OGH 8Ob120/14a

OGH8Ob120/14a25.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** H*****, vertreten durch Dr. Herwig Hauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K*****, vertreten durch Piaty Müller‑Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 30.000 EUR und Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. August 2014, GZ 3 R 83/14x‑37, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Februar 2014, GZ 45 Cg 112/12g‑32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00120.14A.1125.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.026,44 EUR (darin enthalten 337,74 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der im Revisionsverfahren noch maßgebliche Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Bei der Klägerin ‑ einer Zahnärztin ‑ ergab sich die Notwendigkeit einer Operation an der Schilddrüse. Ihr und ihrem Ehemann war es wichtig, einen erfahrenen Operateur zu haben. Der Leiter des Instituts, das die Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert hatte, empfahl ihr einen erfahrenen Oberarzt der Beklagten. Er erklärte, er könne diesen auch gleich anrufen, da er ja ebenfalls bei der Beklagten angestellt sei. Er rief daraufhin in Anwesenheit der Klägerin und ihres Ehemannes diesen Oberarzt an, teilte ihm mit, dass er eine Patientin für ihn zur Operation hätte und erklärte ihm den Fall. Nach Überwindung von Terminschwierigkeiten konnte ein Termin gefunden und vom Oberarzt bestätigt werden. Der Oberarzt wusste aufgrund des Telefonats, dass die Klägerin von ihm persönlich operiert werden wollte. Ihm wurden vom Institut, bei dem die Klägerin in Behandlung war, auch die maßgebenden Befunde zu seinen Handen zugestellt.

Im Krankenhaus der Beklagten gibt es an sich keine freie Arztwahl. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass sich Patienten einen bestimmten Operateur wünschen, was in der Regel auch akzeptiert wird.

Die Klägerin vertraute aufgrund dieser Umstände darauf, dass sie von dem ihr empfohlenen Oberarzt operiert werde. Hätte ihr jemand gesagt, dass dieser Oberarzt zum vereinbarten Termin nicht Zeit habe, hätte sie den Termin verschoben, um die Operation durch diesen Oberarzt zu ermöglichen. Eine Einwilligung in die Operation durch einen anderen Operateur hätte sie nicht gegeben. Auch das Aufklärungsgespräch wurde von diesem Oberarzt durchgeführt, der sich bei ihr sinngemäß als ihr Operateur vorstellte. Dem Ehegatten gegenüber erklärte der Oberarzt, dass er für die Operation keine weiteren Unterlagen benötige.

Schließlich wurde die Klägerin aber von anderen Ärzten operiert. Bei der Operation kam es zu erheblichen Problemen und Komplikationen.

Die Klägerin begehrt Schmerzengeld in Höhe von 30.000 EUR und die Feststellung der Haftung für alle zu erwartenden Folgeschäden. Sie stützte sich unter anderem darauf, dass der missglückte Eingriff entgegen der Vereinbarung und ohne Aufklärung bzw Einwilligung der Klägerin nicht durch den erfahrenen Oberarzt durchgeführt worden sei. Hätte man der Klägerin gesagt, dass sie ein anderer Arzt operieren wird, hätte sie vor dieser keinesfalls unaufschiebbaren Operation jedenfalls weitere Erkundigungen eingeholt und auch alternative Behandlungsmethoden in Betracht gezogen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass es zu keiner Vereinbarung über einen bestimmten Operateur gekommen und die Klägerin ordnungsgemäß aufgeklärt worden sei. Die Zusage eines bestimmten Operateurs sei auch unüblich.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben. Es ging von einer schlüssigen Vereinbarung eines bestimmten Operateurs aus. Daher wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, die Klägerin über eine Änderung im Operationsplan zu informieren. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass sich die Einwilligung der Klägerin nur auf einen bestimmten Arzt erstrecke. In Kenntnis der tatsächlichen Operateure hätte die Klägerin die Zustimmung zur Operation nicht erteilt. Wenn die Beklagte bei einem Patienten, der erkennbar einen bestimmten Operateur wünsche, die Erwartungshaltung erwecke, diesem Wunsch zu entsprechen, so habe sie die Verpflichtung, den Patienten zu informieren, wenn sie dem Wunsch nicht entsprechen könne. Der Patient, der einem Chirurgen sein Leben anvertraue, müsse die Möglichkeit haben, sich entweder bewusst für einen „ungewissen Operateur“ zu entscheiden oder etwa mit einem Privatarzt in ein Belegspital zu gehen. Mangels wirksamer Einwilligung hafte die Beklagte für die Folgen der Heilbehandlung.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Wenn zwischen den Parteien des Behandlungsvertrags die Operation durch einen bestimmten Arzt zumindest schlüssig vereinbart werde, sei der Vertragspartner verpflichtet, den Patienten darüber aufzuklären, wenn zu dem vorgesehenen Termin die Operation durch diesen Arzt nicht erfolgen könne und daher ein anderer Arzt den Eingriff vornehmen müsse. In diesem Zusammenhang sei unter „Vereinbarung“ nicht ein „Vertrag“ im Sinne eines Rechtsgeschäfts zu verstehen, sondern es sei vielmehr ausreichend, wenn der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet habe und auch erwarten habe dürfen, von einem bestimmten Arzt operiert zu werden und dem Rechtsträger die Kenntnis darüber zuzurechnen sei. Im Ergebnis sei die Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten entscheidend. Insoweit komme es auch nicht darauf an, ob die Erklärungen des Rechtsträgers entsprechend den strengen Standards des § 863 ABGB als schlüssige Willenserklärungen zu beurteilen seien und ob diese von einem zuständigen Organ des Rechtsträgers ausgingen. Entscheidend sei also nur, ob die Patientin erwartete und erwarten durfte, von einem bestimmten Arzt operiert zu werden und diese Kenntnis dem Rechtsträger zuzurechnen ist. Dazu reiche die bloße Festlegung eines Operationstermins jedenfalls dann nicht, wenn kein besonderes Vertrauensverhältnis zu dem Arzt bestehe. Hier habe aber der Oberarzt gewusst, dass die Klägerin von ihm persönlich operiert werden wolle und sich ihr gegenüber in weiterer Folge auch als Operateur vorgestellt. Sein Verhalten sei der Beklagten zuzurechnen. Da die Klägerin die objektiv begründete Erwartung hatte, von einem bestimmten Arzt operiert zu werden und der Beklagten die Kenntnis darüber zuzurechnen sei, habe sich ihre Einwilligung in die Operation auch nur auf die Operation durch diesen Arzt bezogen.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, da der in der maßgebenden Rechtsprechung verwendete Begriff der „schlüssigen Vereinbarung“ im Hinblick auf teilweise kritischen Stimmen aus der Lehre einer weiteren Klärung bedürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch eine Operation eingegriffen wird, wird die Haftung des Krankenhausträgers abgeleitet, wenn der Patient vor dem Eingriff nicht entsprechend aufgeklärt wurde und ausgehend von dieser Aufklärung wirksam seine Zustimmung zur Operation erteilt hat. Der Patient muss in die konkrete Behandlungsmaßnahme einwilligen; andernfalls ist selbst ein medizinisch indizierter und lege artis durchgeführter Eingriff rechtswidrig (RIS‑Justiz RS0026783; RS0118355).

Steht dem Patienten bei der Aufnahme in ein Krankenhaus nicht das Recht zu, nur von einem bestimmten Arzt operiert zu werden, so hängt die Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten in die Operation im Allgemeinen nicht davon ab, ob er über die Person des Operateurs aufgeklärt worden ist (RIS‑Justiz RS0118356). Selbst wenn jedoch dem Patienten bei der Aufnahme in ein Krankenhaus nicht das Recht zusteht, von einem bestimmten Arzt operiert zu werden, mit ihm aber ein bestimmter Arzt zumindest „schlüssig als Operateur vereinbart wurde“, ist der Krankenhausträger nach der Rechtsprechung verpflichtet, den Patienten darüber aufzuklären, wenn zum vorgesehenen Termin die Operation nicht durch diesen sondern nur durch einen anderen Arzt erfolgen kann (RIS‑Justiz RS0118356; insb auch 3 Ob 131/03s; 4 Ob 121/05f). Ob eine zumindest „schlüssige Vereinbarung“ zustandegekommen ist, hängt nach dieser Rechtsprechung von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab (etwa 6 Ob 86/05y oder 7 Ob 208/08a).

Resch (Freie Arztwahl in der allgemeinen Gebührenklasse im Umweg des Arzthaftungsrechts, RdM 2004/102) hat darauf hingewiesen, dass eine zivilrechtliche „Vereinbarung“ zwischen Krankenhausträger und Patienten über die Zusage eines bestimmten Operateurs dem Gesetzeszweck des Krankenanstaltenrechts, insbesondere dem medizinischen Gleichbehandlungsgebot, widerspreche. In der allgemeinen Gebührenklasse bestehe bei gemeinnützigen Krankenanstalten keine freie Arztwahl. Bestehe der Patient auf einen bestimmten Arzt, so habe der Krankenhausträger den Patienten über die rechtliche Unmöglichkeit aufzuklären.

Reischauer (in Rummel ABGB 3 § 1299 Rz 23b) geht davon aus, dass der Patient auch dann, wenn ihm nicht das Recht auf Behandlung durch einen bestimmten Arzt zukommt, das Recht habe, eine Behandlung durch einen bestimmten Arzt abzulehnen. Entgegen der Entscheidung SZ 2003/112 (= 3 Ob 131/03s) bedürfe es dazu vorweg keiner „schlüssigen Vereinbarung“ über die Behandlung durch einen bestimmten Arzt. Es müsse ausreichen, dass der Patient vor der Behandlung erkläre, sich nur von einem bestimmten Arzt behandeln lassen zu wollen oder dass dieser Wille für den Krankenhausträger erkennbar sei.

Damit im Ergebnis übereinstimmend wurde bereits in der Entscheidung 3 Ob 131/03s (= SZ 2003/112) und auch den nachfolgenden Entscheidungen immer die fehlende wirksame Einwilligung des Patienten in die Operation als Grundlage für die Haftung des Krankenhausträgers angesehen. Der in diesen Entscheidungen angesprochene Begriff der „schlüssigen Vereinbarung“ eines bestimmten Arztes kann insoweit nur als Auslegungshilfe für den Umfang der Einwilligung in die Operation und nicht als „vertragliche“ Einigung verstanden werden.

Willigt daher der Patient ausgehend von der Erwartung, nur von einem bestimmten Arzt operiert zu werden, in die Operation ein und ist diese Erwartung dem Krankenhausträger etwa durch den das Aufklärungsgespräch führenden Arzt bekannt, darf der Krankenhausträger die Einwilligung in die Operation nur als Einwilligung in die Operation durch diesen bestimmten Arzt verstehen. Dass der das Aufklärungsgespräch führende Arzt nicht zur Zusage der Operation durch einen bestimmten Arzt vom Krankenhausträger bevollmächtigt war, ändert daran nichts (SZ 2003/12).

Hier steht fest, dass die Klägerin den Willen hatte, sich nur von einem bestimmten Operateur operieren zu lassen. Ebenso ist nach den Feststellungen davon auszugehen, dass der Beklagten dieser Wille durch den das Aufklärungsgespräch führenden Oberarzt in einer die Zurechnung rechtfertigenden Weise bekannt war. Die Beklagte durfte daher die Einwilligung der Klägerin in die Operation nur als Einwilligung in die Operation durch den von der Klägerin gewünschten Operateur verstehen. Auf eine „schlüssige Vereinbarung“, auf die die Ausführungen der Revision der Beklagten abzielen, kommt es insoweit nicht an.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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