OGH 7Ob170/14x

OGH7Ob170/14x29.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Kopp ‑ Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei DI J***** B*****, vertreten durch Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Löschung einer Dienstbarkeit, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Juli 2014, GZ 4 R 115/14f‑18, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

1. Die behauptete Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

2. Die Argumente des Beklagten, der sich auf den Vertrauensschutz des Grundbuchs und seine Gutgläubigkeit (beim Erwerb der Liegenschaft) beruft, sind nicht stichhaltig.

2.1. Gutgläubig ist ein Erwerber nur dann, wenn er ohne jedes Verschulden, also auch nicht fahrlässig handelt. Guter Glaube kann daher nur angenommen werden, wenn keine Umstände vorliegen, die bei gehöriger Aufmerksamkeit Zweifel an der Richtigkeit des Grundbuchstands erweckten (4 Ob 523/92 = RIS‑Justiz RS0011345 uva; Koziol‑Welser/Kletečka , Bürgerliches Recht 14 I [2014] Rz 1150).

Rechtsprechung und Lehre bejahen eine über § 5 Satz 2 GBG hinausgehende Verpflichtung zur Einsicht in die Urkundensammlung, wenn bei dem in das Hauptbuch Einsicht Nehmenden der Verdacht erweckt werden muss, dass das Hauptbuch und die Urkundensammlung nicht übereinstimmen, oder wenn die Einsichtnahme in die Urkundensammlung als verkehrsüblich angesehen werden muss (RIS‑Justiz RS0060205; Rassi in Kodek , Grundbuchsrecht 1.01 § 5 GBG Rz 10; G. Kodek in Kodek , Grundbuchsrecht 1.01 § 63 GBG Rz 17; Koziol‑Welser/Kletečka aaO Rz 1151; Hinteregger in Schwimann/Kodek , ABGB 4 Vor §§ 431‑446 Rz 15; Rechberger/Bittner , Grundbuchsrecht² [2007] Rz 172). In diesem Sinn wurde ausgesprochen, dass sich etwa bei Grunddienstbarkeiten in der Regel aus der Art der Eintragung die Vermutung ergibt, dass wichtige Nebenbestimmungen wohl in den Urkunden, nicht aber im Hauptbuch aufscheinen und daher eine Verpflichtung besteht, die Urkundensammlung einzusehen (RIS‑Justiz RS0011545; 5 Ob 196/99f = NZ 2000/473 [ Hoyer ]). Nichts anderes kann bei konkreten Anhaltspunkten ‑ hier: Abweichung der Realität vom Grundbuchsstand ‑ für den Verlauf der Grunddienstbarkeit gelten.

2.2. Das heutige Grundstück Nr 691/1 wird als Ackerfläche genutzt und bewirtschaftet; die Zufahrt zur Liegenschaft des Beklagten ist aufgrund einer Geländekante praktisch nicht möglich. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich keinerlei in der Natur vorhandener Weg oder gar eine Straße, welche dem Beklagten eine Zufahrt ermöglichen würde. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass diese Umstände beim Beklagten besondere Bedenken an der Richtigkeit der grundbücherlichen Eintragung erwecken mussten und ihn eine genauere Nachforschungspflicht getroffen hätte, ist nicht korrekturbedürftig. Bei Einsicht in den in der Urkundensammlung erliegenden Plan, auf den der ebenfalls in der Urkundensammlung erliegende Dienstbarkeitsvertrag zum Verlauf der Servitut verweist, ist ersichtlich, dass das heutige Grundstück Nr 691/1 damals die Bezeichnung 694/1 trug und auf diesem Grundstück keine Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts eingezeichnet ist. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, in diesen Plan Einsicht zu nehmen, woraus ihm die Abweichung gegenüber dem Hauptbuch unzweifelhaft erkennbar gewesen wäre, sodass sein Vertrauen auf den fehlerhaften Grundbuchstand nicht schutzwürdig sei und er die im Widerspruch zur tatsächlichen Rechtslage einverleibte Grunddienstbarkeit auch nicht (gutgläubig) erwerben habe können, ist nach den Umständen dieses Einzelfalls zumindest vertretbar.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte