OGH 1Ob152/14f

OGH1Ob152/14f18.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der zu AZ 3 Nc 11/14x des Landesgerichts Eisenstadt anhängigen Verfahrenshilfesache der Antragstellerin DI D***** G*****, wegen Delegierung, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 11. Juli 2014, GZ 14 Nc 22/14p‑3, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00152.14F.0918.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Amtshaftungsklage, wobei sie ihre Ersatzansprüche aus fehlerhaftem Organverhalten zweier Staatsanwälte der Staatsanwaltschaft Eisenstadt ableitet. Gleichzeitig beantragte sie die Delegierung ihrer Verfahrenshilfesache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, welches „für die Finanzprokuratur und für mich als zukünftige Parteien sehr geeignet“ sei. Es handle sich um den letzten von insgesamt 10 Verfahrenshilfeanträgen zu einem sehr komplexen Sachverhalt, der sich zwei Jahre an mehreren Orten und Institutionen mit sehr verschiedenen Akteuren ereignet habe. Die rechtlich erwünschte und kostengünstige, wenn auch nicht vollständige Verfahrenskonzentration, könne leider nur nachträglich durch Delegation und Zusammenführung von Verfahren erfolgen. Eine angestrebte Verfahrensverbindung stelle einen konkreten Zweckmäßigkeitsgrund nach § 31 JN dar.

Das Landesgericht Eisenstadt erklärte bei seiner Vorlage des Delegierungsantrags, es könne nicht beurteilen, inwieweit für die Antragstellerin eine Verfahrensführung in Wien zweckmäßiger oder mit einer wesentlichen Erleichterung verbunden wäre.

Das Oberlandesgericht Wien wies den Delegierungsantrag ab. Eine Delegierung nach § 31 Abs 1 JN solle grundsätzlich nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls solle durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Zielsetzung der Delegation sei eine wesentliche Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie eine Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit. Hier sei zu berücksichtigen, dass vorerst nur über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Amtshaftungsklage zu entscheiden ist. Die Frage der Zweckmäßigkeit einer Delegierung lasse sich schon deshalb nicht eindeutig zugunsten der Antragstellerin beantworten, weil in diesem Verfahren ihre Einvernahme bzw eine Einvernahme einer Vertreterin des möglichen künftigen Prozessgegners nicht erforderlich sei. Im Übrigen könne nicht unbedingt davon ausgegangen werden, dass es in diesem Verfahren bei einer Delegation tatsächlich zu einer „Prozessverbindung“ komme, auch wenn bereits zwei Verfahren über Verfahrenshilfeanträge der Antragstellerin beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien anhängig seien.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluss erhobene Rekurs der Antragstellerin ist jedenfalls zulässig, ist doch das Oberlandesgericht Wien bei seiner Entscheidung über den Delegierungsantrag funktionell als Gericht erster Instanz tätig geworden (vgl nur RIS‑Justiz RS0116349), aber nicht berechtigt.

Wie schon das Oberlandesgericht Wien in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, kann gemäß § 31 Abs 1 JN aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden, wobei derartige Zweckmäßigkeitsgründe insbesondere in einer wesentlichen Verkürzung und/oder Verbilligung des Verfahrens sowie einer Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit liegen können (vgl nur RIS‑Justiz RS0046333 [T6]).

Diese Voraussetzungen werden bei der Entscheidung über einen Verfahrenshilfeantrag selten vorliegen, wird dieses Verfahren doch einerseits einseitig und andererseits in aller Regel schriftlich abgeführt, womit es für den Verfahrensaufwand des Verfahrenshilfewerbers keinen Unterschied macht, ob die Entscheidung durch das zuständige Gericht erfolgt oder einem anderen Gericht übertragen wird. Aber auch wenn es im Einzelfall erforderlich sein sollte, den Antragsteller zum persönlichen Erscheinen zu veranlassen, um Unklarheiten oder Unvollständigkeiten im Verfahrenshilfeantrag zu beseitigen, wird die Anreise zum an sich zuständigen Gericht in aller Regel zu keinem erheblichen Mehraufwand der Partei führen, der eine Delegation rechtfertigen würde. Im vorliegenden konkreten Fall hätte die Rekurswerberin von B***** nach Eisenstadt anzureisen, was gegenüber einer Anreise nach Wien keine ins Gewicht fallende Erschwernis bedeutet. Im Übrigen ist im derzeitigen Verfahrensstadium noch keinesfalls klar, ob eine Ergänzung des Verfahrenshilfeantrags erforderlich sein wird und ob diese nicht ohnehin auf schriftlichem Wege erfolgen kann.

Insgesamt vermag die Rekurswerberin der Argumentation des Oberlandesgerichts Wien nichts Entscheidendes entgegenzusetzen. Ihre Auffassung, die Delegierung der Entscheidung über ihren Verfahrenshilfeantrag sei eine notwendige Vorstufe für die spätere zweckmäßige Delegierung der beabsichtigten Schadenersatzklage, ist unrichtig. Im derzeitigen Verfahrensstadium ist noch ganz offen, ob die Verfahrenshilfe bewilligt wird und es tatsächlich zu einer Klageerhebung kommen wird. Sollte die beabsichtigte Amtshaftungsklage in Zukunft eingebracht werden, steht es der Antragstellerin frei, eine Delegierung des Zivilprozesses nach Wien zu begehren, wenn sie der Auffassung ist, dadurch käme es ‑ etwa durch die Verbindung mit bereits anhängigen Prozessen ‑ zu einer Erleichterung und/oder Verbilligung der Verfahrensführung.

Davon, dass der angefochtene Beschluss wegen des Vorliegens einer bloßen Scheinbegründung am Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO leiden würde, kann nicht im Entferntesten die Rede sein.

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