OGH 7Ob17/15y

OGH7Ob17/15y18.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr.

 Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei I***** R*****, vertreten durch Mag. Silvia Fahrenberger, Rechtsanwältin in Scheibbs, gegen den Gegner der gefährdeten Partei A***** P*****, vertreten durch Mag. Hannes Huber, Rechtsanwalt in Melk, wegen einstweiliger Verfügung gemäß §§ 382b und 382e EO, über den Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 26. November 2014, GZ 23 R 496/14k‑24, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00017.15Y.0218.000

 

Spruch:

Das als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandelnde Rechtsmittel wird gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Gegner der gefährdeten Partei hat der gefährdeten Partei die mit 225,07 EUR (darin enthalten 37,51 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Erstgericht erließ antragsgemäß die gemäß § 382b und § 382e EO beantragte einstweilige Verfügung.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Antragsgegners nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Dagegen erhob der Antragsgegner eine „Zulassungsbeschwerde“, die er mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verband.

Mit Beschluss vom 23. 12. 2014 erklärte das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs doch für zulässig und stellte der Antragstellerin die Beantwortung des Revisionsrekurses frei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

1. Vorweg ist auszuführen, dass das Rekursgericht einen Bewertungsausspruch in Übereinstimmung mit der dazu ergangenen Rechtsprechung unterließ (RIS‑Justiz RS0105351 [T2]). Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses hängt hier nur vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ab (RIS‑Justiz RS0097221; 2 Ob 82/08k, 7 Ob 166/14h [jeweils zu einer EV nach § 382g EO]). Es kann daher ein außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden, ohne dass es einer Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Rekursgericht bedarf. Das Rechtsmittel selbst kann ungeachtet des verfehlten Antrags ohne Verbesserungsverfahren in einen außerordentlichen Revisionsrekurs umgedeutet werden (RIS‑Justiz RS0110049).

2. Nach nunmehr gesicherter Rechtsprechung steht es dem Gefährdeten bei Gewalt in der Wohnung frei, ob er den Gewaltschutz nach § 382b EO (mit Nachweis des dringenden Wohnbedürfnisses) oder nach § 382e EO (mit Interessenabwägung) geltend machen will (RIS‑Justiz RS0127363). Die unterschiedliche Dauer, für die einstweilige Verfügungen nach den beiden Bestimmungen erlassen werden können, ist dadurch gerechtfertigt, dass nach § 382e EO eine Interessenabwägung stattfindet, nach § 382b EO hingegen nicht (vgl 7 Ob 201/11a). Damit stellt die bei der gemäß § 382e EO erlassenen einstweiligen Verfügung angeordnete Geltungsdauer von zwölf Monaten keine gesetzwidrige Ausdehnung der Höchstdauer des § 382b EO von sechs Monaten dar.

3. Die Ausführungen des Revisionsrekurswerbers, die Antragstellerin hätte innerhalb von drei Monaten leicht eine neue Bleibe finden können, erfolgen ohne nähere Darlegung einer konkreten Wohnraum-beschaffungsmöglichkeit und berücksichtigen nicht die erstgerichtliche Feststellung, dass sich die Antragstellerin in einer psychischen Ausnahmesituation befindet. Dabei handelt es sich gerade um einen in den Gesetzesmaterialien zum Zweiten Gewaltschutzgesetz angeführten Grund für die Ausdehnung der Höchstfrist von drei auf sechs Monate, weil drei Monate in einer solchen Krise zu kurz sein können, um eine neue Wohnung zu finden (vgl ErläutRV 678 BlgNR 23. GP  11). Vor diesem Hintergrund bewegt sich die Geltungsdauer von sechs Monaten für die gemäß § 382b EO angeordnete einstweilige Verfügung jedenfalls innerhalb des vom Gesetz eingeräumten Beurteilungsspielraums.

4. Dass der der Antragstellung zugrunde liegende Vorfall vom 29./30. 8. 2014, der zu erheblichen Verletzungen der Antragstellerin führte, die Geltungsdauer von zwölf Monaten für die gemäß § 382e EO angeordnete einstweilige Verfügung nicht rechtfertigen würde, bekämpft der Antragsgegner in seinem Revisionsrekurs nicht substantiiert. Allfällig notwendige Vereinbarungen zwischen den Parteien können auch von Vertretern geschlossen werden (vgl 3 Ob 21/99f). Im Übrigen wendet sich der Revisionsrekurs nicht gegen die vom Rekursgericht vorgenommene Interessenabwägung.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 78, 393 Abs 2 EO iVm §§ 41, 50 ZPO. Die Antragstellerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

Stichworte