OGH 1Ob166/14i

OGH1Ob166/14i27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** L***** und 2. DI F***** L*****, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Öffentliches Wassergut), vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen 1.440 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.800 EUR) sowie Zwischenanträgen auf Feststellung (Streitwert 5.000 EUR [klagende Parteien] und 5.800 EUR [beklagte Partei]), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. April 2014, GZ 14 R 207/13d‑32, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Traun vom 21. Oktober 2013, GZ 2 C 180/12m‑28, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00166.14I.1127.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 961,44 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagte ist grundbücherliche Eigentümerin der Grundstücke 1857/5 EZ 1364 KG ***** und 864/2 EZ 58 KG *****. Ob der erstgenannten Liegenschaft ist zu C-LNR 2 und ob der zweitgenannten Liegenschaft zu C-LNR 7 die Reallast der gemeinschaftlichen Erhaltung des neuen Fahrweges bzw der Brückenerhaltung hinsichtlich der Liegenschaft EZ 1602 KG *****, welche zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage im Eigentum der Kläger stand und worin die Grundstücke 2821/2 und 2821/3 vorgetragen sind, grundbücherlich einverleibt.

Im Jahr 1902 war zwischen den Rechtsvorgängern der Streitteile ein Servitutsvertrag abgeschlossen worden, der Wege- und Fahrtrechte aller Beteiligten abklären sollte, da die ursprünglichen Eigentümer keine andere Möglichkeit hatten, um auf ihre Grundstücke zu gelangen. Hinsichtlich der Grundstücke 1812/2 und 1846/7 (heute: 2821/2 und 2821/3) der KG ***** war zu Gunsten der Rechtsvorgänger der Beklagten „für immerwährende Zeit das Fahrtrecht ... ob der beiden Wegparzellen 1812/2 und 1846/7 der KG ***** und über die auf dieser Wegstrecke vorhandenen Brücken jedoch nur unter der Bedingung, dass alle Servitutsberechtigten zur Weg- und Brückenerhaltung die von ihren herrschenden Grundstücken nach dem Steuergulden zu berechnenden Beiträge zu leisten sich verpflichten, ...“ dieses Fahrtrecht als Servitut bestellt worden.

1908 kam es zu einem Servitutsabänderungsvertrag, weil der Verlauf des Weges von Herrn G***** F***** L*****, Eigentümer des Grundstücks 1812/2 und Rechtsvorgänger der Kläger, geändert wurde. Der Zugang zu den Grundstücken sollte fortan über den neu errichteten Weg und die neue Brücke erfolgen, welche von ihm auf eigene Kosten errichtet worden waren. Es wurde im Abänderungsvertrag mit den damaligen Wegeberechtigten vereinbart, dass sich G***** F***** L***** „... verpflichtet diese Brücke durch neunundneunzig Jahre vom ersten Jänner Eintausendneunhundertacht angefangen auf seine Kosten zu erhalten, wogegen die Kosten der Wegerhaltung alle Betheiligten“ (gemeint: die Servitutsberechtigten) „treffen“.

Ob seitens der Kläger oder deren Rechtsvorgänger Erhaltungsarbeiten an der Brücke vorgenommen worden waren, konnte nicht festgestellt werden. Aus dem im März 2007 von den Klägern eingeholten Gutachten einer Ziviltechnikergesellschaft ergab sich, dass die Funktionsfähigkeit und Belastbarkeit der Brücke über den F*****bach nicht mehr gegeben und wegen der sehr großen Schäden und des damit verbundenen schlechten Erhaltungszustandes eine Sanierung nicht mehr sinnvoll ist. Aus Sicherheitsgründen wurde ein Gittertor am nördlichen Ende der Brücke angebracht. Sie ist seit sechs Jahren aus Sicherheitsgründen auch nicht mehr begehbar.

Mittlerweile sind nur noch die Beklagte und eine andere Person als Reallastverpflichtete im Grundbuch ersichtlich, alle anderen damals eingetragenen Reallastverpflichteten bzw deren Rechtsnachfolger wurden schon aus dem Grundbuch gelöscht.

Die Kläger begehren Zahlung von 1.440 EUR sA sowie die Feststellung, dass ihnen als Eigentümer der Grundstücksnummern 2821/2 und 2821/3 der EZ 1602 KG ***** gegenüber der Beklagten als Eigentümerin der vorgenannten Grundstücke die Reallast der gemeinschaftlichen Erhaltung des neuen Fahrweges und der Brückenerhaltung auch weiterhin insofern zustehe, als die Beklagte als Eigentümerin den Klägern zur Leistung der jeweils anteilig zu berechnenden Erhaltungsbeiträge ohne diesbezügliche Vorabsprache verpflichtet sei. Darüber hinaus stellten die Kläger einen Antrag auf Zwischenfeststellung und auch ein Eventualfeststellungsbegehren zum aufrechten Bestand der Reallast. Die Kläger brachten vor, ob den der Beklagten gehörenden vorgenannten Grundstücke sei jeweils die Reallast der gemeinschaftlichen Erhaltung des neuen Fahrweges und Brückenerhaltung zugunsten ihrer Liegenschaft eingetragen. Gemäß des diese Reallast begründenden Servitutsvertrags vom 15. 2. 1902 und Servitutsabänderungsvertrags vom 28. 1. 1908 sei die Beklagte als derzeitige Eigentümerin der Grundstücke zur anteiligen Wege‑ und Brückenerhaltung verpflichtet.

Die Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und stellte ihrerseits einen Antrag auf Zwischenfeststellung des Inhalts, es möge festgestellt werden, dass die Reallast erloschen sei.

Das Erstgericht stellte über den eingangs dargestellten Sachverhalt zum Wege- und Fahrrecht hinaus fest, dass im Zuge einer Sanierung des Abschnitts ein sogenannter Dammbegleitweg nördlich des Dammes errichtet worden sei, der seitdem von Erhaltungsfahrzeugen, Mähgeräten uÄ der Beklagten benutzt werde und die Beklagte nach Beendigung der Bauarbeiten im Jahr 1980 den Weg der Kläger nicht mehr benutzt habe, da das Befahren des teilweise verwachsenen und dadurch engen Weges mit großen Bau- und Erhaltungsfahrzeugen seit jeher umständlich und beschwerlich gewesen sei. Die Zufahrt zum Damm bzw zum Überschwemmungsgebiet der Krems erfolge seitdem über Brücken weiter östlich bzw weiter westlich der gegenständlichen Brücke. Auch für die bautechnische und wasserrechtliche Kollaudierung im Jahr 1995 sei von den Mitarbeitern der Beklagten der neu errichtete Weg von Norden und Osten her über die Begleitstraße benutzt worden. Im Zuge der Errichtung des Hochwasserdammes sei durch den Bau des Dammbegleitweges auch ein Anschluss der Grundstücke an das öffentliche Verkehrsnetz geschaffen worden. Auf diesem Weg seien beide Grundstücke der Beklagten erreichbar, es handle sich um einen mehr als vollwertigen Ersatz des Servitutsweges, auf den die Beklagte nicht länger angewiesen sei.

Im Jahr 1997 hätten die Kläger ein Tor am südlichen Eingang des Servitutsweges, das seither immer versperrt gewesen sei, errichtet. Neben den Klägern besäßen dafür nur ein Pächter sowie eine weitere Familie einen Schlüssel. Die Beklagte habe davon keine Kenntnis erhalten und der Errichtung des versperrbaren Tores auch nicht widersprochen, weil sie diese Zufahrt längst nicht mehr benützt habe. Der streitgegenständliche Weg sei ein teilweise geschotterter Forstweg in einer Breite von etwa 2 bis 2,5 m und stark verwachsen; ein Zufahren mit LKW's oder sonstigen größeren Geräten nur dann möglich, wenn die überhängenden Büsche und Bäume deutlich ausgeschnitten würden. Für die Beklagte sei diese, insgesamt mehrere hundert Meter lange Strecke zu den von ihr zu betreuenden Liegenschaften, abgesehen davon, dass die Zufahrt versperrt sei, sinn- und zwecklos.

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob die Wegeservitut jemals eingetragen, wenn ja, wann sie wieder aus dem Grundbuch gelöscht worden war.

Es wies das Zahlungs‑ und Feststellungsbegehren ab und den Antrag auf Zwischenfeststellung sowie das Eventualfeststellungsbegehren der Klägerin zurück; dem Antrag auf Zwischenfeststellung der Beklagten gab es statt. In seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht dar, es ergebe sich aus dem Grundbuchsstand zu den drei Liegenschaften nicht, dass weiterhin eine Dienstbarkeit bestehe. Sie sei jedenfalls mittlerweile zwecklos. Der Servitutsvertrag sei 1902 bzw 1908 unter der Bedingung abgeschlossen worden, dass das Geh- und Fahrtrecht eingeräumt werde, wenn sich die Grundstückseigentümer zur Tragung der anteiligen Erhaltungskosten verpflichteten. Die Leistungen seien daher wechselseitig bedingt. Der Wegfall der Servitut habe auch die Reallastverpflichtung zum Erlöschen gebracht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger mit dem angefochtenen Urteil (!) teilweise Folge. Es änderte die Zurückweisung des Antrags auf Zwischenfeststellung der Kläger in eine Abweisung ab. Dem Antrag auf Zwischenfeststellung der Beklagten gab es nur teilweise statt und wies diesen teilweise (betreffend ein darin genanntes und keinem der Streitteile gehörendes Grundstück mangels Präjudizialität für den Rechtsstreit) zurück; im Übrigen bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichts. Den Entscheidungsgegenstand bewertete es als 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend. Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts zur synallagmatischen Verknüpfung der Servitut mit der Reallast. Letztere könne deswegen nicht selbständig bestehen. Aktuell sei die Servitut im Grundbuch nicht verbüchert. So überhaupt jemals der Modus für den sachenrechtlichen Erwerb durch Verbücherung erfolgt sei, sei mittlerweile die Löschung erfolgt. Aufgrund dieses Grundbuchsstandes verbunden mit der Nichtnutzung sei das Recht als erloschen anzusehen.

Über den Antrag der Kläger nach § 508 Abs 1 ZPO erklärte das Berufungsgericht die ordentliche Revision doch für zulässig, weil die Revisionswerber mit vielen Argumenten dargetan hätten, dass es zahlreiche Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs gebe, aus denen ein für sie günstigeres Ergebnis abgeleitet werden könne; ein vergleichbarer Fall sei ‑ soweit überschaubar ‑ noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Die Zulassungsbegründung des Berufungsgerichts läuft letztlich darauf hinaus, dass man den Sachverhalt auch anders beurteilen könnte. Damit wird aber eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht aufgezeigt (vgl RIS‑Justiz RS0112166 [T2, T5, T8]). Eine erhebliche Rechtsfrage vermag auch die Revision nicht darzulegen. Die allein im Umfang der getroffenen Sachentscheidungen erhobene Revision der Kläger ist damit ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Dies ist gemäß § 510 Abs 3 ZPO ‑ kurz ‑ zu begründen:

1. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936; vgl RS0044358; RS0044298).

2. Der Auslegung der Anfang des vorigen Jahrhunderts abgeschlossenen Servituts‑(abänderungs‑)ver-träge kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Wenn das Berufungsgericht wegen der im Servitutsvertrag zur Einräumung der Servitut gebrauchten Formulierung „jedoch nur unter der Bedingung, dass alle Servitutsberechtigten zur Weg- und Brückenerhaltung die von ihren herrschenden Grundstücken nach dem Steuergulden zu berechnenden Beiträge zu leisten sich verpflichteten, ...“ die Servitut und die Reallast der Leistung eines Beitrags zu den Wege- und Brückenerhaltungskosten als dermaßen miteinander verknüpft ansah, dass der aufrechte Bestand der Servitut Bedingung für das Bestehen der Reallast ist, bedeutet dies keinesfalls eine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

3.1. Setzt aber das Recht, einen Erhaltungsbeitrag zu fordern, das Bestehen der Servitut zugunsten der Liegenschaft der Beklagten voraus, haben die Vorinstanzen zutreffend den Anspruch der Kläger verneint und dem Zwischenfeststellungsantrag der Beklagten teilweise stattgegeben:

3.2. Schon das Erstgericht stellte ‑ von den Klägern unbekämpft (und bezüglich des aktuellen Grundbuchsstandes auch in Übereinstimmung mit dem offenen Grundbuch) ‑ fest, dass das Wegerecht im Grundbuch weder bei den genannten Liegenschaften der Beklagten, noch bei jener der Kläger ersichtlich sei; es könne nicht festgestellt werden, ob die Wegeservitut jemals erstmals eingetragen gewesen, wenn ja, wann sie wieder aus dem Grundbuch gelöscht worden sei. Ausführungen des Berufungsgerichts dazu in Verbindung mit zwei Urkunden gehen in ihrem Inhalt darüber gar nicht hinaus. Dass das Fahrtrecht einverleibt gewesen war („wurde … neben der abgeänderten Fahrtrechtsservitut … einverleibt …“), haben die Kläger selbst ausgeführt, ebenso, dass im Lastenblatt der Liegenschaft der Kläger ohnedies kein Fahrtrecht über das mit dem Tor versperrte Grundstück 2821/3 für die Beklagte einverleibt sei.

3.3. Den Klägern ist es damit nicht gelungen, den für den Klagsanspruch notwendigen Nachweis der Berechtigung der Beklagten aus der Servitut zu erbringen, ist doch ein dingliches Recht aus dem Grundbuch nicht ersichtlich. Dazu, auf welche Weise sonst die Servitut den Beklagten von Voreigentümern überbunden oder von ihr das Fahrtrecht erworben worden wäre, haben sie kein Vorbringen erstattet.

4. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass nach den Feststellungen durch den Bau des Dammbegleitweges ein vollwertiger Ersatz für die Beklagte geschaffen wurde und der seit jeher umständlich und beschwerlich zu benutzende, nun auch verwachsene und versperrte Weg für die Beklagte zwecklos geworden ist.

Eine Dienstbarkeit kann aber nur bestehen, wenn sie für das herrschende Grundstück nützlich und bequem ist, und erlischt, wenn sie zwecklos wird (RIS‑Justiz RS0011582). Eine Wegeservitut ist nur dann völlig zwecklos geworden, wenn eine vom Servitutsweg verschiedene Zugangsmöglichkeit und Zufahrtsmöglichkeit einen vollwertigen Ersatz bietet (RIS‑Justiz RS0011582 [T5]). Ob ein vollwertiger Ersatz schon deshalb auszuschließen und die Zwecklosigkeit zu verneinen ist, weil zwei Zugangsmöglichkeiten und Zufahrtsmöglichkeiten besser sind als eine einzige (so offenbar 6 Ob 32/99w), hängt von den im Einzelfall gegebenen Umständen ab und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0011582 [T6]).

5. Der Beklagten, die in ihrer Revisionsbeantwortung auf die fehlende Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, gebührt gemäß § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO der Ersatz der Kosten ihres Schriftsatzes. Wegen der unbekämpft gebliebenen Zurückweisung eines Teils des Zwischenantrags auf Feststellung der Beklagten ist der Kostenersatz auf einer um ein Drittel geringeren Bemessungsgrundlage dieses Antrags (3.867 EUR; Bemessungsgrundlage daher insgesamt 16.106,67 EUR) zu berechnen.

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