nach dem Parteiwillen als unteilbar zu behandeln sei. Andernfalls wären unsachliche Benachteiligungen (bei „tranchenweiser“ Umwidmung) vorprogrammiert. Zielrichtung der Bestimmung sei der Ausgleich nachträglich eingetretener, vom Parteiwillen unabhängiger Äquivalenzstörungen. Für den Standpunkt des Klägers spreche im Übrigen die Verwendung des Begriffs „Grundstück“ in § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesen Ausführungen wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

1. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 sieht keine Regelung für den Fall einer begehrten Teilaufhebung eines geschlossenen Vertrags (im Hinblick auf nachträgliche Wertveränderungen von Teilen der kaufgegenständlichen Grundstücke) vor. Vielmehr spricht die vorgesehene Auflösung „des Vertrages und die Herstellung des vorigen Standes“ bei einer wörtlichen Auslegung gegen die Möglichkeit, dass der Verkäufer eine Teilaufhebung eines Vertrags unter Berufung auf § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 begehren kann.

Bei einem Vertrag, in dem die den Vorstellungen der Vertragsparteien entsprechenden Wertrelationen mehrerer gemeinsam verkaufter Grundstücke nicht offengelegt werden (in Betracht käme etwa eine unter Bezugnahme auf § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 vorgenommene Aufschlüsselung nach Einzelwerten der Grundstücke, selbst wenn mehrere Grundstücke mittels eines Vertragswerks übertragen werden), sprechen auch teleologische Erwägungen gegen die Möglichkeit einer vom Verkäufer determinierten Teilaufhebung: Dem Verkäufer würde es in die Hand gegeben, durch bewusste Auswahl bestimmter Grundstücke, deren Wert durch Umwidmung und/oder Bebauung gestiegen ist, eine für ihn günstige „Teilaufhebungskonstellation“ herbeizuführen und damit dem Käufer einen Vertragsinhalt aufzuzwingen, den er (möglicherweise) gar nicht wollte. Damit zeigt sich, dass das vom Kläger dargestellte Szenario vorprogrammierter unsachlicher Benachteiligungen des Verkäufers auch (zu Lasten des Käufers) umgekehrt werden kann.

2. Den auf rein objektive Kriterien bei der Teilbarkeit, konsequenterweise auch bei der Wertermittlung und den Wertrelationen zielenden Erwägungen des Klägers ist zu entgegnen, dass auch § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 nicht umhin kommt, einen Bezug zu dem in concreto geschlossenen Vertrag herzustellen: Der „vereinbarte Kaufpreis“ darf nicht die Hälfte desjenigen Kaufpreises erreichen, der angemessen gewesen wäre, wenn die Bebauung des Grundstücks schon zum Zeitpunkt der Veräußerung möglich gewesen wäre. Ein „vereinbarter Kaufpreis“ kann nicht isoliert vom Vertragsgegenstand betrachtet werden. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in der vom Kläger zitierten Entscheidung B 97/91, B 284/91‑303/91 (= VfSlg 13.006) zu einer ‑ nicht dem § 38 Abs 6 OÖ ROG entsprechenden ‑ Norm des früheren OÖ ROG 1972 eingeräumt, dass unter dem auch dort verwendeten Begriff „Grundstück“ nicht unbedingt nur ein einzelnes Grundstück verstanden werden kann, sondern gegebenenfalls auch mehrere Grundstücke, die miteinander eine „Einheit“ bilden.

3. Der Oberste Gerichtshof teilt die ausführlich begründete Ansicht des Berufungsgerichts, dass bei den in § 38 Abs 6 OÖ ROG 1994 angesprochenen Wertrelationen auch die Vorstellungen der Vertragsparteien (etwa über die Teilbarkeit von mehreren den Vertragsgegenstand bildenden Grundstücken) maßgeblich sind. Auch zu der vom Kläger für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Bestimmung des § 21 Abs 4 IO vertritt die Rechtsprechung die Ansicht, dass betreffend die Teilbarkeit auf die Regelung im bürgerlichen Recht zurückzugreifen ist, die unter dem besonderen Blickwinkel des Insolvenzrechts auszulegen ist (RIS‑Justiz RS0044162). Die Teilbarkeit einer Leistung beurteilt sich dabei primär nach dem ausdrücklich oder stillscheigend erklärten Willen der Vertragsparteien, erst subsidiär entscheidet die Verkehrsauffassung (Widhalm-Budak in Konecny/Schubert, KO § 21 Rz 258 mwN).

Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Beweislastverteilung treffen zu.

4. Mangels erheblicher Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

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