European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00078.14A.1028.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kevin B***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe sowie zu einem Ersatz an die Privatbeteiligte verurteilt.
Danach hat er am 19. September 2013 in H***** eine wehrlose Person, nämlich die schlafende Beatrice R***** unter Ausnützung deren Zustands dadurch missbraucht, dass er mit ihr den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen vornahm, indem er mit den Fingern in deren After und Scheide sowie mit dem Penis in deren Scheide eindrang.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO.
Das Schöffengericht wies den Antrag des Angeklagten auf Vernehmung „der Zeugen Thomas P***** sowie Josef B***** ... zum Beweis dafür, dass der Herr Angeklagte ihnen und noch zwei weiteren Zeugen zu einem Zeitpunkt, als er noch nicht von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt war, Anfang November von dem für ihn vollkommen überraschenden und irritierenden Verhalten der Zeugin R***** erzählt hat und dieses auch bestritten hat“, ab (ON 15 S 54 f).
Dadurch wurden der Verfahrensrüge (Z 4) entgegen keine Verteidigungsrechte verletzt, weil das erkennende Gericht ohnedies davon ausging (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO), dass der Angeklagte Dritten gegenüber den Vorfall durchgehend im Sinne seiner späteren leugnenden Einlassung schilderte (ON 15 S 55; US 9).
Die Mängelrüge (Z 5) dient ‑ praktisch primär ‑ dem Aufzeigen formaler Mängel in der kollegialgerichtlichen Beweiswürdigung, mit anderen Worten einer Überschreitung der Grenzen des § 258 Abs 2 StPO, nicht aber einer auf eigenen Beweiswerterwägungen basierenden Kritik an den zum Schuldspruch führenden tatrichterlichen Erwägungen nach Art einer eben nur im Einzelrichterverfahren gesetzlich vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld.
Just diese Argumentationsweise kennzeichnet jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers über weite Strecken („warum es dann beim zweiten Treffen, bei welchem ich noch mit den Eltern der Zeugin zusammentraf und dadurch im Bewusstsein der Anwesenheit der Eltern war, zu sexuellen Handlungen gegen den Willen der Zeugin bzw im schlafenden Zustand der Zeugin gekommen sein soll, bleibt unklar und wird nicht begründet. Vielmehr wäre nachvollziehbar, dass ich derartige Vorhaben, wären diese von meinem Willen und Tatvorsatz umfasst gewesen, beim ersten Treffen schon hätte verwirklichen können“; „... in keiner Weise nachvollziehbar“; „nicht glaubwürdig ist, dass die Zeugin keinerlei sexuelle Beziehung haben wollte“; „nicht lebensnahe Begründung“; „diese Bilder und Kommentare stellen die Aussage der Zeugin, wonach sie angeblich keine sexuelle, sondern nur eine rein freundschaftliche Beziehung wollte, massiv in Zweifel“; „nicht lebensnah und auch nicht nachvollziehbar“; „dies wird auch dadurch belegt ...“), wodurch sich sein Rechtsmittel meritorischer Erwiderung entzieht.
Zur Dauer des sexuellen Angriffs ging das Erstgericht ohnedies davon aus, dass das Opfer durch die digitalen Penetrationen aufwachte und bedingt durch Schlaftrunkenheit „einige Zeit brauchte, um überhaupt zu begreifen, was da gerade vorging“ (US 4) ‑ nicht nur Schlafende, sondern auch Erwachende sind Schutzobjekte von § 205 StGB (Fabrizy, StGB11 § 205 Rz 1; RIS‑Justiz RS0102727, RS0095097).
Wie weit es schon beim ersten Übernachten des Angeklagten im Bett der Privatbeteiligten am 15. September 2013 zu „Intimitäten“ gekommen sei, betrifft keine entscheidende Tatsache (Fabrizy, StPO11 § 281 Rz 41a); ebensowenig die Antworten des Mädchens auf die Frage, ob sie vom Angeklagten Geld verlangt habe, und ob sie ihm nach dem Vorfall von einem Intimpiercing berichtete.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Gleichermaßen war mit der ohne irgendeine Beifügung angemeldeten (ON 23) und unausgeführt gebliebenen Berufung des Angeklagten vorzugehen (§§ 296 Abs 2 iVm 295 Abs 4 StPO; RIS‑Justiz RS0100561 [vor allem T9]).
Dem Oberlandesgericht obliegt die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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