European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00219.14F.1118.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Unterlassung und Beseitigung nach dem UWG in Anspruch. Sie richtete ihre Klage an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, bewertete den Streitgegenstand mit 105.000 EUR und beantragte die Entscheidung „durch einen Senat“. In Punkt 1.1. der Klage führte sie aus, dass das Verfahren „gemäß § 51 Abs 2 Z 10 JN in die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte“ falle; bei der Bezeichnung des Gerichts im Rubrum der Klage machte sie aber nicht ersichtlich, dass sie die Behandlung vor dem Handelssenat beantrage. Mit der Klage verband sie einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, den sie ebenfalls mit 105.000 EUR bewertete.
Das Erstgericht verhandelte und entschied über den Sicherungsantrag durch einen mit drei Berufsrichtern besetzten Senat. Es wies den Sicherungsantrag ab.
In ihrem Rekurs machte die Klägerin unter anderem Nichtigkeit geltend, weil trotz Vorliegens einer handelsgerichtlichen Eigenzuständigkeit kein Kausalsenat entschieden habe. In der Lehre werde die Auffassung vertreten, dass die Entscheidung des falschen Senats „den Nichtigkeitsgrund nach § 471 Z 6, § 475 Abs 2 ZPO“ bilde. Es wäre aber auch denkbar, eine nicht vorschriftsmäßige Gerichtsbesetzung iSv § 477 Abs 1 Z 2 ZPO anzunehmen. Dass drei Berufsrichter entschieden hätten, sei dem Klagevertreter erst mit Zustellung des Protokolls über die Verhandlung aufgefallen. Er habe daher keine Rüge nach § 260 Abs 4 ZPO erheben können. Abgesehen davon sei diese Bestimmung verfassungswidrig.
Das Rekursgericht entschied ebenfalls durch einen mit drei Berufsrichtern besetzten Senat. Es bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die vom Kläger geltend gemachte Nichtigkeit liege nicht vor, weil die Klage nicht an das Erstgericht „als Handelsgericht“ gerichtet gewesen sei (§ 226 Abs 2 ZPO). Mangels eines solchen Hinweises sei die Sache von einem Berufsrichtersenat zu entscheiden gewesen. Auf die Frage einer rechtzeitigen Rüge und die behauptete Verfassungswidrigkeit von § 260 Abs 4 ZPO komme es daher nicht an.
Gegen diese Entscheidung richtet sich ein als „Rekurs und außerordentlicher Revisionsrekurs“ bezeichnetes Rechtsmittel der Klägerin. Den „Rekurs“ begründet sie damit, dass das Rekursgericht als Kausalsenat zu entscheiden gehabt hätte, weswegen dessen Beschluss (ebenfalls) nichtig sei. Sollte der Oberste Gerichtshof diesem „Rekurs“ nicht Folge geben, werde als erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht, dass das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei, wonach über Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach dem UWG in erster und zweiter Instanz ein Kausalsenat zu entscheiden habe.
Rechtliche Beurteilung
Das Rechtsmittel der Klägerin ist als außerordentlicher Revisionsrekurs zu behandeln. Er ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Die Klägerin bekämpft eine Entscheidung des Rekursgerichts, mit dem dieses einen Rekurs gegen eine erstinstanzliche Entscheidung erledigt hatte. Das Rechtsmittel ist daher ein Revisionsrekurs iSv § 528 ZPO ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 528 ZPO Rz 1; E. Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 528 Rz 1). Damit sind die Rechtsmittelbeschränkungen dieser Bestimmung anwendbar, insbesondere muss eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO vorliegen. Anderes würde nur gelten, wenn das Rekursgericht ‑ im Rahmen des Rekursverfahrens oder als Durchlaufgericht ‑ funktional als erstinstanzliches Gericht tätig geworden wäre (RIS-Justiz RS0115511).
2. Das Rekursgericht hat zutreffend durch einen mit drei Berufsrichtern besetzten Senat entschieden.
2.1. Nach § 388 Abs 3 iVm Abs 2 Satz 1 EO entscheidet bei den in § 387 Abs 3 EO erwähnten einstweiligen Verfügungen ‑ also insbesondere bei solchen nach dem UWG ‑ (auch) über Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung „der Senat in der für die Hauptsache vorgesehenen Zusammensetzung.“ Der Rekurssenat ist also jener, der unter den gleichen Umständen über eine Berufung in der Hauptsache zu entscheiden hätte. Damit sind § 8 Abs 1 und 2 JN anwendbar. Danach entscheiden die Oberlandesgerichte im Regelfall durch einen mit Berufsrichtern besetzten Senat; nur zur Entscheidung über Berufungen „gegen die in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelsrechtssachen gefällten Urteile“ ist (abgesehen vom Vorverfahren iSd §§ 470 ff ZPO) ein aus zwei Berufsrichtern und einem Laienrichter bestehenden Senat berufen.
2.2. § 8 Abs 2 JN nimmt auf die in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelsrechtssachen „gefällten“ Urteile Bezug, nicht auf so „zu fällende“ Urteile. Hat beim Gerichtshof erster Instanz ein Berufsrichtersenat entschieden, so hat dieser Gerichtshof das Urteil nicht „in Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelsrechtssachen“ gefällt. Daher hat auch über Berufungen gegen dieses Urteil nach § 8 Abs 1 JN zwingend ein Berufsrichtersenat zu entscheiden. Dies gilt in gleicher Weise bei Rekursen in Sicherungsverfahren nach § 387 Abs 3 EO.
2.3. Diese Rechtslage entspricht der Systematik der JN: Denn die Frage, ob eine Sache zur allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit oder zur Handelsgerichtsbarkeit gehört, ist eine solche der prorogablen sachlichen Zuständigkeit ( Ballon in Fasching/Konecny 3 § 7a JN Rz 24; Simotta in Fasching/Konecny 3 § 51 ZPO Rz 3 f Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 7 JN Rz 5). Grundlage dieser Auffassung ist der eindeutige Wortlaut von § 61 Abs 1 JN, worin der Antrag auf Verweisung der Sache vom Berufsrichter- an den Kausalsenat ausdrücklich als „Einrede der Unzuständigkeit“ bezeichnet wird. Die Entscheidung eines unzuständigen Gerichts ist aber nach allgemeinen Grundsätzen bei dem Gericht zu bekämpfen, das diesem Gericht übergeordnet ist, nicht bei jenem, das der Rechtsmittelwerber gegen die Entscheidung des seiner Auffassung nach tatsächlich zuständigen Gericht anrufen müsste. Gleiches muss gelten, wenn ‑ wie hier ‑ im Rechtsmittel die sachliche Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit bestritten wird. Darüber ist durch ein Gericht der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit (also einen Berufsrichtersenat) zu entscheiden, nicht durch ein Gericht der Handelsgerichtsbarkeit (also einen Kausalsenat).
2.4. Schwierigkeiten können sich in diesem Zusammenhang nur ergeben, wenn in erster Instanz ein Einzelrichter entschieden hat. Denn in diesem Fall ist nicht schon durch die Gerichtsbesetzung erkennbar, ob in Handelssachen entschieden wurde oder nicht. Daher hat der Einzelrichter diese Frage nach § 259 Abs 3 ZPO auf Antrag durch einen Beisatz im Urteil ‑ und damit auch in einem Beschluss in Sicherungsverfahren nach § 387 Abs 3 EO ‑ klarzustellen. Fehlt ein solcher Beisatz, hat das Berufungsgericht nach einhelliger Rechtsprechung auch bei einer in die Eigenzuständigkeit der Handelsgerichte fallenden Rechtssache ohne Laienrichter zu entscheiden (RIS-Justiz RS0042247); anderes gilt nur bei einer (zulässigen) Rüge nach § 479a ZPO (4 Ob 326/81). Auf den ersten Blick erstaunt, dass § 259 Abs 3 ZPO und § 479a ZPO nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur bei Entscheidungen eines Einzelrichters anwendbar sind; dies folgt aber daraus, dass sich die Art der Gerichtsbarkeit bei einer Senatsentscheidung ohnehin aus dessen Zusammensetzung ergibt. Hier waren entsprechende Regelungen daher nicht notwendig.
2.5. Für den konkreten Fall ist aus all dem abzuleiten, dass über den Rekurs gegen einen in Ausübung der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit erlassenen Beschluss im Sicherungsverfahren ein Berufsrichtersenat des Oberlandesgerichts zu entscheiden hatte. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen 4 Ob 348/87 und 4 Ob 373/87 stehen dem nicht entgegen. Denn darin wurde zwar (obiter) ‑ und zweifellos zutreffend (oben 2.3.) ‑ ausgeführt, dass bei erstinstanzlicher Entscheidung eines Kausalsenats auch in zweiter Instanz ein Kausalsenat entscheiden müsse. Das hat aber mit der hier zu beurteilenden Frage nichts zu tun, weil hier gerade keine erstinstanzliche Entscheidung eines Kausalsenats vorliegt. In der Sache betrafen beide Entscheidungen Beschlüsse, die in erster Instanz vom Einzelrichter gefällt worden waren. Dazu hat der Senat ausgeführt, dass bei Unterbleiben eines Beisatzes iSv § 259 Abs 3 ZPO ein Berufsrichtersenat des Rekursgerichts zu entscheiden hat (4 Ob 348/87), bei Aufnahme dieses Beisatzes hingegen ein Kausalsenat (4 Ob 373/87). Dies entspricht der oben (Punkt 2.4.) dargestellten Rechtslage im Berufungsverfahren und beruht auf der Wertung, dass die tatsächlich ausgeübte Gerichtsbarkeit in erster Instanz die Zusammensetzung des Rekurssenats bestimmt. Dasselbe muss gelten, wenn sich die Art der Gerichtsbarkeit ‑ wie hier ‑ schon aus der Senatszusammensetzung in erster Instanz ergibt.
3. Die von der Klägerin gerügte Nichtigkeit des Rekursverfahrens liegt daher nicht vor. Eine erhebliche Rechtsfrage stellt sich in diesem Zusammenhang nicht, weil das Gesetz in § 8 Abs 2 JN eine eindeutige Regelung trifft (RIS-Justiz RS0042656) und die Rechtsfrage zudem mit Hilfe vorhandener Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung gelöst werden kann ( Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 70 mwN). Soweit die Klägerin weiterhin Nichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung behauptet, ist sie darauf zu verweisen, dass in Sicherungsverfahren die Verneinung eines im Rekursverfahren gerügten Nichtigkeitsgrundes nicht weiter anfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0097225 [T1, T6]; zuletzt 1 Ob 132/14i mwN). Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.
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