European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00074.14T.0911.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 26. 11. 2011 waren der Kläger, der Beklagte sowie ein weiteres Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr in O***** damit beschäftigt, für den Weihnachtsmarkt einen Verkaufsstand der Feuerwehr aufzubauen. Der Beklagte war damals Kommandant der Feuerwehr. Er bediente einen Hubstapler, der der Freiwilligen Feuerwehr gehörte. Dieser hat keine Nummerntafel und darf mit einer maximalen Geschwindigkeit von 10 km/h gefahren werden. Während der Aufbauarbeiten ergab sich die Notwendigkeit, aus dem ca 600 m entfernten Feuerwehrhaus Gegenstände zu holen. Der Beklagte wollte das mit dem Hubstapler erledigen, wobei ihm der Kläger und das weitere Feuerwehrmitglied helfen sollten. Damit diese sich den Fußweg ersparten, kletterten sie auf den Hubstapler, ohne dass der Beklagte dem widersprochen hätte. Nachdem der Hubstapler die Absperrung zur öffentlichen Straße passiert hatte, stürzte plötzlich der Kläger auf die Straße und verletzte sich schwer.
Mit Bescheid vom 12. 9. 2012 anerkannte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Unfall als Arbeitsunfall gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG.
Der Kläger begehrte zuletzt die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftige Schadenersatzansprüche aus dem Unfall im Ausmaß von zwei Drittel sowie 1.380 EUR an vermehrten Bedürfnissen (Pflegekosten) und Aufenthaltskosten sowie 1.007,73 EUR an Fahrtkosten (Besuchsfahrten der Ehefrau).
Er gestand ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Drittel zu und brachte vor, es habe sich um keinen Einsatz der Feuerwehr und keine Tätigkeit für die Gemeinde gehandelt. Das überwiegende Verschulden träfe den Beklagten, der im Gegensatz zum Kläger eine Schulung und Prüfung in der Verwendung des Hubstaplers habe.
Der Beklagte bestritt und wandte ein, der Kläger habe die Folgen seines Sturzes selbst zu verantworten. Der Unfall sei im Rahmen eines Feuerwehreinsatzes geschehen. Dem Beklagten komme als Feuerwehrkommandanten das Haftungsprivileg des ASVG zugute. Die Mitnahme des Klägers auf dem Stapler sei alleine auf dessen Entschluss zurückzuführen. Er habe die Gefahr bewusst in Kauf genommen.
Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab, weil dieses für körperliche Schäden begehrt werde und insoweit dem Beklagten das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugute komme; die Ausnahme gemäß Abs 3 komme mangels Versicherungspflicht nicht zum Tragen. Dem Leistungsbegehren gab es dagegen unter Zugrundelegung eines Mitverschuldens von 1 : 1 teilweise statt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die ordentliche Revision zu, weil in Bezug auf § 333 Abs 4 ASVG zur Funktion des Feuerwehrkommandanten als gesetzlichem Vertreter keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege. Im Zusammenhang mit dem nach § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG anerkennenden Bescheid der AUVA sei fraglich, ob das Berufungsgericht noch die Voraussetzungen des § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG zu prüfen gehabt habe.
In seiner Revision bezeichnet der Kläger als erhebliche Rechtsfrage, ob die Feuerwehr als Körperschaft öffentlichen Rechts ein Unternehmen im Sinn des § 333 Abs 4 ASVG darstelle, und meint, dass das nicht der Fall sei, weil Unternehmen grundsätzlich auf Gewinn ausgerichtet seien, dies bei der Freiwilligen Feuerwehr aber nicht der Fall sei. Auch resultiere aus den Feststellungen, wonach der Beklagte das Holen weiterer Gegenstände vom Feuerwehrhaus mit dem Hubstapler erledigen habe wollen und ihm der Kläger und ein weiteres Feuerwehrmitglied dabei helfen sollten, keine Anordnung und kein Auftrag des Feuerwehrkommandanten gegenüber den beiden Feuerwehrmitgliedern und daher in der konkreten Situation kein Tätigwerden des Beklagten in seiner Eigenschaft als Feuerwehrkommandant. Es komme ihm daher das Haftungsprivileg nicht zustatten. Überdies habe die AUVA den Arbeitsunfall gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit a ASVG anerkannt, das Berufungsgericht die Tatbestandsmäßigkeit dieser Bestimmung aber verneint und dagegen § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG geprüft. Insoweit gebe es aber keine Feststellungen und kein Vorbringen. Die diesbezüglichen Rechtsausführungen des Berufungsgerichts seien mit den Parteien nicht erörtert worden und überraschend. Letztlich stelle ein Weihnachtsmarkt keine Tätigkeit im Zusammenhang mit dem satzungsmäßigen Wirkungsbereich einer Freiwilligen Feuerwehr dar.
Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ab:
1. Mit dem vom Berufungsgericht angeschnittenen Bindungsproblem befasst sich der Revisionswerber nicht (implizit verneint er wie das Berufungsgericht eine Bindung), weshalb auf die zweite Zulassungsfrage nicht einzugehen ist.
2. Gemäß § 1 Abs 2 UGB ist ein Unternehmen jede auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.
Dass Gewinnerzielungsabsicht keineswegs Tatbestandmerkmal der Einstufung als Unternehmen ist, ergibt sich somit bereits aus dieser Bestimmung. Dass dies speziell im Zusammenhang mit § 333 Abs 4 ASVG anders sein sollte, behauptet auch der Revisionswerber nicht.
3. Gemäß § 333 Abs 1 Satz 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit vorsätzlich verursacht hat.
Dies gilt nach Abs 4 leg cit auch für Ersatzansprüche Versicherter und ihrer Hinterbliebenen gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers und gegen Aufseher im Betrieb.
Voraussetzung für das Eingreifen des Haftungsprivilegs ist daher einerseits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls (bzw hier das Vorliegen eines gemäß § 176 Abs 1 Z 7 lit a oder b einem Arbeitsunfall gleichgestellten Unfalls) und das Vorliegen der Eigenschaft als gesetzlicher oder bevollmächtigter Vertreter oder Aufseher im Betrieb.
Dass der Feuerwehrkommandant vertretungsbefugtes Organ der Freiwilligen Feuerwehr ist und die Freiwillige Feuerwehr ihrerseits eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ergibt sich aber direkt aus den §§ 4 und 38 des Niederösterreichischen Feuerwehrgesetzes (NÖ‑FG).
Dagegen ist es keine gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung des Haftungsprivilegs des § 333 ASVG, dass die konkrete zum Unfall führende Tätigkeit aufgrund eines bestimmten Befehls oder einer Anordnung des gesetzlichen Vertreters des Unternehmers ‑ somit hier des Feuerwehrkommandanten ‑ erfolgte.
4. Soweit der Revisionswerber eine Mangelhaftigkeit des Berufungsgerichts im Sinn einer Überraschungsentscheidung geltend macht, weil die Aufstellung der Verkaufshütte nicht zum satzungsgemäßen Wirkungsbereich der Freiwilligen Feuerwehr gehöre, ist er auf den Schriftsatz ON 7 zu verweisen, in dem der Beklagte ausdrücklich vorgebracht hat, dass die Freiwillige Feuerwehr grundsätzlich zur Erhaltung ihrer Einsatzbereitschaft auf Zuwendungen Dritter angewiesen sei und daher die Mitwirkung bei der Mittelbeschaffung der Wahrnehmung ihrer Aufgaben diene. Der Lukrierung solcher Geldzuwendungen habe im vorliegenden Fall der Betrieb des Verkaufsstands gedient.
5. Nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG sind Arbeitsunfällen solche Unfälle gleichgestellt, die sich bei Tätigkeiten ereignen, die unter anderem Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren im Rahmen ihres gesetzlichen oder satzungsgemäßen Wirkungsbereichs ausüben, wenn sie ‑ was der Kläger hier nicht in Frage stellt ‑ für diese Tätigkeiten keine Bezüge erhalten und in die Zusatzversicherung in der Unfallversicherung einbezogen sind und einen Antrag gemäß § 22a Abs 4 erster Satz ASVG stellen.
Der Zweck der Bestimmung liegt nach der bestehenden höchstgerichtlichen Judikatur darin, weitere Tätigkeiten in den Unfallversicherungsschutz einzubeziehen, die zuvor nicht geschützt gewesen sind, weil sie nicht unter „Ausbildung, Übung oder Einsatz“ subsumierbar sind, sondern im Rahmen der institutionellen Gefahrenhilfe diesen Verrichtungen vorangehen oder nachfolgen (10 ObS 70/12k mit Verweis auf 10 ObS 63/07y und mwN).
Konkret wurde der Unfallversicherungsschutz als gegeben angesehen für die Teilnahme eines Mitarbeiters des Roten Kreuzes an einer Besprechung zur Vorbereitung eines Grillfestes, das der Kontaktpflege und dem Meinungsaustausch mit befreundeten anderen Hilfsorganisationen, mit denen eine Zusammenarbeit bestand, dienen sollte und daher zu den in der Satzung näher umschriebenen Aufgaben des Roten Kreuzes gehöre (10 ObS 153/07h).
Dagegen wurde eine spontan stattgefundene Jause von Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr ohne speziellen Zweck nach einem Einsatz als nicht vom Unfallversicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 7 lit b ASVG umfasst angesehen (10 ObS 63/07y). Ebenso wurde in 10 ObS 70/12k die Teilnahme an einem Schiausflug einer Jugendgruppe des Roten Kreuzes, der zur Förderung des Zusammengehörigkeitsgefühls und sozialen Gefüges der Gruppe diente, nicht als unter Unfallversicherungsschutz fallend erkannt, weil der Schiausflug weder der Öffentlichkeitsarbeit noch der Beschaffung von Geldmitteln für die Tätigkeit der Hilfsorganisation oder der Gewinnung neuer Mitglieder gedient habe.
Im Hinblick auf diese bestehende Vorjudikatur ist die Bewertung des Berufungsgerichts, dass hier die Tätigkeiten zur Errichtung eines Verkaufsstands für einen Weihnachtsmarkt unter Unfallversicherungsschutz fallen, auch dann als vertretbar anzusehen, wenn Feststellungen darüber, dass der Erlös aus dem Betrieb des Verkaufsstands der Finanzierung der Freiwilligen Feuerwehr diente, nicht explizit getroffen wurden. Dafür, dass diese Mittel irgendeinem anderen Zweck zugeführt werden sollten oder worden wären, fehlen jegliche Hinweise.
6. Da sich somit auch sämtliche in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen entweder direkt aus dem Gesetz beantworten lassen oder im Rahmen der bestehenden Judikatur gelöst wurden, ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Beklagte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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