European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00151.14B.1029.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Mutter T***** G***** ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 225,29 EUR (darin enthalten 37,55 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Auf Antrag der minderjährigen M***** G*****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 215 Abs 2 ABGB, wurde mit rechtskräftiger einstweiliger Verfügung dem Gegner der gefährdeten Partei das Verlassen der Wohnung ***** S*****, R*****straße ***** aufgetragen und die Rückkehr und der Aufenthalt im Wohnhaus und auf dem zugehörigen Grundstück verboten. Darüber hinaus wurde ihm das Zusammentreffen und die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Partei und der Aufenthalt am Wohnort und der Volksschule jeweils im Gebäude und am Grundstück verboten. Das Rückkehr‑ und Aufenthaltsverbot gemäß § 382b EO wurde für sechs Monate erlassen, das Aufenthalts‑ und Kontaktaufnahmeverbot gemäß § 382e EO für 12 Monate.
Mit Beschluss vom 29. 10. 2012 wurde die Obsorge für die Minderjährige den Kindeseltern in den Bereichen Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung entzogen und dem Jugendwohlfahrtsträger Land Niederösterreich, vertreten durch den Magistrat der Stadt St. Pölten, Jugendhilfe, übertragen.
Auf Antrag der Mutter, vertreten durch ihren Sachwalter, verlängerte das Erstgericht die einstweilige Verfügung, mit der dem Gegner der gefährdeten Partei gemäß § 382e EO das Zusammentreffen, die Kontaktaufnahme mit der gefährdeten Partei und der Aufenthalt am Wohnort der gefährdeten Partei verboten worden war, um weitere 12 Monate.
Mit einem Monat nach „Ablauf der Verlängerung“ ursprünglichen Frist eingelangten Schreiben vom 23. 1. 2014 erklärte der Jugendwohlfahrtsträger, dem Antrag des Sachwalters auf Verlängerung der einstweiligen Verfügung inhaltlich voll zuzustimmen und beizutreten.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei Folge und wies den Verlängerungsantrag der Mutter ab. Es entspreche ständiger Rechtsprechung, dass innerhalb der Verfügungsfrist analog zu § 128 Abs 3 ZPO die einstweilige Verfügung auf Antrag verlängert werden könne. Nach Ablauf der Verfügungsdauer sei eine Verlängerung auch dann unzulässig, wenn die einstweilige Verfügung noch nicht aufgehoben sei. Während die einstweilige Verfügung auf Antrag der Minderjährigen, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, eingebracht worden sei, habe die Mutter, vertreten durch ihren Sachwalter, die Verlängerung beantragt. Die Mutter sei nicht antragslegitimiert, zumal die gesetzliche Vertretung der Minderjährigen dem Jugendwohlfahrtsträger übertragen worden sei. Von diesem sei zwar erklärt worden, den Anträgen der Mutter „beizutreten“. Da diese Erklärung jedoch außerhalb der Geltungsdauer der einstweiligen Verfügung abgegeben worden sei, habe sie die mangelnde Antragslegitimation der Mutter nicht sanieren können. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob die fehlende Antragslegitimation durch eine nachträgliche, außerhalb der Geltungsdauer abgegebene „Beitrittserklärung“ des Berechtigten fristwahrend nachgeholt werden könne, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit einem Abänderungsantrag.
Der Gegner der gefährdeten Partei begehrt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Gemäß § 526 Abs 2 ZPO iVm § 78 Abs 1 EO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an die Beurteilung des Gerichts zweiter Instanz über das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht gebunden. Ist eine erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen, so ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen, dabei kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Anführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 78 EO).
1. Durch ihren Verlängerungsantrag hat die Mutter einen Zwischenstreit über ihre Antragslegitimation ausgelöst. Gegen die Entscheidung über diesen Zwischenstreit steht ihr ‑ entgegen der Ansicht des Gegners der gefährdeten Partei ‑ die Rechtsmittellegitimation zu.
2. Die Mutter argumentiert, dass nicht nur die gefährdete Partei, sondern auch sie von der erlassenen einstweiligen Verfügung betroffen sei, sodass es genüge, dass sie den Verlängerungsantrag gestellt habe, damit die Frist gewahrt sei. Durch den Beitritt der gefährdeten Partei sei ihre Antragslegitimation saniert worden und der Verlängerungsantrag als rechtzeitig anzusehen.
1.1 Die Frist, für welche die einstweilige Verfügung bewilligt worden ist, kann auf Antrag verlängert werden, wenn der angestrebte Zweck innerhalb des betreffenden Zeitraums nicht erreicht werden konnte (RIS‑Justiz RS0005534). Eine Verlängerung setzt einen Antrag innerhalb der Laufzeit voraus (7 Ob 95/13s; RIS‑Justiz RS0005534 [T7]).
1.2 Der Anspruch auf Verlängerung steht nur dem zu, zu dessen Gunsten die zu verlängernde einstweilige Verfügung auch erlassen wurde. Die Mutter war damit nicht legitimiert, einen Verlängerungsantrag zu stellen.
1.3 Seitens der durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen gefährdeten Partei, die allein berechtigt ist, die Verlängerung der erlassenen einstweiligen Verfügung zu beantragen, wurde innerhalb der Laufzeit keine Verlängerung beantragt. Der nach Ablauf der Laufzeit erklärte Beitritt zum Verlängerungsantrag der Mutter kommt allenfalls einem vom Jugendwohlfahrtsträger namens der Minderjährigen verspätet erhobenen Verlängerungsantrag gleich; er bewirkt aber nicht die Sanierung der der Mutter fehlenden Antragslegitimation.
2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 78, 393 Abs 2 EO iVm § 41, 50 ZPO. Durch ihren unzulässigen Verlängerungsantrag hat die Mutter einen Zwischenstreit ausgelöst, in dem sie unterlegen ist. Sie ist daher zum Kostenersatz zu verurteilen (RIS‑Justiz RS0002177), wobei jedoch die Bemessungsgrundlage der §§ 13, 14 lit c RATG 730 EUR beträgt.
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