OGH 11Os131/14w

OGH11Os131/14w9.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Dezember 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krampl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Marian M***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. August 2014, GZ 15 Hv 45/14d-44, sowie über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00131.14W.1209.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Marian M***** neben einem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch jeweils mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./) und der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** Valbone S*****

I./ mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender Handlungen genötigt, und zwar

1./ zwischen 1. und 8. Jänner 2014, indem er sie in seinem versperrten Zimmer festhielt, sie durch Tabletten benommen machte, ihre Füße fest- und den Mund zuhielt und den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog;

2./ nachts zum 9. Februar 2014 in zwei Angriffen, indem er

a./ gegen 2:00 Uhr ihr einen Schlag ins Gesicht versetzte, die Hose und Unterhose auszog, ihre Beine auseinanderriss, sie festhielt und den vaginalen und analen Geschlechtsverkehr vollzog;

b./ gegen 5:00 Uhr androhte „Ich werde dich und deine Familie umbringen ! … Ich werde dich finden. Ich werde dich umbringen … Kein Wort, sonst bist du erledigt“, weswegen sie den vaginalen Geschlechtsverkehr über sich ergehen ließ;

II./ zwischen 1. Jänner und 9. Februar 2014 in wiederholten Angriffen durch die sinngemäßen Äußerungen, er werde sie umbringen, wenn sie ihn anzeige, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Abstandnahme von der Anzeigeerstattung zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Erledigung der Mängelrüge ist vorauszuschicken, dass der Nichtigkeitsgrund der Z 5 auf Undeutlichkeit (erster Fall), Unvollständigkeit (zweiter Fall), inneren Widerspruch (dritter Fall), fehlende oder offenbar unzureichende Begründung (vierter Fall) sowie Aktenwidrigkeit (fünfter Fall) der angefochtenen Entscheidung zielt. Dabei ist unter dem Aspekt der gesetzeskonformen Darstellung stets an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (RIS‑Justiz RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394).

Das Schöffengericht ist überdies nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO von vornherein nur zu einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe, jedoch nicht dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise zu erörtern (RIS-Justiz RS0106642).

Die Kritik, zu Schuldspruch I./1./ sei der „angegebene Zeitraum zu weit gefasst“ und es sei „mit der Lebenserfahrung nicht zu vereinbaren“, dass eine genauere zeitliche Eingrenzung nicht möglich gewesen wäre, übersieht, dass die Tatzeit bei - wie vorliegend - ansonsten hinreichend individualisierter Tat keinen entscheidenden Umstand betrifft (RIS-Justiz RS0098557). Worin eine unzureichende Begründung des Urteils gelegen sein soll, legt die Beschwerde, die dem Erstgericht bloß pauschal vorwirft, keine konkreten Gründe für die „Überzeugung vom Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale“ angeführt zu haben, selbst nicht dar.

Insoweit der Angeklagte unter extensiver Wiedergabe langer Passagen der Aussagen der Zeugin S***** und weiterer Vernommener vorwiegend die Glaubwürdigkeit des Opfers thematisiert, ohne ein formelles Begründungsdefizit auch nur anzusprechen, verkennt er, dass der aufgrund des persönlichen Eindrucks zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit von Zeugen führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588).

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt von Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dafür müssen aber die die Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit angeblich ernsthaft in Frage stellenden, gleichwohl unerörtert gebliebenen Tatumstände deutlich und bestimmt bezeichnet werden. Deren Bezugspunkt besteht überdies nicht in der Sachverhaltsannahme der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit, sondern ausschließlich in den Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 431 f).

Die Rüge des Angeklagten zeigt demgegenüber ‑ ohne wie geboten die Gesamtheit der Entscheidungsgründe zu beachten ‑ mit der Behauptung, das Erstgericht habe sich mit den widersprüchlichen Angaben des Opfers selbst nicht gehörig auseinandergesetzt, keinen Begründungsmangel (Z 5) auf, sondern erschöpft sich insgesamt in einer ‑ unzulässigen ‑ Anfechtung der Beweiswürdigung nach Art einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld. Den Ausführungen des Beschwerdeführers zuwider hat sich der Schöffensenat mit dem Aussageverhalten des Angeklagten und des Opfers ebenso ausführlich auseinandergesetzt wie mit deren Persönlichkeiten (US 6 bis 10) und dabei auch die Möglichkeit einer Falschbelastung durch die Zeugin erwogen.

Jenes Ergebnis des DNA-Gutachtens schließlich, wonach an den am 9. Februar 2014, 18:20 Uhr (somit im Übrigen mehr als 12 Stunden nach der Tat zu I./2./b./) beim Opfer entnommenen Proben keine Spermien (aber immerhin [schwach] männliche Genitalflüssigkeit und [unbestreitbar] Spuren des Angeklagten ‑ ON 19 S 11, 19, 21) nachgewiesen werden konnten, war im Sinn des Gebots zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) gar nicht erörterungsbedürftig (vgl überdies US 6).

Als Tatsachenrüge will § 281 Abs 1 Z 5a StPO nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern (RIS-Justiz RS0118780). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ‑ wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt ‑ wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583). Indem der Beschwerdeführer erneut die Person des Opfers und ihr Aussageverhalten sowie das Fehlen von Spermaspuren thematisiert, gelingt es ihm nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken an den den Schuldsprüchen zugrunde liegenden Tatsachen zu erwecken. Der Zweifelsgrundsatz ist kein Topos dieses Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0102162).

Als Aufklärungsrüge (Z 5a) verfehlt sie die Anfechtungskriterien, weil sie weder darlegt, welche dem Erstgericht „zugänglichen Beweismittel“ dieses nicht ausschöpfte, noch, weshalb die Verteidigung an einer entsprechenden Antragstellung bereits in der Hauptverhandlung gehindert war (RIS-Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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