OGH 11Os72/14v

OGH11Os72/14v16.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2014 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel und Mag. Fürnkranz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Breuß als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manuel T***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. März 2014, GZ 54 Hv 151/13i‑41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00072.14V.0916.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manuel T***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er mit dem Vorsatz, sich „und/oder Dritte“ durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe ein (rück‑)zahlungswilliger und ‑fähiger Geschäftspartner zu sein, vereinnahmte Gelder sicher und gewinnbringend zu veranlagen, über eine entsprechende Qualifikation und langjährige Erfahrung im Bereich der gewinnbringenden Investition und Veranlagung von Geld auch in Millionenhöhe sowie über einen durch den Abschluss eines ordentlichen Studiums erworbenen akademischen Grad des Magisters der Wirtschaftsuniversität Wien zu verfügen, zur Zuzählung und Überweisung von Geldbeträgen, die diese in einem 50.000 Euro übersteigenden Gesamtbetrag am Vermögen schädigten, verleitet, und zwar

(I) Georg F***** in Wien am

1) 12. April 2007 zur Überweisung von 42.000 Euro auf ein Anderkonto des Manuel T***** bei Rechtsanwalt Dr. G*****;

2) 23. Mai 2007 zur Überweisung von 120.000 Euro auf ein Anderkonto des Manuel T***** bei Rechtsanwalt Dr. G*****;

3) 9. August 2007 zur Übergabe von 30.000 Euro;

4) 28. Jänner 2008 zur Übergabe von 3.000 Euro;

(II) Heinz und Maria E***** in K***** am

1) 30. Oktober 2008 zur Übergabe von 10.000 Euro;

2) 3. November 2008 zur Übergabe von drei Sparbüchern mit einer Einlage von insgesamt 14.755,50 Euro und zur Bekanntgabe der Losungsworte, wobei Manuel T***** das Guthaben behob und sich zueignete;

3) 9. April 2009 zur Übergabe von 3.000 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO.

Der ‑ ohne Fundstellenbezeichnung ausgeführten (RIS‑Justiz RS0124172) ‑ Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 40 S 63 f) des ‑ zum Beweis „für die Werthaltigkeit der Beteiligung des Hr. F***** in Höhe von rund 472.000 Euro“ ‑ gestellten Antrags auf Vernehmung namentlich genannter, teils im Ausland aufhältiger und als Rechtsanwälte tätiger Personen als Zeugen (deren ladungsfähige Anschriften zum Teil nicht genannt wurden; ON 40 S 60 f) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Denn inwieweit der alleinige Nachweis der angeblichen „Werthaltigkeit“ von Anteilen ohne gleichzeitige (weil zur Herstellung des Betrugstatbestands bloß vorübergehenden Vermögensminderung während eines wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraums genügt; Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 74) Darlegung jederzeitiger Verwertbarkeit der Anteile geeignet wäre, ein den von Georg F***** geleisteten Zahlungen (die nach dem Ersturteil auch bis zu dessen Fällung nicht rückgeführt wurden ‑ US 15) entsprechendes wirtschaftliches Äquivalent und nicht bloß eine aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen wertlose Forderung (Kirchbacher in WK2 StGB § 146 Rz 67) zu bilden, wurde nicht dargetan (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 327 ff). Warum aus einer angeblich werthaltigen Beteiligung des Georg F***** (hier zufolge mannigfachen Täuschungsverhaltens auch nicht entscheidende) „ständige Zahlungsfähigkeit“ des Angeklagten folgen soll (ON 40 S 61), bleibt überdies unklar.

Ebenso mit Recht unterblieb die begehrte Vernehmung von zwei Rechtsanwälten als Zeugen „zum Beweis für den Ablauf des Verfahrens gegen die Finanzmarktaufsicht und zum Beweis dafür, was Grundlage war für den Streitwert vor dem Verfassungsgerichtshof und die nachfolgende Einschränkung des Streitwertes“, wobei sich „die Relevanz“ daraus ergebe, „dass der Angeklagte gegenüber Hr. F***** keine falschen Angaben gemacht hat und ihn nicht darüber getäuscht hat, dass er durch eine Beteiligung an der GB***** besser gestellt war, als mit einer rein schuldrechtlichen Vereinbarung“ (ON 40 S 61).

Denn aus welchem Grund Personen mit verfahrensbezogenem Wissen ‑ und nur das wäre entscheidungserheblich ‑ verlässliche Auskünfte zu Angaben des Angeklagten gegenüber Georg F***** vor den gegenständlichen Vermögensverfügungen und zu seiner Rückzahlungswilligkeit geben könnten, wurde nicht dargelegt.

Das die Beweisanträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen. Im Übrigen haben sich die Tatrichter mit den vorgelegten Urkunden (Beilagen I. bis V.) ohnedies auseinandergesetzt (US 11, US 16).

Aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) ist ein Urteil, wenn es den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431).

Dies verkennt die ‑ ebenso überwiegend ohne Aktenfundstellen ausgeführte (RIS‑Justiz RS0124172) - Mängelrüge (Z 5 fünfter Fall), wenn sie einen Widerspruch zwischen den Feststellungen, wonach der Angeklagte, der seine damals angespannte finanzielle Situation gegenüber Georg F***** verschwieg (US 4), zahlungsunfähig war (US 10 f) und die Opfer irrtumsbedingt zu den vermögensschädigenden Handlungen verleitete (US 8), und der (berücksichtigten; US 10) Aussage des Angeklagten, wonach er zufolge einer „gesellschaftsrechtlichen Beteiligung in den USA“ „aufgrund eines Freundes“ über Vermögen in der Größenordnung von 2,5 Mio USD verfüge (ON 40 S 4), behauptet.

Soweit der Beschwerdeführer aus seiner leugnenden Verantwortung für sich günstigere Schlüsse zieht, bekämpft er bloß unzulässig die logisch und empirisch einwandfreie tatrichterliche Beweiswürdigung (US 9 ff; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 468). Weshalb ein behauptetes Gründungskapital der A*****, Inc. („AI*****“) von 6.125.000 USD im Jahr 2005 einer angespannten finanziellen Situation des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten entgegen stehen soll, macht die Rüge nicht klar.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider gingen die Tatrichter nicht von einer Fälschung der „vorgelegten Unterlagen“ aus, sondern konnten ‑ unter Berücksichtigung einer Verurteilung des Angeklagten wegen der Fälschung eines Wechsels (Landesgericht für Strafsachen Wien vom 31. Juli 2003, AZ 73 Hv 21/03x) und der Aussage des Georg F***** ‑ bloß nicht ausschließen, dass der Angeklagte die Unterschrift des Genannten auf einer Urkunde vom 20. November 2007 fälschte oder fälschen ließ (US 14). Mit der Behauptung, das Erstgericht hätte den Angeklagten mit dieser Einschätzung konfrontieren müssen, wird kein Begründungsmangel zu Feststellungen über entscheidende Tatsachen im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes aufgezeigt.

Soweit der Beschwerdeführer in Ansehung der (dislozierten) Feststellung zu seiner Zahlungsunfähigkeit mit Ausführungen zur Bedeutung der Anzahl der gegen ihn geführten Exekutionsverfahren eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) releviert, spricht er zufolge festgestelltem mannigfaltigen Täuschungsverhalten keine entscheidende Tatsache (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 398) an. Im Übrigen geht er nicht von der Gesamtheit der Entscheidungsgründe aus (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 394) und bekämpft mit eigenen, den Urteilsannahmen gegenübergestellten Erwägungen unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 451).

Gleiches gilt für den Verweis auf ein über das Internet erreichbares amtliches Register, aus dem eine Registrierung der „AI*****“ mit einem Nominalkapital von 350 Millionen USD zum unmaßgeblichen Zeitpunkt am 15. November 2005 ersichtlich sein soll, und für Spekulationen über die Integrität der an dieser Eintragung beteiligten Personen. Im Übrigen haben sich die Tatrichter mit den Angaben des Beschwerdeführers zu seinen (behaupteten) Gesellschaftsbeteiligungen in den USA und in Deutschland ohnedies auseinandergesetzt (US 10).

Entgegen dem weiteren Vorbringen besteht kein Widerspruch in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO zwischen der Annahme, dem Angeklagten wäre ein Georg F***** betreffendes „Unterjubeln“ der Urkunde vom 20. November 2007 zuzutrauen (US 14), und dem (erneut ohne Angabe von Fundstellen relevierten) „Akteninhalt“ zur Sehkraft des Genannten und zu der durch ihn erfolgten Übermittlung der in Rede stehenden Urkunde an Rechtsanwalt Dr. G*****. Im Übrigen wird auch im Rechtsmittel zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Übermittlung erst am 4. März 2008, somit mehr als vier Monate nach dem fraglichen Abschluss der Vereinbarung erfolgt sein soll. Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) behauptet, legt sie wiederum nicht dar, welche in der Hauptverhandlung vorgekommene konkrete Aussage oder Urkunde in ihrem wesentlichen Teil unrichtig oder unvollständig in den Entscheidungsgründen zitiert worden sein soll.

Ob der Angeklagte „in den ersten Monaten des Jahres 2008 'abgetaucht'“ war, ist schließlich nicht entscheidend. Die Rüge versucht vielmehr erneut unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen.

Bleibt anzumerken, dass die dem gegenständlichen Schuldspruch zu Grunde liegenden Taten jeweils vor dem am 12. April 2010 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. April 2009, GZ 95 Hv 73/08p‑106, liegen, mit welchem der Angeklagte des Vergehens nach §§ 111 Abs 1 und 2, 116 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (US 3). Die demnach entgegen § 31 Abs 1 StGB rechtsfehlerhaft unterbliebene Verhängung einer Zusatzstrafe begründet ‑ vom Angeklagten nicht geltend gemachte ‑ Nichtigkeit des Strafausspruchs nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO.

Zu einem amtswegigen Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 StPO sieht sich der Oberste Gerichtshof angesichts der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe (ON 44) nicht veranlasst, weil nach § 283 Abs 1 StPO auch der nichtige Strafausspruch eines Kollegialgerichts vom Oberlandesgericht abgeändert werden kann (Ratz in WK² StGB § 31 Rz 18; Ratz, WK‑StPO § 283 Rz 1; RIS‑Justiz RS0109969, RS0122140, RS0119220).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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