OGH 15Os137/14g

OGH15Os137/14g14.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dr. Tiefenthaler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Jesus S***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Kimberly Sch***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 31. Juli 2014, GZ 34 Hv 11/14f‑25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0150OS00137.14G.0114.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jesus S***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er im Zeitraum von Anfang Februar 2005 bis Mitte Jänner 2010 in Wien, M***** E***** und K*****

I./ mit und an der am 19. Jänner 1998 geborenen, mithin damals unmündigen Kimberly Sch***** außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen vorgenommen, indem er in mehrfachen Angriffen seinen Penis an ihrem Gesäß rieb, sie zahlreiche Male an ihren nackten Brüsten und ihrer nackten Scheide „streichelte“ oder betastete, sie einmal aufforderte, seinen Penis zu betasten, und einmal mit seiner Zunge an ihrer Scheide leckte;

II./ durch die zu I./ beschriebenen Handlungen mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung dieser Person gegenüber geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder an sich vornehmen lassen, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider ist das Erstgericht nicht über die Frage „schlicht hinweggegangen“, ob die Aussage der im Zeitpunkt ihrer Vernehmung vor der Polizei und vor Gericht 15‑jährigen Zeugin Sch***** der Wahrheit entspricht oder „ob nicht vielleicht doch eine Lügenhaftigkeit vorliegt“. Vielmehr sind die Tatrichter auf Grund des Beweisverfahrens, des persönlichen Eindrucks von der Zeugin sowie auf Grund ihrer Berufs- und Lebenserfahrung zu der Überzeugung vom Wahrheitsgehalt dieser Angaben gelangt (US 6 ff) und haben dabei - entgegen der Behauptung der Mängelrüge - auch berücksichtigt, dass das Mädchen einmal im frühen Volksschulalter einer - für altersgemäß unauffällig befundenen - Lüge überführt worden war (US 7).

Dementsprechend geht auch der Einwand einer offenbar unzureichenden Begründung (Z 5 vierter Fall) der auf den Aussagen dieser Zeugin basierenden Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen ins Leere (RIS‑Justiz RS0099413).

Angebliche „Widersprüche“ und Erinnerungslücken des Opfers zu Detailfragen wurden gleichfalls nicht übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern vom Schöffengericht als lebensnahe Auswirkungen des langen Tatzeitraums und eines natürlichen Verdrängungsmechanismus gewertet (US 6).

Die nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) vorgetragene Kritik (nominell teils Z 5, teils Z 5a), es sei kein Gutachten zur Glaubwürdigkeit des Tatopfers eingeholt worden, geht schon deshalb ins Leere, weil die Beurteilung der Wahrheit und Richtigkeit der Aussage von Zeugen als Prüfung der Glaubwürdigkeit und Beweiskraft der im Verfahren vorgeführten Beweismittel ein Akt freier Beweiswürdigung ist, der ausschließlich dem erkennenden Gericht zusteht (RIS-Justiz RS0098297, RS0097733; vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0115823, RS0114036). Allfällige Entwicklungsstörungen oder sonstige Defekte, die ein für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit erforderliches Fachwissen verlangen, wurden im Zusammenhang mit der Erörterung der Expertise der psychologischen Sachverständigen Mag. Dr. Andrea H***** (ON 13, ON 24 S 21 ff), die sich ‑ auftragsgemäß (ON 12) ‑ auf die Frage beschränkte, ob sich Hinweise auf eine suggestive Einflussnahme Dritter auf die Depositionen des Mädchens ergeben, im Übrigen nicht dargetan.

Mit ihrem Verweis auf einzelne Passagen der Aussage der genannten Zeugin gelingt es der Beschwerde (Z 5a) auch nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken.

Durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird gleichfalls keine Nichtigkeit dargetan (RIS-Justiz RS0117561, RS0102162, RS0099756).

Insgesamt stellt sich das Rechtsmittelvorbringen als Kritik an der Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld dar. Soweit der Nichtigkeitswerber zur Untermauerung seiner leugnenden Verantwortung mit dem Rechtsmittel überdies (erstmals) Urkunden und Lichtbilder vorlegt, die seine „integere Persönlichkeit“ (im Arbeitsleben), sein gutes Verhältnis zu Kimberly Sch***** und deren schlechte Beziehung zu ihrer Mutter belegen sollen, ist er auf das im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde geltende Neuerungsverbot zu verweisen (RIS-Justiz RS0098978, RS0099708).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte