OGH 4Nc27/14d

OGH4Nc27/14d18.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Imst zu AZ 7 C 172/12t anhängigen Rechtssache der klagenden Partei P***** B*****, vertreten durch Corazza Kocholl Laimer Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. A***** J*****, vertreten durch Dr. Bianca Außerlechner-Walter, Rechtsanwältin in Imst, als Verfahrenshelferin, sowie 2. J***** M***** J*****, 3. mj P***** A***** J*****, vertreten durch die Mutter A***** J*****, und 4. B***** J*****, zweit- bis viertbeklagte Partei wohnhaft in *****, und vertreten durch Dr. Christian Schöffthaler, Rechtsanwalt in Imst, als Verfahrenshelfer, über die Delegierungs- und Ablehnungsanträge der erstbeklagten und der zweit-, dritt- und viertbeklagten Partei folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040NC00027.14D.1118.000

 

Spruch:

1. Die Anträge der erstbeklagten sowie der zweit-, der dritt- und der viertbeklagten Partei auf Delegierung der Rechtssache an ein Gericht in Graz werden abgewiesen.

2. Soweit den Anträgen die Ablehnung jener Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck zu entnehmen ist, die über Ablehnungsanträge gegen Richter des Landesgerichts Innsbruck zu entscheiden haben, werden sie zurückgewiesen.

3. Zur Entscheidung über die Ablehnung aller Richter des Landesgerichts Innsbruck wird die Sache dem dafür zuständigen Oberlandesgericht Innsbruck überwiesen.

Text

Begründung

Im Ausgangsverfahren hat das Landesgericht Innsbruck über die Berufung der Beklagten gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Imst zu entscheiden. Die Erstbeklagte und die Zweit-, der Dritt- und der Viertbeklagte beantragen die Delegierung an „ein Gericht in Graz“. Zur Begründung verweisen sie auf „schwerwiegende Vorwürfe“ gegen das Landesgericht Innsbruck. Dies sei ein ausreichender Grund, die „volle richterliche Unbefangenheit des gesamten Landes- und Oberlandesgerichts Innsbruck in Zweifel zu ziehen“.

Dazu hat der Senat Folgendes erwogen:

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Delegierungsantrag kann nicht auf Gründe gestützt werden, die für eine Ablehnung von Richtern oder anderen Gerichtsorganen in Betracht kommen (RIS-Justiz RS0073042). Soweit die Beklagten daher nach § 31 JN die Delegierung an ein Gericht in Graz anstreben, sind die Anträge jedenfalls abzuweisen.

2. Den Anträgen ist zu entnehmen, dass die Beklagten alle Richter des Landes- und Oberlandesgerichts Innsbruck als befangen ablehnen. Soweit alle Richter des Oberlandesgerichts Innsbruck abgelehnt werden, ist der Oberste Gerichtshof zur Entscheidung berufen (RIS‑Justiz RS0045997). Nach der Aktenlage kommt eine Tätigkeit des Oberlandesgerichts allerdings nur insofern in Betracht, als dieses über die Ablehnung von Richtern des Landesgerichts Innsbruck zu entscheiden hat. Zuständig ist dafür nach der Geschäftsverteilung der 4. Zivilsenat, dem die Richterinnen und Richter Dr. Hoffmann, Dr. Huber, Dr. Gosch und Dr. Prantl angehören. Nur insofern ist die Ablehnung zu prüfen.

3. Die Ablehnung dieser Richter scheitert.

3.1. Ein Richter ist befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiven Merkmalen rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dabei genügt die Besorgnis, dass bei der Entscheidungsfindung andere als rein sachliche Überlegungen eine Rolle spielen könnten (Ballon in Fasching/Konecny 3 § 19 JN Rz 5; RIS-Justiz RS0046024). Es reicht bereits aus, dass die Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss oder dass der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RIS-Justiz RS0046052; 6 Ob 290/06z mwN). Es genügt, wenn der Ablehnungswerber ausreichende Gründe darlegt, die den Anschein der Voreingenommenheit eines Richters erwecken. Ein solcher Anschein liegt jedoch dann nicht vor, wenn sachliche Gründe für das zu Recht oder Unrecht kritisierte Verhalten des abgelehnten Richters vorliegen (vgl RIS-Justiz RS0045949 [T1]).

3.2. Bei Ablehnung einer Mehrzahl von Richtern müssen in Ansehung eines jeden Einzelnen von ihnen konkrete Befangenheitsgründe detailliert dargetan werden. Die pauschale Ablehnung aller Richter eines Gerichtshofs ist unzulässig; die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist vielmehr nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (RIS-Justiz RS0046005; RS0045983). Pauschal und ohne Anführung bestimmter Gründe zu jeweils namentlich bezeichneten Richtern eingebrachte Ablehnungserklärungen sind nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (RIS-Justiz RS0046011 [T6]).

3.3. Im konkreten Fall nennen die Beklagten keine Gründe für eine Befangenheit der Mitglieder des 4. Senats des Oberlandesgerichts Innsbruck. Die Ablehnung ist daher zurückzuweisen.

4. Damit bleiben die Anträge, soweit darüber der Oberste Gerichtshof zu entscheiden hat, erfolglos. Über die darin geltend gemachte Befangenheit aller Richter des Landesgerichts Innsbruck ‑ und damit insbesondere der Richter des Berufungssenats ‑ wird das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§ 44 JN).

Stichworte