OGH 1Ob133/14m

OGH1Ob133/14m22.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien (Wiener Wohnen), Wien, Doblhoffgasse 6, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** D*****, vertreten durch Dr. Christian Haas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. Mai 2014, GZ 40 R 43/14s‑36, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. Juni 2013, GZ 42 C 589/11x‑32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die Klägerin stützte ihre am 13. 10. 2011 eingebrachte Aufkündigung auf einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Mietgegenstandes durch den Mieter gemäß § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG. Im Schriftsatz benannte sie in der Rubrik „Rechtssache“ die „gekündigte Partei/Beklagter“, und zwar führte sie seinen Familiennamen und einen dem richtigen ähnlichen Vornamen, sein Geburtsdatum sowie die genaue Wohnadresse (einschließlich der Türnummer) an. Die Klägerin brachte ua vor, der Beklagte füttere in seiner Wohnung und auch in der Wohnhausanlage Tauben, deswegen kündige sie der Gegenseite den gegen einmonatige Kündigung abgeschlossenen Mietvertrag „für die Wohnung im Hause“ samt mitgemieteten Haus‑ und Grundflächen zum 31. 1. 2012 aus im Folgenden genannten Kündigungsgründen gerichtlich auf.

Der Beklagte bestritt und brachte vor, ein solcher nachteiliger Gebrauch liege nicht vor, er vernachlässige die aufgekündigte Wohnung nicht. Nach seinen persönlichen Angaben in der ersten Tagsatzung wurde sein Vorname von H***** auf H***** (geringfügig) berichtigt. Den Einwand, es sei nicht klar, welchen Bestandgegenstand die Aufkündigung betreffe, erhoben weder er persönlich noch später sein ihm in der Folge beigegebener Verfahrenshelfer.

Nach Durchführung des Beweisverfahrens über das Vorliegen des behaupteten Kündigungsgrundes hob das Erstgericht die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Klagebegehren ab, wobei es den Übergabsauftrag um die Adresse des Bestandobjekts von Amts wegen ergänzte. Die zum Verhalten des Beklagten festgestellten Tatsachen beurteilte es rechtlich so, dass diese nicht so weit reichten, dass ein erheblich nachteiliger Gebrauch verwirklicht sei.

Der dagegen von der Klägerin erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht nicht Folge, wobei es sich mit den von der Klägerin vorgetragenen Berufungsgründen der unrichtigen und unvollständigen Tatsachenfeststellung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht auseinandersetzte. Es ging vielmehr davon aus, dass die Aufkündigung unbestimmt sei, sodass deren Wirksamkeit schon aus diesem Grunde nicht in Betracht komme. In der Aufkündigung werde lediglich eine Wohnadresse des Beklagten angegeben, hingegen weder im Vorbringen der Aufkündigung noch im beantragten Übergangsauftrag der Bestandgegenstand bezeichnet. Die Aufkündigung bloß „für die Wohnung im Hause“ verstoße gegen die klare Vorschrift des § 562 Abs 1 ZPO. Es fehle die Bezeichnung des Bestandgegenstands völlig. Da die gerichtliche Aufkündigung nach herrschender Lehre und Rechtsprechung eine zweifache rechtliche Handlung darstelle, nämlich einerseits die materiell‑rechtliche einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, den auf unbestimmte Zeit geschlossenen Bestandvertrag zu einem bestimmten Endtermin aufzulösen, und andererseits den prozessrechtlichen Antrag an das Gericht, an den Gegner einen Übergabs‑ oder Übernahmsbefehl zu erlassen, aber für die hier zu beurteilende materiell‑rechtliche Aufhebungserklärung eine Berichtigung nicht in Frage komme, sei der Berufung schon aus diesem Grunde nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinn einer Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts berechtigt.

1.1. § 562 ZPO regelt Form und Inhalt des Parteiantrags, auf dessen Grundlage die Aufkündigung erlassen wird:

Nach § 562 Abs 1 ZPO muss der Schriftsatz oder das über die Aufkündigung aufgenommene Protokoll insbesondere die Bezeichnung des Bestandgegenstands enthalten. Aufkündigungen, welche diesen Vorschriften nicht entsprechen oder bei einem unzuständigen Gericht angebracht werden, sind, falls nicht der vorhandene Mangel gemäß § 84 ZPO behoben werden kann, von Amts wegen durch Beschluss zurückzuweisen (§ 562 Abs 2 ZPO).

1.2. Die Aufkündigung soll einerseits das Bestandverhältnis durch eine rechtsgestaltende Erklärung beenden und andererseits dem Aufkündigenden einen Exekutionstitel iSd § 1 Z 4 EO für die Übernahme bzw Übergabe des Bestandgegenstands verschaffen. Nach § 562 Abs 1 zweiter Satz ZPO hat die gerichtliche Aufkündigung unter anderem die Bezeichnung des Bestandgegenstands so zu enthalten, dass dieser auch für einen Dritten (das Vollstreckungsorgan) objektiv erkennbar ist (vgl 1 Ob 217/98p = SZ 72/26 = immolex 1999/138 = wobl 2000/44 [zust Hausmann ] = EvBl 1999/141 = JBl 1999, 475). Nur so ist das Vollstreckungsorgan in der Lage, dem Bewilligungsbeschluss die zu erzwingende Leistung zu entnehmen, ohne dass es weiterer Erhebungen oder Nachweise bedürfte (1 Ob 217/98p; 8 Ob 60/02k).

2.1. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob im Verfahren ab Einbringung der Aufkündigung bis zur Schaffung des Exekutionstitels Änderungen zulässig sind und in welchem Umfang:

Die prozessuale Zulässigkeit der Klageänderung hängt davon ab, ob die vom Kündigenden gewünschte Änderung, die zwangsläufig auch die von ihm abgegebene materiell‑rechtliche Erklärung betrifft, nach privatrechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist. Liegen die allgemeinen Voraussetzungen des § 235 ZPO für die Bejahung der Zulässigkeit der Klageänderung nach Eintritt der Streitanhängigkeit vor und ist die Änderung/Berichtigung der privatrechtlichen Erklärung nach den maßgeblichen Kriterien aus der subjektiven Sicht des Gekündigten zulässig, ist die Klageänderung zu bewilligen. Dies deshalb, weil eine darüber hinausgehende Bewilligung nach allgemeinen Grundsätzen prozessual zulässiger Klageänderungen sinnlos ist, wenn sie materiell‑rechtlich wegen der Unzulässigkeit der Änderung der privatrechtlichen Gestaltungserklärung zwingend zum Prozessverlust für den Kündigenden führen muss ( Lovrek in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 560 ZPO Rz 47).

2.2. Eine mangelhafte Bezeichnung des Bestandobjekts in der Aufkündigung kann auch nach Erhebung von Einwendungen durch die kündigenden Partei berichtigt oder präzisiert werden, somit verbessert und damit der Mangel saniert werden, sofern nur die gekündigte Partei von Anfang an keine Zweifel über die Identität des aufgekündigten, zunächst unzureichend bezeichneten Bestandobjekts haben konnte, somit wusste oder als redlicher Erklärungsempfänger zumindest wissen musste, welches Bestandobjekt in der Aufkündigung gemeint war. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung ist eine Verbesserung innerhalb der prozessualen Schranken des § 235 ZPO zulässig (RIS‑Justiz RS0111666).

2.3. Dabei hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 217/98b klargestellt, dass in der Frage nach den Grenzen der Berichtigung einer mangelhaften Aufkündigung (nach Einwendungen) ganz überwiegend auf das subjektive Element abgestellt wird und nicht wie bei der formell‑rechtlichen Prüfung der Aufkündigung als Exekutionstitel, auf den objektiven Standpunkt eines Dritten (etwa des Vollstreckers), nämlich darauf, ob der Kündigungsgegner Zweifel hat oder doch haben könnte, welcher Bestandgegenstand in der Aufkündigung gemeint ist. Der Gekündigte muss sich zeitgerecht über alle relevanten Elemente der Beendigung des Bestandverhältnisses im Klaren sein. Insoweit ist dann eine ungenaue oder unrichtige Bezeichnung des Bestandgegenstands daher auch nach Erhebung von Einwendungen der Präzisierung oder Richtigstellung durch die kündigende Partei oder das Gericht zugänglich, wenn der Gekündigte keine Zweifel über das aufgekündigte Bestandobjekt haben kann und die sonstigen prozessualen Schranken nicht überschritten werden (vgl dazu ausführlich 1 Ob 217/98p; 10 Ob 87/01v; 3 Ob 156/01i; 8 Ob 60/02k; RIS‑Justiz RS0044808 [T3, T4])

3.1. Bei Anlegung dieses Maßstabs liegt der vom Berufungsgericht herangezogene Grund für die Aufhebung der Aufkündigung nicht vor:

3.2. Dem Beklagten war von Anfang an bewusst, dass es sich beim aufgekündigten Bestandobjekt um seine mit der Adresse angegebene Wohnung handelt, die die Klägerin bei den gemäß § 75 Z 1 ZPO vorgesehenen Angaben genannt hatte.

3.3. Ausgehend davon ist die Änderung der privatrechtlichen Gestaltungserklärung zulässig. Wenn aber Erwägungen zur Unzulässigkeit der Änderung der privatrechtlichen Gestaltungserklärung nicht mehr im Wege stehen, sind die allgemeinen Grundsätze prozessual zulässiger Klageänderungen anzuwenden:

Danach hat das Gericht, bevor es ein unbestimmtes, unschlüssiges oder widerspruchsvolles Begehren abweist, dessen Verbesserung anzuregen (RIS‑Justiz RS0037166 [T1]); dies gilt auch für das Berufungsgericht, das dann das Urteil des Erstgerichts zur Durchführung eines solchen Verbesserungsverfahrens aufzuheben hätte (RIS‑Justiz RS0036355).

3.4. Das Berufungsgericht übersieht ‑ auch bei seinen Ausführungen, wonach die Entscheidung 1 Ob 217/98b nicht anwendbar sei, weil diese eine bereits erklärte Berichtigung durch die kündigende Partei zum Gegenstand hätte ‑, dass das Erstgericht eine derartige Anleitung erkennbar deshalb unterlassen hat, weil es aufgrund des Gangs des Verfahrens den Schluss zog, beiden Parteien sei völlig klar, welches Bestandobjekt der Rechtsstreit betreffe, und die Präzisierung des Bestandobjekts bei der Abweisung des Klagebegehrens von Amts wegen vornahm.

Gegen diese vom Erstgericht vorgenommene Präzisierung des Urteilsspruchs, bei der das Erstgericht nicht nur den Wortlaut des gestellten Begehrens, sondern auch das Klagsvorbringen, auf das sich das Begehren stützt, berücksichtigt hat (RIS‑Justiz RS0039357 [T2]), hat der Beklagte auch in seiner Berufungsbeantwortung keine Einwendungen erhoben.

Die Klägerin hat jedenfalls in der Revision eine Verbesserung, wäre sie noch notwendig, nachgeholt (vgl 2 Ob 9/10b).

4.1. Das Berufungsgericht setzte sich ausgehend von seiner vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der Aufkündigung nicht mit der Beweisrüge, der Bemängelung der Unvollständigkeit der Feststellungen und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung auseinander.

Sein Urteil ist daher aufzuheben und es ist ihm die neuerliche Entscheidung unter Berücksichtigung der in der Berufung geltend gemachten Berufungsgründen aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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