European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00146.14K.0917.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Begründung:
Zur Vorgeschichte kann auf die in dieser Sache bereits ergangenen Entscheidungen des erkennenden Senats 6 Ob 122/12b sowie 6 Ob 71/13d verwiesen werden.
Im Mai 2013 erfolgte eine Rückführung des mj Leon nach Bosnien und Herzegowina. Mit Urteil des Kantonalgerichts in Novi Travnik, Bosnien und Herzegowina, vom 25. 10. 2013 wurde aufgrund eines Rechtsmittels der Kindesmutter gegen das die alleinige Obsorge dem Kindesvater zusprechende Urteil des Gemeindegerichts die alleinige Obsorge der Kindesmutter zugesprochen. Dem Kindesvater wurde ein Besuchsrecht eingeräumt.
Seit Mitte November 2013 hält sich die Kindesmutter mit dem mj Leon wieder in Österreich auf. Am 2. 1. 2014 beantragte der Kindesvater dessen Rückführung.
Das Erstgericht wies diesen Antrag zurück. Aufgrund der rechtskräftigen bosnischen Obsorgeentscheidung halte sich die Mutter nun mit dem mj Leon berechtigt in Österreich auf. Der Verweis auf Art 17 HKÜ gehe fehl, weil die Obsorgeentscheidung in Bosnien erst nach Abschluss des HKÜ‑Verfahrens in Österreich getroffen worden sei; das HKÜ‑Verfahren sei daher bereits abgeschlossen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es den Antrag des Vaters abwies. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Die vorläufige Sorgerechtsentscheidung sei vom Heimatstaat und nicht vom Entführungsstaat getroffen worden, sodass Art 16 HKÜ nicht greife.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss erhobene Revisionsrekurs des Kindesvaters ist nicht zulässig.
Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656).
Art 16 HKÜ sieht eine sogenannte Sperrwirkung vor, nach der von einem Gericht im Entführungsstaat nach Eingang einer Mitteilung über die Entführung keine Sachentscheidung über das Sorgerecht mehr getroffen werden darf. Art 17 HKÜ sieht vor, dass für den Fall, dass zwischen Entführung und Rückgabe bereits eine Sorgerechtsentscheidung im Entführungsstaat getroffen wurde oder eine solche anzuerkennen ist, dies keinen Grund darstellt die Rückführung zu verweigern. Diese Bestimmungen stehen naturgemäß einer Sorgerechtsentscheidung im Herkunftsstaat nicht im Wege. Fällt eine solche zugunsten des entführenden Elternteils aus, so ist der Rückführungsantrag abzuweisen (vgl LGZ Wien EFSlg 85.070; Nademleinsky/Neumayr , Internationales Familienrecht Rz 9.20).
Die weitere Argumentation des Revisionsrekurswerbers, nach bosnischem Recht stehe ihm ein Recht zur (Mit‑)Bestimmung des Aufenthaltsorts des Kindes zu, geht ins Leere, ergibt sich doch aus den einschlägigen bosnischen Bestimmungen, insbesondere Art 142 Abs 8 iVm Abs 3 des Familiengesetzes der Föderation von Bosnien und Herzegowina nur ein Informationsrecht des Vaters und kein Mitbestimmungsrecht. Ein solches ist auch nicht aus der bosnischen Obsorgeentscheidung ableitbar.
Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurswerber daher keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
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