Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 1.751,04 EUR (darin 291,84 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§§ 402, 78 EO, § 526 Abs 2 ZPO) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:
Das Rekursgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit bei einer Aktiengesellschaft.
Der Kläger ist mit 21,6 % des Grundkapitals Aktionär der beklagten Aktiengesellschaft und Mitglied deren Aufsichtsrats. Er begehrt im vorliegenden Verfahren die Feststellung, dass der Rahmenvertrag vom 29. 11. 2012, welcher die Grundlage des Projekts „Expansion Deutschland“ bilde, der Zustimmung der Hauptversammlung bedurft hätte, die Verpflichtung der Beklagten zur Vorlage sämtlicher in Durchführung dieses Rahmenvertrags erfolgten Akquisitionen von Hotels an die Hauptversammlung zu deren Zustimmung und die Unterlassung der Begründung weiterer rechtsgeschäftlicher, wenn auch bedingter Verpflichtungen in Durchführung dieses Rahmenvertrags ohne vorherige Zustimmung der Hauptversammlung. Er beruft sich dabei auf die „Holzmüller-Doktrin“ des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) zur ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit bei einer Aktiengesellschaft.
Mit seiner Klage verband der Kläger einen Sicherungsantrag dahin, der Beklagten weitere rechtsgeschäftliche Verpflichtungen in Umsetzung des Projekts „Expansion Deutschland“ auf Grundlage des abgeschlossenen Rahmenvertrags ohne Zustimmung der Hauptversammlung zu verbieten und ihr aufzutragen, ihre Vertragspartner aus dem Rahmenvertrag, aus den Kaufverträgen betreffend mehrere näher bezeichnete Hotels und aus Leasing- und anderen Finanzierungsvereinbarungen betreffend weitere Akquisitionen über die Erlassung der einstweiligen Verfügung zu informieren.
Diesen Antrag wiesen die Vorinstanzen nach Anhörung der Beklagten übereinstimmend ab.
Rechtliche Beurteilung
1. Kern der vom BGH entwickelten „Holzmüller‑Doktrin“ (II ZR 174/80 AG 1982, 158 [ Holzmüller ]; II ZR 155/02 AG 2004, 384 [ Gelatine ]) ist die Begründung einer ‑ vom Gesetz so nicht vorgesehenen ‑ zwingenden Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, wenn durch Strukturmaßnahmen die Rechte der Aktionäre maßgeblich beeinträchtigt werden und dadurch einerseits in die Vermögensposition, andererseits in die Herrschaftsposition eingegriffen wird ( Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesellschaftsrecht [2008] Rz 3/689; vgl auch Bachner in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG² [2012] § 103 Rz 28 ff; S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser , AktG 5 [2010] § 103 Rz 19 ‑ alle mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Literatur). Während der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 566/95 (ecolex 1996, 865 [ Elsner ]) die Anwendbarkeit dieser Doktrin für den österreichischen Rechtsbereich ausdrücklich offen gelassen und sich der österreichische Gesetzgeber anlässlich des Aktienrechts‑Änderungsgesetzes 2009 bei Neuerlassung des § 103 AktG dazu nicht geäußert hat (vgl ErläutRV 208 BlgNR 24. GP 17), wird die Frage einer Anwendbarkeit von der österreichischen Literatur nahezu einhellig befürwortet (vgl die weiteren Nachweise bei S. Bydlinski/Potyka aaO).
Einer Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zu dieser Frage bedarf es allerdings auch in diesem Provisorialverfahren nicht:
2. Der Kläger hat mit Schreiben vom 2. 4. 2013 einen Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung durch die Punkte 1. „Bericht zum Projekt Expansion Deutschland samt Bericht zum Erwerb der Hotels A***** und C*****“ und 2. „Sonderprüfung zum Projekt Expansion Deutschland (samt Prüfung des Erwerbs der Hotels A***** und C*****)“ eingebracht. Beide Punkte wurden auch in der Hauptversammlung abgehandelt, der Antrag auf Sonderprüfung wurde mehrheitlich abgelehnt. Zum ersten Punkt beantragte der Kläger ausdrücklich keine Beschlussfassung.
2.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 1 Ob 566/95 ‑ durchaus vor dem Hintergrund der „Holzmüller-Doktrin“ ‑ klargestellt, dass das österreichische Aktiengesetz keine initiativen Weisungen anderer Gesellschaftsorgane an den Vorstand kennt; gemäß § 95 Abs 5 AktG können die Satzung oder der Aufsichtsrat bloß bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit dessen Zustimmung vorgenommen werden dürfen; die Hauptversammlung kann gemäß § 103 Abs 2 AktG über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn dies der Vorstand oder, sofern es sich um ein gemäß § 95 Abs 5 AktG seiner Zustimmung vorbehaltenes Geschäft handelt, der Aufsichtsrat verlangt; der Vorstand ist dann insoweit in der gleichen Lage wie ein Weisungsempfänger, obzwar im Gegensatz zu diesem die Initiative von ihm selbst ausgegangen ist; die Hauptversammlung kann nach dieser Bestimmung selbst allerdings nicht initiativ werden.
Damit im Einklang geht die Literatur auch im Zusammenhang mit ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen davon aus, dass den Vorstand die Pflicht trifft, Maßnahmen von besonderer Bedeutung der Hauptversammlung zur Entscheidung vorzulegen ( S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser , AktG 5 § 103 Rz 19).
2.2 Kommt der Vorstand ‑ die Geltung der „Holzmüller-Doktrin“ in Österreich unterstellt ‑ dieser Verpflichtung nicht nach, so ist trotz der Nähe zu den ausdrücklich normierten Hauptversammlungszuständigkeiten eine Außenwirkung der Geschäftsführungsmaßnahmen auch bei fehlender Beschlussfassung der Hauptversammlung anzunehmen, also dennoch nicht deren mangelnde Wirksamkeit (BGH aaO; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer , Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 3/690; Bachner in Doralt/Nowotny/Kalss , AktG² § 103 Rz 35). Daraus folgt, dass sich der Vorstand, der handelt, ohne die Beschlussfassung der Hauptversammlung herbeigeführt zu haben, gegenüber der Gesellschaft verantwortlich macht und Schadenersatzansprüchen ausgesetzt ist ( Kalss aaO).
3. Der Kläger stützt sein Provisorialbegehren auf § 381 Z 2 2. Fall EO, wonach zur Sicherung anderer Ansprüche einstweilige Verfügungen zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen. Als unwiederbringlich kann ein Schaden dabei nur dann bezeichnet werden, wenn die Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung des Geldersatzes dem angerichteten Schaden nicht völlig adäquat ist (RIS‑Justiz RS0005275 [T13]). Handelt es sich um bloße, auch abschätzbare Vermögensschäden, so liegt kein unwiederbringlicher Schaden vor, sofern der Gegner nicht zahlungsunfähig ist (RIS-Justiz RS0005275 [T16]). Weder die beklagte Aktiengesellschaft noch deren Vorstand(smitglieder) sind zahlungsunfähig.
Nach der Rechtsprechung stellen die sich aus der Verweigerung der Vollziehung von Gesellschafterbeschlüssen ergebenden möglichen Schäden noch keine konkrete Gefährdung dar, aus der sich die Bescheinigung eines unwiederbringlichen und nicht rückversetzbaren Schadens ergibt (9 Ob 40/99v; 6 Ob 52/08b). Dieser Grundsatz ist auch auf die hier zu beurteilende ‑ spiegelbildliche ‑ Konstellation zu übertragen. Abgesehen davon belässt es der Kläger in seinem Sicherungsantrag dabei, den (angeblich) unwiederbringlichen Schaden mit Befürchtungen und Vermutungen zu untermauern; es müssten aber Umstände behauptet und bescheinigt werden, die die Annahme eines unwiederbringlichen Schadens rechtfertigen, wobei abstrakte oder theoretische Möglichkeiten eines Schadens nicht genügen (17 Ob 23/11y; 3 Ob 59/12s). Die im Sicherungsantrag angeführte Insolvenzgefahr bei Finanzierung mehrerer Hotelakquisitionen bis 31. 12. 2013 ist im Übrigen ganz offensichtlich nicht schlagend geworden. Und schließlich ist auch nicht ersichtlich, warum Haftungen der Beklagten im Zusammenhang mit den Akquisitionen zu deren Nachteil schlagend werden sollen, stehen diesen doch Vermögenswerte in Form der erworbenen Hotels und Beteiligungen gegenüber; dass diese keine entsprechenden Gegenwerte aufweisen würden, hat der Kläger weder im Provisorialantrag noch im Revisionsrekursverfahren behauptet.
4. Damit haben aber die Vorinstanzen den Sicherungsantrag zutreffend abgewiesen; die Gefahr des Eintritts eines unwiederbringlichen Schadens konnte der Kläger nicht bescheinigen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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