European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00117.14S.1029.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred T***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./A./) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (I./B./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (II./A./ und B./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (III./) schuldig erkannt.
Danach hat er in S***** und andernorts
I./ von Ende 2007 bis 17. Oktober 2009 in einer nicht feststellbaren Zahl von Angriffen
A./ mit der am 18. Oktober 1995 geborenen, daher unmündigen Jaqueline W***** dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er sie veranlasste Oralverkehr an ihm vorzunehmen, ihre Vagina leckte und seine Finger in ihre Scheide einführte;
B./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an sich von der unmündigen Jaqueline W***** vornehmen lassen, indem er sie veranlasste, seinen Penis zu massieren;
II./ mit der am 18. Oktober 1995 geborenen, daher minderjährigen Jaqueline W*****, die seiner Erziehung unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung ihr gegenüber eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und an sich vornehmen lassen, und zwar
A./ von Ende 2007 bis Juni 2011 die zu I./A./ und B./ genannten Handlungen;
B./ zwischen September 2010 und Juni 2011, indem er ihr einen „Dildo“ in die Scheide einführte;
III./ von Mitte 2012 bis 21. März 2013 eine Stahlrute, mithin eine verbotene Waffe nach § 17 Abs 1 Z 6 WaffG unbefugt besessen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit b StPO stützt. Sie verfehlt ihr Ziel.
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 29. April 2014 (ON 70 S 139) gestellten Antrags auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie, und zwar zur Frage, ob Jaqueline W***** überhaupt in der Lage ist, wahrheitsgemäß Angaben zu machen, dies aufgrund ihres psychischen Zustands, ihrer Vorgeschichte und der damit verbundenen Einnahme hochdosierter Medikamente, welche u.a. gegen Schizophrenie eingenommen werden, dies auch in Zusammenhang mit der Einnahme verbotener Suchtmittel und Alkohol“, Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.
Das Antragsbegehren ließ nämlich nicht erkennen, aufgrund welcher konkreten Umstände das Gericht bei der ‑ nach der Prozessordnung ihm vorbehaltenen (§ 258 Abs 2 StPO) ‑ Beweiswürdigung einer weiteren gutachterlichen Hilfestellung ‑ über das bereits vorliegende psychologische Gutachten hinaus (ON 29, ON 70 S 199 ff) ‑ bedürfe, und verfiel solcherart zu Recht der Abweisung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 330 f). Allein die Behauptung der Einnahme hochdosierter Medikamente im Zusammenspiel mit Suchtmitteln oder Alkohol durch die Zeugin wird dem angeführten Erfordernis nicht gerecht (vgl RIS‑Justiz RS0120634). Zudem vermochte der Antragsteller die insofern erforderliche Bereitschaft des Opfers zur Mitwirkung an einer Begutachtung nicht darzustellen (RIS‑Justiz RS0118956).
Die in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragenen Argumente als Versuch einer Antragsfundierung sind aufgrund des Neuerungsverbots unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).
Unter dem Aspekt gesetzeskonformer Darstellung der Mängelrüge (Z 5) ist stets an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen (RIS‑Justiz RS0119370; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394). Entgegen der eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe behauptenden Beschwerde hat sich das Erstgericht ausführlich (auch) mit der Persönlichkeit des Opfers auseinandergesetzt und ebenso die Möglichkeit einer Falschbelastung erwogen (US 14‑17), wobei es ‑ dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 1 Z 5 StPO) folgend ‑ nicht verhalten war, auf jedes
Aussagedetail einzugehen (RIS‑Justiz RS0106642; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428).
Mit Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) behauptet der Beschwerdeführer zu III./ unter Geltendmachung eines Feststellungsmangels, einem Rechtsirrtum unterlegen zu sein, weil Stahlruten „massenweise im Internet frei“ verkäuflich wären, weswegen der Schuldausschließungsgrund des § 9 StGB vorliege (vgl Höpfel in WK2 StGB § 9 Rz 3 und 5 bis 7; Steininger SbgK § 9 Rz 28 bis 32). Die prozessordnungskonforme Darstellung eines Feststellungsmangels unter dem Aspekt dieses Nichtigkeitsgrundes verlangt aber die deutliche und bestimmte Bezeichnung des einen ‑ den genannten Ausnahme-satz betreffenden ‑ diesbezüglichen Feststellungsmangel indizierenden, in der Hauptverhandlung vorgekommenen Sachverhaltssubstrats (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 601, 602), welchem Erfordernis die Beschwerde mit dem bloßen Hinweis auf die ‑ vom Schöffengericht ohnedies berücksichtigte (US 21) ‑ Aussage des Angeklagten, er habe „sich nicht überlegt, ob man das in Österreich nicht kaufen darf“ nicht entspricht. Zudem unterlässt der Beschwerdeführer auch jedwede Auseinandersetzung mit den weiteren Ausführungen des Erstgerichts (US 21).
Im Übrigen ist dem Angeklagten, einem österreichischen Staatsbürger, durchaus zuzumuten, sich vor Einfuhr der von ihm ‑ allenfalls zulässigerweise ‑ im Ausland gekauften Stahlrute (US 10) schon im Hinblick auf deren offensichtlichen Verwendungszweck als (Verteidigungs-)Waffe darüber zu informieren, ob dies nach den in Betracht kommenden österreichischen waffengesetzlichen Bestimmungen erlaubt sei (§ 9 Abs 2 StGB).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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