OGH 9ObA140/14z

OGH9ObA140/14z29.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** A*****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 100.000 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. September 2014, GZ 7 Ra 26/14s‑45, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00140.14Z.0129.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die am ***** 1956 geborene Klägerin betrieb als Pächterin ab 1. 1. 2007 eine Selbstbedienungstankstelle der Beklagten. Als ihr eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gewährt wurde, kündigte sie das Pachtverhältnis zum 31. 12. 2011 auf.

Die Vorinstanzen verneinten den von ihr begehrten Ausgleichanspruch, weil ihr die Fortsetzung der Tätigkeit nicht altersbedingt unzumutbar gewesen wäre.

In ihrer außerordentlichen Revision ist die Klägerin der Ansicht, dass bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung einer Tätigkeit wegen des Alters iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 nicht nur physische und psychische Einschränkungen, sondern sämtliche mit einem höheren Alter verbundenen Begleitumstände zu berücksichtigen seien, daher jedenfalls auch vorübergehende altersbedingte finanzielle Einbußen.

2. Der Oberste Gerichtshof hat sich erst jüngst in der Entscheidung 9 ObA 126/14s ‑ die ebenfalls eine Eigenkündigung eines Tankstellenpächters infolge vorzeitiger Alterspension wegen langer Versicherungsdauer betraf ‑ mit der Auslegung des Kündigungsgrundes des „Alters“ iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 befasst. Unter Verweis auf die Entscheidungen 9 ObA 2/04s und 9 ObA 105/10x wurde daran festgehalten, dass die Eigenkündigung des Handelsvertreters bei Vorliegen des Regelpensionsalters jedenfalls die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertreterverhältnisses indiziere. Alle übrigen Fälle der Eigenkündigung wegen des Alters müssten konkret darlegen, weshalb dem Handelsvertreter wegen des Alters eine Fortsetzung der Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne. Es komme auch beim Alter nicht auf eine generelle Erwerbsunfähigkeit als Handelsvertreter, sondern auf das konkrete Vertragsverhältnis und die Umstände des Einzelfalls an. Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung wegen des Alters könnten beispielsweise Umstände wie das Ausmaß der Reisetätigkeit des Handelsvertreters, die Größe des Vertretungsgebiets und die Zahl der Kunden und Kundengespräche eine Rolle spielen, ohne dass eine Krankheit oder ein Gebrechen vorliegen müssten.

Der Oberste Gerichtshof akzeptierte auch die Erwägung, dass eine finanzielle Einbuße eine Eigenkündigung zwar verständlich erscheinen lasse, per se aber noch keine Unzumutbarkeit wegen des Alters begründe, weil sich die Kündigung insofern nicht wesentlich von einer Kündigung wegen Aufnahme einer lukrativeren anderen Beschäftigung unterscheide. Die in der Entscheidung 9 ObA 105/10x beispielhaft erwähnten Kriterien für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung wegen des Alters würden sich klar erkennbar darauf beziehen, dass es für den Handelsvertreter (nur) aufgrund seines höheren Alters und den damit im Regelfall verbundenen Leistungseinbußen schwieriger werde, die ihm übertragenen Aufgaben wahrzunehmen, ohne dass dies auf eine Krankheit oder Gebrechlichkeit zurückzuführen sei. Diese hätten jedoch nichts mit den finanziellen Verhältnissen und Ertragserwartungen des Handelsvertreters zu tun.

Danach begründet der Umstand, dass die Klägerin für ihre Arbeitsleistung samt dem damit verbundenen wirtschaftlichen Risiko weniger Entgelt als bei Bezug der vorzeitigen Alterspension ohne Arbeitsleistung erhielte, noch keine Unzumutbarkeit der Fortsetzung ihrer Tätigkeit.

3. Die weiteren von der Klägerin ins Treffen geführten Umstände einer Betriebspflicht von 365 Tagen/Jahr mit durchgehenden Öffnungszeiten von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr lassen unberücksichtigt, dass eine durchgehende Anwesenheit der Klägerin an der Tankstelle nicht erforderlich war. Sie bestritt den Dienstplan ausschließlich mit ihren Mitarbeitern, hielt sich selbst ca 20 Stunden pro Woche an der Tankstelle auf und erledigte die Buchhaltung mit einem Zeitaufwand von 20 Stunden pro Woche zu Hause.

Die Konfrontation mit „dummen Sprüchen“ alkoholisierter Gäste ist kein Kriterium, das eine Unzumutbarkeit „wegen des Alters“ begründen würde.

4. Die Klägerin meint auch, die Beklagte habe sich ihrem Wunsch nach einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung in unbilliger Weise verschlossen, worin ein begründeter Anlass iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 liege. Da nicht festgestellt werden konnte, warum keine Einigung über eine einvernehmliche Auflösung erfolgte (Ersturteil S 32), erlaubt der festgestellte Sachverhalt jedoch keinen Schluss auf ein unbilliges Vorgehen der Beklagten.

5. Die Anregung der Klägerin auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war aus den bereits in der Entscheidung 9 ObA 126/14s dargelegten Gründen nicht aufzugreifen. Hervorzuheben ist daraus, dass Art 18 lit b der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. 12. 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter nicht auf das Erreichen eines bestimmten Pensionsalters, sondern auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Handelsvertretertätigkeit abstellt.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 510 Abs 3 ZPO war die außerordentliche Revision der Beklagten daher zurückzuweisen.

Stichworte