OGH 3Ob207/14h

OGH3Ob207/14h27.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei Ing. W*****, vertreten durch DDr. Fürst Rechtsanwalts-GmbH in Mödling, gegen die verpflichtete Partei I*****, vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in Wien, wegen Exekution nach § 354 EO, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. September 2014, GZ 46 R 113/14d‑9, womit infolge Rekurses der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 28. Jänner 2014, GZ 24 E 6/14f‑2, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00207.14H.0127.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird gemäß (§ 78 EO iVm) § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit dem rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 24. Juli 2013, GZ 20 Cg 90/12i‑16, wurde die Verpflichtete gegenüber der betreibenden Partei schuldig erkannt, „den Umstand, dass sie die Abwässer ihrer Liegenschaft ... über Rohre im Erdreich der Liegenschaft … ableitet bzw in den dieser Liegenschaft zugehörigen Abwasserkanal einleitet, zu beseitigen“.

Der betreibende Gläubiger beantragte die Bewilligung der Exekution nach § 354 EO. Die geschuldete Handlung könne nur durch die verpflichtete Partei persönlich vorgenommen werden. Ausschließlich die verpflichtete Partei habe die (rechtliche und faktische) Möglichkeit, auf der ihr gehörenden Liegenschaft Vorkehrungen zu treffen, um dem Spruch des Titels Folge zu leisten. Weder der betreibende Gläubiger noch ein Dritter könnten den Beseitigungsanspruch durchsetzen, weil diesen nicht nur die Verfügungsberechtigung über das Eigentum der verpflichteten Partei fehle, sondern auch die Kenntnis der Vorstellungen und Wünsche der verpflichteten Partei betreffend den Verlauf zu errichtender baulicher Anlagen. Die Einleitung der Abwässer vom Grundstück der Verpflichteten in den Kanal des Grundstücks des betreibenden Gläubigers können auf letzterer nur durch Verschließen der Einmündung und damit nicht ohne Schädigung der Verpflichteten beseitigt werden, weil sonst der Rückstau der Abwässer in ihrem Haus angesichts der vielen Bewohner dort binnen kürzester Zeit ein Überlaufen der Kanaleinmündungen zur Folge hätte. Da gleichzeitig mit dem Verschluss der Einmündung in den Kanal des betreibenden Gläubigers für eine alternative Entsorgung der Abwässer auf der Liegenschaft der Verpflichteten Sorge getragen werden müsse, könne dort selbst mit Unterstützung durch das Gericht ohne Schädigung der vorhandenen Substanz durch den betreibenden Gläubiger oder eine Fachfirma nicht ein neuer Anschluss an das Kanalnetz hergestellt werden. Es müsse der Entscheidung der Eigentümerin vorbehalten bleiben, auf welche Art und Weise und an welchem Ort der neu herzustellende Kanalanschluss an das Straßennetz eingerichtet werde, weil die betreibende Partei unter allen Umständen Schadenersatzansprüche durch eine nicht ihren Wünschen entsprechende Ausführung des Kanals bzw durch einen nicht ihren Vorstellungen entsprechenden Verlauf des Kanals auf ihrer Liegenschaft ausschließen müsse.

Während das Erstgericht die begehrte Exekution nach § 354 EO antragsgemäß bewilligte (ON 2), wies das Rekursgericht den Antrag ab (ON 9). Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfragen für nicht zulässig.

Bei der titelmäßigen Verpflichtung zur Beseitigung handle es sich nicht um eine unvertretbare Handlung (§ 354 EO), sondern um eine nach § 353 EO zu vollstreckende vertretbare Handlung. Aus der Sicht des Gläubigers und gemessen an seinen rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen bestehe kein Grund, die Herstellung eines dem Titel entsprechenden Zustands nicht von einem Dritten vornehmen zu lassen. Der Umstand, dass eine Exekution gegen den Willen des Verpflichteten vollzogen werden müsse, rechtfertige keine Exekution nach § 354 EO, weil ein allfälliger Widerstand des Verpflichteten auch im Falle einer Exekutionsführung gemäß § 353 EO durch Beigabe eines Vollstreckers gebrochen werden könne (§ 357 EO). Der Umstand, dass die von einem Dritten durchgeführten Arbeiten unter Umständen nicht den Vorstellungen der verpflichteten Partei entsprächen, mache eine vertretbare Handlung nicht zu einer unvertretbaren.

In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs stellt der betreibende Gläubiger in den Vordergrund, dass Handlungen, die der Bewilligung oder Zustimmung einer Verwaltungsbehörde bedürften, nicht von einem Dritten, sondern nur vom Verpflichteten persönlich vorgenommen werden könnten, weil es allein in dessen Macht stehe, ob er die behördliche Bewilligung einhole; ein Dritter könne nicht als Konsenswerber gegenüber der Obrigkeit auftreten und es könne auch nicht die Parteistellung des Liegenschaftseigentümers „durch einen Vollstreckungs-beamten des Gerichts ersetzt werden“. Wie auch aus dem Titel hervorgehe, müsse der Verpflichteten die Wahl überlassen werden, in welcher konkreten Art und Weise sie ihre Beseitigungsverpflichtung ‑ fachgerecht und in Einklang mit den baurechtlichen Vorschriften ‑ erfülle und für einen Anschluss an das öffentliche Kanalnetz sorge.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.

1. Die Abgrenzungen der EO über die Exekutionsarten nach den §§ 353 und 354 sind zwingendes Recht und von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Vollzug einer unzulässigen Exekution darf abgelehnt werden (RIS‑Justiz RS0004781; 3 Ob 153/12i). In diesem Sinn kann nicht nach Wahl und Willen des betreibenden Gläubigers Exekution entweder nach § 353 EO oder nach § 354 EO bewilligt werden (vgl RIS‑Justiz RS0109453, RS0004357 [T1]).

1.1. Im Zweifel, ob eine Handlung als vertretbar oder als unvertretbar anzusehen ist, wird die Handlung (zunächst) als vertretbar angesehen (RIS‑Justiz RS0004652 [T1]; 3 Ob 152/12i). Keine Rolle spielt, dass der Verpflichtete die Handlung billiger vornehmen könne als ein Dritter, weil einerseits der Verpflichtete ja gerade nicht freiwillig leistet und auch dem betreibenden Gläubiger in der Regel kein Interesse zuzubilligen ist, den ‑ in Bezug auf die Durchsetzung des Titels - umständlicheren Weg der indirekten Erzwingung nach § 354 EO zu gehen (Klicka in Angst 2 § 353 EO Rz 1).

1.2. Exekution ist nach § 353 EO zu führen, wenn der Verpflichtete eine Handlung vorzunehmen hat, die aus Sicht des Gläubigers und gemessen an dessen rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen auch von einem (geeigneten) Dritten vorgenommen werden kann; die geschuldete Handlung ist dann unvertretbar, wenn sie nur vom Verpflichteten persönlich vorgenommen werden kann und (zur Zeit des Exekutionsakts) ausschließlich vom Willen des Verpflichteten abhängt (RIS‑Justiz RS0004706).

1.3. Bedarf die vertretbare Handlung einer behördlichen Bewilligung, schließt die Ermächtigung nach § 353 Abs 1 EO auch die Ermächtigung zur Einholung der erforderlichen Genehmigung ein (RIS‑Justiz RS0016620 [T1]; RS0045825).

2. Die Entscheidung des Rekursgerichts hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung. Natürlich hat es die verpflichtete Partei in der Hand, in welcher Art sie die titelmäßig geschuldete Handlungspflicht erfüllt. Nun führt aber die betreibende Partei ‑ mangels „freiwilliger“ Erfüllung durch die verpflichtete Partei ‑ bereits Exekution und hat sich bei der Durchsetzung des Titels an die Vorgaben der Exekutionsordnung zu halten. Erforderliche Bewilligungen, Zustimmungen etc können im Rahmen der Exekutionsführung nach § 353 EO auch vom ermächtigten Dritten eingeholt werden.

Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der Revisionsrekurs der betreibenden Partei zurückzuweisen.

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