OGH 4Ob165/14i

OGH4Ob165/14i21.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Erlagssache des Erlegers G***** K*****, vertreten durch Ploil Krepp Boesch, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Erlagsgegner 1. E***** GmbH, *****, vertreten durch Liebenwein Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Mag. N***** A***** als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der ***** AG, *****, vertreten durch die Abel & Abel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Gerichtserlags gemäß § 1425 ABGB, über den Revisionsrekurs der Ersterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Juni 2014, GZ 43 R 307/14m‑13, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 9. April 2014, GZ 79 Nc 19/14a‑4, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00165.14I.1021.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen

Die Ersterlagsgegnerin ist schuldig, dem Erleger und dem Zweiterlagsgegner die mit je 188,02 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 31,34 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen

Begründung

Das Erstgericht nahm den vom Erleger für April 2014 erlegten Mietzins aufgrund des Antragsvorbringens an, der Antragssteller werde einerseits vom Insolvenzverwalter des Voreigentümers und anderseits vom grundbücherlichen Eigentümer des Hauses (Käufer) in Anspruch genommen. Dem Antrag lag ein Rechtsgutachten bei, welches die Ansicht vertrat, dass der zum Eigentumserwerb der Ersterlagsgegnerin führende Kaufvertrag ex tunc nichtig sei. Das Rekursgericht bestätigte den Annahmebeschluss unter Hinweis auf die unsichere Rechtsposition des Erlegers.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Ersterlagsgegnerin, die weiter die Abweisung des Erlagsgesuchs anstrebt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Die Revisionsrekurserwerberin vermag keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzuzeigen.

Ein Schuldner kann mit schuldbefreiender Wirkung aus den in § 1425 ABGB genannten Gründen und unter den aus dieser Gesetzesstelle ableitbaren Voraussetzungen die abzutragende Sache bei Gericht hinterlegen. Im Erlagsgesuch ist der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt; nicht ist hingegen zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist (RIS‑Justiz RS0112198). Nur wenn nach einer Schlüssigkeitsprüfung schon aus den Angaben des Erlegers hervorgeht, dass der von ihm benannte Erlagsgegner nicht Gläubiger des Erlegers sein kann, ist der Hinterlegungsantrag abzuweisen (4 Ob 6/14g mwN). Auch im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens darf nur die Schlüssigkeit überprüft werden (2 Ob 192/11s). Das Hinterlegungsgericht hat zu prüfen, ob im Erlagsantrag der Erleger und der Gläubiger, für den erlegt wird, sowie der Erlagsgegenstand und der Erlagszweck bezeichnet sind (8 Ob 71/09p; RIS‑Justiz RS0112198 [T13]). Auch Unklarheit der Rechtslage kann Grund zum Erlag sein (RIS‑Justiz RS0033545, RS0033610). Wird ein Erlagsgesuch damit begründet, dass mehrere Forderungsprätendenten auf den Erlagsgegenstand Anspruch erheben und der oder die wahren Gläubiger nicht mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln sind, dann gehört zur Schlüssigkeitsprüfung, ob die Angaben des Erlegers über die auf den Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich plausibel sind und auch schlüssig dargelegt wurde, die Ermittlung des richtigen Gläubigers bereite Schwierigkeiten (RIS‑Justiz RS0113469). Beim Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann berechtigt, wenn dem Schuldner objektiv nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, den in Ansehung seiner Leistung Berechtigten auch bei sorgfältiger Prüfung zu erkennen (RIS‑Justiz RS0033597). In diesem Sinn wurde etwa das aufwendige Studium von Literatur und Rechtsprechung zur Rechtslage als nicht zumutbar angesehen (3 Ob 190/03t; 2 Ob 651/85). Das Auftreten mehrerer Forderungsprätendenten berechtigt den Schuldner nicht zum gerichtlichen Erlag, wenn die konkurrierenden Ansprüche offenkundig unbegründet sind und dies für den Schuldner, vor allem wenn er rechtskundig ist, leicht erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0033644). Auch wenn aufgrund verschiedener, auch einander ausschließender Ansprüche die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Schuldners durch unterschiedliche Prätendenten besteht, kann eine Hinterlegung unter Umständen gerechtfertigt sein (5 Ob 245/11g mwN). Forderungsprätendent ist, wer Anspruch auf die „gleiche“ (oder eine) Gläubigerstellung erhebt (vgl RIS‑Justiz RS0118340, RS0033610, RS0033597, RS0033644). Bei einer Mehrzahl von Erlagsgegner sind die Voraussetzungen für den Gerichtserlag hinsichtlich jedes einzelnen Erlagsgegners darzulegen (RIS‑Justiz RS0113469 [T4], RS0033597).

Bei der Schlüssigkeitsprüfung der Voraussetzungen für ein Erlagsbegehren nach § 1425 ABGB sind aktenkundige Tatumstände zu berücksichtigen, sofern unter Zugrundelegung des Vorbringens der Parteien an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen. Ebenso kann zu berücksichtigen sein, dass der Inhalt einer Urkunde mit dem Vorbringen des Erlegers in unlösbaren Widerspruch steht (RIS‑Justiz RS0127187).

Sowohl bei der Beurteilung der Schlüssigkeit als auch bei Beurteilung der Frage, ob bestimmte Tatsachen vorgebracht wurden, sowie bei der Auslegung von Urkunden sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründen (vgl RIS‑Justiz RS0116144, RS0042828, RS0043415).

Zwar ist die Ersterlagsgegnerin als Liegenschaftseigentümerin im Grundbuch eingetragen, der Zweiterlagsgegner (gesetzlicher Vertreter der Voreigentümerin) behauptet aber unter Vorlage eines seine Ausführungen stützenden Rechtsgutachtens die rückwirkende Ungültigkeit des Liegenschaftskaufvertrags. Welcher der beiden Forderungsprätendenten tatsächlich Anspruch auf die erlegten Beträge hat, hängt von der Prüfung schwieriger gesellschaftsrechtlicher Fragen ab (unzulässige Einlagenrückgewähr). Die Beurteilung der Vorinstanzen der für den Erleger erkennbaren Rechtslage als unklar bzw die Aufklärung als unzumutbar, ist daher jedenfalls vertretbar. Dass der Erleger durch bloße Einsichtnahme in das Grundbuch Kenntnis von der Eigentümerstellung der Ersterlagsgegnerin erlangen hätte können, ändert daran nichts, weil diese Kenntnis die Rechtsunsicherheit in Ansehung einer allfälligen Rückabwicklung des Liegenschaftserwerbs wegen Unwirksamkeit des Verkaufs nicht beseitigt. Die in der Sphäre des früheren und des jetzigen Eigentümers und Vermieters liegenden Unsicherheiten und Risken sollen sich nicht zum Nachteil des zur Mietzinszahlung an sich bereiten Erlegers (Mieters) auswirken.

Die Revisionsrekurswerberin hat gemäß § 78 Abs 2 AußStrG dem Erleger und dem Zweiterlagsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen, zumal beide auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen haben.

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