OGH 3Nc13/14p

OGH3Nc13/14p9.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Roch als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Kinder M***** 2000, und C***** 2007, beide wohnhaft bei der Mutter A*****, vertreten durch DDr. Fürst Rechtsanwalts-GmbH in Mödling, AZ 1 PS 126/13a des Bezirksgerichts Völkermarkt, wegen Vorlage zur Genehmigung der Übertragung gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Mödling den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030NC00013.14P.1209.000

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 21. März 2014, AZ 1 PS 126/13a, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für die mj Kinder M***** 2000, und C***** 2007, an das Bezirksgericht Mödling wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 17. September 2013 im Einvernehmen geschieden. Im Zusammenhang mit der Scheidung haben die Eltern gemäß § 55a EheG vereinbart, dass die Obsorge hinsichtlich der vier ehelichen Kinder M***** 2000, P***** 2002, V***** 2003 und C***** 2007, beiden Eltern gemeinsam zukommt und dass sich die drei Töchter hauptsächlich bei der Mutter und der Sohn P***** hauptsächlich beim Vater aufhalten soll.

Im Februar 2014 übersiedelte die Mutter mit ihren drei Töchtern nach Mödling. Mit Beschluss vom 21. März 2014 übertrug das Erstgericht die Pflegschaftssache hinsichtlich M*****, V***** und C***** an das Bezirksgericht Mödling (ON 14), das allerdings die Übernahme der Pflegschaftssache am 11. April 2014 verweigerte (ON 16). Der Oberste Gerichtshof, dem die Pflegschaftssache zur Genehmigung der Übertragung gemäß § 111 JN vorgelegt worden war, stellte mit Beschluss vom 8. Mai 2014, AZ 3 Nc 13/14p, den Akt dem Bezirksgericht Völkermarkt zurück, weil der Übertragungsbeschluss mangels Zustellung noch nicht rechtskräftig sei (ON 18).

Nach dem Osterbesuchsrecht 2014 blieb V***** beim Vater in Kärnten (ON 23), der gegen den Übertragungsbeschluss vom 21. März 2014 ‑ nur betreffend V***** ‑ Rekurs erhob. Dem gab das Landesgericht Klagenfurt Folge und behob den Übertragungsbeschluss für V***** ersatzlos, weil eine Zuständigkeitsübertragung ihrem Kindeswohl widerspräche (ON 36). Den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 18. September 2014 zurück (ON 48).

Die Obsorgesituation stellt sich rechtlich derzeit so dar, dass noch immer die von den Eltern am 6. September 2013 geschlossene Vereinbarung, die eine Obsorge beider Eltern vorsieht, aufrecht ist. Offene Anträge liegen folgende vor: jene des Vaters, den hauptsächlichen Aufenthalt von V***** bei ihm festzulegen (ON 7) und ihn allein mit der Obsorge für P***** zu betrauen (ON 20); weiters jene der Mutter auf Durchsetzung ihres Kontaktrechts zu P***** (ON 3) sowie auf Übertragung der Alleinobsorge für P***** und für V***** (ON 15 und 30). Für die beiden bei der Mutter in Mödling lebenden Mädchen M***** und C***** wurden bisher keine Anträge gestellt.

Rechtliche Beurteilung

1. Wenn es im Interesse eines Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Die Übertragung wird wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt. Im Falle der Weigerung des anderen Gerichts bedarf die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des beiden Gerichten zunächst übergeordneten Gerichtshofs, dies ist im vorliegenden Fall der Oberste Gerichtshof.

2. Eine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN hat nur zu erfolgen, wenn dies im Interesse des Kindes und zur Förderung der wirksamen Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes erforderlich erscheint (RIS‑Justiz RS0046984, RS0046929). Die Rechtsprechung wendet § 111 JN restriktiv an (RIS‑Justiz RS0046929 [T20]). Eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes eines Pflegebefohlenen rechtfertigt daher für sich allein im Allgemeinen noch keine Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN (RIS-Justiz RS0047074 [T6]). In der Regel wird es den Interessen des Kindes am besten entsprechen, wenn als Pflegeschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (RIS‑Justiz RS0047300; RS0047032 [T17 und T19]). Allerdings sollte eine Aufsplitterung des Pflegschaftsverfahrens für mehrere Kinder aus einer Ehe nach Tunlichkeit vermieden werden; denn bei Geschwistern sind Maßnahmen aufeinander abzustimmen und es werden Informationen aus der einen Pflegschaftssache auch für die andere benötigt (RIS-Justiz RS0047074 [T3 und T8]).

3. Da pflegschaftsgerichtliche Maßnahmen für die beiden Mädchen M***** und C***** derzeit nicht absehbar sind, liegen angesichts der bloßen Verlagerung ihres Wohnorts im jetzigen Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Trennung des Pflegschaftsverfahrens für alle vier ehelichen Kinder nicht vor. Unter diesen Umständen entspricht es eher dem Kindeswohl, wenn auch das Verfahren für die älteste und jüngste Tochter weiter beim Bezirksgericht Völkermarkt geführt wird, das das Verfahren für die Kinder P***** und V***** jedenfalls weiterzuführen haben wird.

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