OGH 1Ob1/15a

OGH1Ob1/15a22.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** L*****, vertreten durch Mag. Alfred Schneider, Rechtsanwalt in Lilienfeld gegen die beklagte Partei H***** K*****, vertreten durch Mag. Oliver Simoncic, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen 15.664,81 EUR sA über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 28. August 2014, GZ 21 R 163/14z‑42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 27. Mai 2014, GZ 6 C 359/13y‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0010OB00001.15A.0122.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 978,84 EUR (darin 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin war die Lebensgefährtin, der Beklagte der Bruder und gesetzliche Erbe des später verstorbenen Erblassers. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Erblasser der Klägerin durch ein formgültiges Vermächtnis die Forderungen aus einem Bausparvertrag zugewendet hat, der später vom Beklagten mit einem Erlös von 6.523,57 EUR aufgelöst wurde. Etwas mehr als einem Monat vor seinem Tod erklärte der Erblasser der Klägerin anlässlich eines Krankenhausaufenthalts, er wolle ihr sein gesamtes auf seinem Konto liegendes Geld schenken und die uneingeschränkte Verfügungsmacht über sein Konto einräumen, um zu vermeiden, dass sein Bruder ‑ zu dem er ein gespanntes Verhältnis hatte ‑ bei seinem Tod sein Geld erben könnte. Da er selbst nicht mehr zur Bank gehen und das Geld beheben konnte, gab er der Klägerin seine Bankomatkarte, vertraute ihr den Code an und forderte sie dringend auf, das Geld abzuheben und bei sich im Tresor aufzubewahren. Dabei äußerte er den Wunsch, dass sie mit diesem Geld ein Begräbnis und vielleicht auflaufende Pflegekosten bezahlen solle. Die Klägerin eröffnete etwa eine Woche später auf ihren eigenen Namen ein Sparbuch mit einer Einlage von 5 EUR und überwies darauf von den Konten des Erblassers Beträge von insgesamt 13.200 EUR. Darüberhinaus bezahlte sie mit der Bankomatkarte Einkaufs‑ und Tankrechnungen in Höhe von insgesamt 235,35 EUR. Als sie dem späteren Erblasser berichtete, dass sie seinem Wunsch nachgekommen wäre und das Geld behoben hätte, gab er ihr durch einen erhobenen Daumen zu verstehen, dass er nun zufrieden und erleichtert sei. Aufgrund der dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustands wurde der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Als er auf der Bank erfuhr, dass nahezu das gesamte Geld kürzlich behoben worden war, setzte er die Klägerin unter Druck und verlangte die Aushändigung des neu eröffneten Sparbuchs. Dem kam die Klägerin unter Bekanntgabe des Losungsworts nach. Der Beklagte leistete in der Folge Zahlungen im Zusammenhang mit dem Begräbnis des Erblassers sowie für Behandlungsbeiträge und Gebühren des Krankenhauses im Gesamtbetrag von 4.063,76 EUR.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten neben dem Erlös aus dem Bausparvertrag von 6.523,57 EUR einen weiteren Betrag von 9.141,24 EUR, insgesamt somit 15.664,81 EUR samt Zinsen. Der Geldbetrag von 13.200 EUR sei ihr vom Erblasser wirksam mit der Auflage geschenkt worden, dass sie Begräbnis‑ und Pflegekosten begleiche. Da sie der Beklagte rechtsgrundlos gezwungen habe, ihm das Sparbuch zu übergeben, habe sie Anspruch auf jenen Betrag, der ihr nach Begleichung der genannten Kosten geblieben wäre.

Der Beklagte wandte ‑ soweit dies im Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist ‑ im Wesentlichen ein, die Klägerin habe die Beträge vom Konto des späteren Erblassers ohne gültigen Rechtstitel abgehoben und sie deshalb rückerstatten müssen. Von den ursprünglich erhobenen Gegenforderungen werden noch jene über insgesamt 235,35 EUR aufrecht erhalten, die daraus resultierten, dass die Klägerin für die Zahlung von insgesamt drei Einkaufsrechnungen zu eigenen Zwecken Beträge in dieser Höhe vom Konto des Erblassers abgehoben habe.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung zu Recht, die eingewandte Gegenforderung hingegen nicht zu Recht bestehe, und erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin 15.664,81 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 5. 2013 zu zahlen. Werde einem Dritten die Verfügungsmacht über ein Bankkonto dergestalt eingeräumt, dass auch dieser über das auf dem Konto liegende Geld allein oder gemeinsam mit dem Kontoinhaber verfügen könne, habe er zwar das auf dem Konto erliegende Geld dem Dritten noch nicht durch wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB übertragen. Die nachträgliche Zustimmung des Kontoinhabers zu einer durch den Dritten veranlassten Überweisung auf ein Konto desselben sei jedoch wie eine wirkliche Übergabe des entsprechenden Bargeldbetrags an ihn anzusehen. Hier seien alle Voraussetzungen einer gültigen Schenkung erfüllt, habe doch die Klägerin das Sparbuch auf ihren Namen eröffnet, das vom Konto behobene Geld darauf eingezahlt und vom Schenker dazu nachträglich durch das Zeichen des erhobenen Daumens die notwendige Zustimmung bekommen. Solange die Klägerin die Bankomatkarte mit Wissen und Willen des Kontoinhabers innegehabt habe, habe sie nach ihren Bedürfnissen damit wirtschaften können und sollen. Damit seien auch jene Zahlungen, die die Klägerin unter Verwendung der Bankomatkarte getätigt habe, von ihrem Verfügungsrecht erfasst und müssten nicht mehr dem Vermögen des Verstorbenen bzw seines Erben zugeführt werden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Die nachträgliche Zustimmung des Kontoinhabers zu einer durch den Dritten veranlassten Überweisung auf ein Konto des Dritten sei wie eine wirkliche Übergabe des entsprechenden Bargeldbetrags an ihn anzusehen. Wenn also die Klägerin dem später Verstorbenen von den vorgenommenen Transaktionen berichtet und ihr dieser durch einen erhobenen Daumen zu verstehen gegeben habe, dass er nun zufrieden und erleichtert sei, so sei dies sehr wohl als nachträgliche Zustimmung zu der durch die Klägerin veranlassten Überweisung auf ein für sie angelegtes Sparbuch und damit als wirkliche Übergabe des entsprechenden Geldbetrags an sie iSd § 943 ABGB zu qualifizieren. Auch der Schenkungswille des späteren Erblassers könne nicht in Zweifel gezogen werden. Auch wenn er den Wusch geäußert habe, dass die Klägerin von dem Geld ein Begräbnis und vielleicht anfallende Pflegekosten bezahlen solle, habe das Erstgericht unmissverständlich festgestellt, dass er der Klägerin sein gesamtes auf seinem Konto liegendes Vermögen schenken wollte. Die damit verbunde Auflage, bestimmte Zahlungen zu leisten, ändere nichts am grundsätzlichen Tatbestand einer Schenkung. Da die abschließende Zustimmung des Verstorbenen ‑ zur wunschgemäßen Behebung des Geldes ‑ als allumfassend zu verstehen sei, seien von ihr auch die mit der Bankomatkarte getätigten Zahlungen von insgesamt 235,35 EUR erfasst. Durch die spätere Zustimmung sei insoweit ebenso eine Schenkung mit einer wirklichen Übergabe iSd § 943 ABGB gegeben. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil schenkungsweise Sparbuchübergaben auf den Todesfall oder unter auf den Todesfall bezogenen Auflagen durchaus üblich und verbreitet seien und es eine erhebliche Rechtsfrage darstelle, ob nur in einem „bankvertraglichen“ Akt des Schenkers in Ansehung des geschenkten Kontoguthabens eine wirkliche Übergabe liege.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts ‑ nicht zulässig, weil das Prozessergebnis nicht von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhängt.

1. Wenn der Revisionswerber ausführt, es liege kein Schenkungsvertrag vor, weil sich aus den Erklärungen des späteren Erblassers ergeben habe, dass er sich des Geldes nicht schon vor seinem Tod begeben habe wollen, übersieht er offenbar, dass die Tatsacheninstanzen einen Schenkungswillen ausdrücklich festgestellt haben. Danach wollte der später Verstorbene der Klägerin sein gesamtes auf dem Konto liegendes Geld schenken, um zu vermeiden, dass sein Bruder (der Beklagte) sein Geld erben könnte. Die Auffassung der Vorinstanzen, es habe sich hier um eine Schenkung unter einer Auflage gehandelt, ist damit ganz unbedenklich (s nur RIS‑Justiz RS0018914). Wenn die Klägerin nun so gestellt werden will, wie sie insgesamt stünde, wenn sie das Geld behalten und die Auflage erfüllt hätte, ist dies nicht zu beanstanden. Rechtsfragen im Zusammenhang mit einer Schenkung auf den Todesfall stellen sich ‑ entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ‑ im vorliegenden Zusammenhang nicht.

2. Welche konkreten Handlungen des Schenkers bei Bankkonten erforderlich sind, um dem Beschenkten iSd § 943 ABGB durch „wirkliche Übergabe“ eine ausreichende Verfügungsgewalt über die geschenkte Sache bzw Forderung zu verschaffen (s dazu etwa RIS‑Justiz RS0018929; 9 Ob 151/04b mwN = ÖBA 2006/1326, 136 [ P. Bydlinski ] = JBl 2005, 648 [ E. Wagner ] = ecolex 2005, 907), muss im vorliegenden Fall nicht abschließend beantwortet werden. Es entspricht nämlich der ständigen Rechtsprechung, dass die Übergabe nicht sofort bei Abschluss des Schenkungsvertrags stattfinden, sondern auch nachträglich erfolgen kann (RIS‑Justiz RS0104145). Dabei bedarf es eines nach außen tretenden Akts des Geschenkgebers (4 Ob 151/11a = RIS‑Justiz RS0104145 [T6]). Eine wirkliche Übergabe iSd § 943 ABGB kann nicht nur durch körperliche Übergabe sondern etwa auch durch die Besitzauflassung (traditio brevi manu) erfolgen (RIS‑Justiz RS011143). Zu 5 Ob 231/72 (insoweit nicht veröffentlicht) wurde etwa ausgesprochen, dass die nachträgliche Zustimmung des Kontoinhabers zu einer durch den Beschenkten veranlassten Überweisung auf ein Konto des Beschenkten wie eine wirkliche Übergabe des entsprechenden Bargeldbetrags an ihn zu behandeln sei (vgl auch 4 Ob 151/11a). Ganz ähnlich liegt der vorliegende Fall. Selbst wenn man annehmen wollte, dass die bisherigen Verfügungsakte des späteren Erblassers nicht die Voraussetzungen für eine „wirkliche Übergabe“ erfüllt hätten, wurde die Vermögenstransaktion faktisch durchgeführt und hat der Schenker nach Kenntnis dieser Transaktion ‑ vergleichbar einer Übergabe durch Erklärung ‑ (neuerlich) seine Zustimmung dazu zum Ausdruck gebracht, dass die Beschenkte das Geld behalten darf. Die Auffassung der Vorinstanzen, spätestens das komme einer wirklichen Übergabe gleich, begegnet keinen Bedenken.

3. Ob von dieser nachträglichen Zustimmung auch die drei mit der Bankomatkarte vom betreffenden Konto vorgenommenen Rechnungszahlungen über insgesamt 235,35 EUR gedeckt waren, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Dass die Vorinstanzen diese Frage bejahten, ist insbesondere deshalb unbedenklich, weil der spätere Erblasser der Klägerin sein „gesamtes auf seinem Konto liegendes Geld“ schenken wollte und die Klägerin ihm berichtet hatte, dass sie seinem Wunsch nachgekommen wäre und „das Geld“ behoben hätte. Im Übrigen kommt den Gerichten bei derart geringfügigen Forderungen schon nach § 273 Abs 2 ZPO ein ganz erheblicher Beurteilungsspielraum zu, der im vorliegenden Fall keinesfalls verletzt wurde.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen, sodass ihr Schriftsatz eine zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme war.

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