OGH 14Os83/14h

OGH14Os83/14h11.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Anscheringer als Schriftführer in der Strafsache gegen Zenelj N***** und Ramush R***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Zenelj N***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 13. Mai 2014, GZ 41 Hv 19/14x‑65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im beide Angeklagte betreffenden Schuldspruch B und demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im die „sichergestellten Suchtgiftutensilien“ betreffenden Einziehungserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Zenelj N***** und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Zenelj N***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Zenelj N***** und Ramush R***** der Verbrechen des Suchtgift-handels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I/1), nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/I/2) und nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II) sowie des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach haben sie in S***** und andernorts

(A) vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

I) im einverständlichen Zusammenwirken mit einem unbekannten Mittäter einem verdeckten Ermittler

1) am 26. Oktober 2013 angeboten, nämlich 1.000 Gramm Heroin (400 Gramm Reinsubstanz);

2) am 27. Oktober 2013 überlassen, nämlich 972,04 Gramm Heroin (388 Gramm Reinsubstanz);

II) vor der zu A/I/2 genannten Tat als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB von der Schweiz über Frankreich und Deutschland nach Österreich eingeführt, wobei Zenelj N***** Standortdaten für die Übergabe von 972,04 Gramm Heroin (388 Gramm Reinsubstanz) an einen verdeckten Ermittler an unbekannt gebliebene Suchtgiftkuriere übermittelte und Ramush R***** das Geschäft mit dem verdeckten Ermittler anbahnte;

(B) sich seit 23. Oktober 2013 „durch die unter A beschriebenen Taten“ an einer kriminellen Vereinigung beteiligt.

Nur gegen Schuldspruch B richtet sich die nominell auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a (der Sache nach Z 10) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Zenelj N*****, der Berechtigung zukommt.

Sie zeigt zutreffend auf, dass den Entscheidungsgründen keine hinreichende Sachverhaltsgrundlage für die Subsumtion des Täterverhaltens nach § 278 Abs 1 StGB zu entnehmen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Annahme der Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung als deren Mitglied (§ 278 Abs 1 StGB) setzt nämlich Feststellungen zu sämtlichen der in Abs 2 dieser Bestimmung genannten Vereinigungsmerkmalen voraus, und zwar zu einem auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der

Vereinigung ein oder mehrere Verbrechen (oder andere in §

278 Abs 2

StGB aufgezählte strafbare Handlungen) ausgeführt werden.

Mit dem Hinweis der Tatrichter auf das Bestehen „einer kriminellen Vereinigung, zu welcher insbesondere auch ‚I*****’, N*****, ‚P*****’ und zwei nicht namentlich genannte Suchtgiftkuriere gehören“, die sich „wegen Handelns mit Suchtgiften“ zusammengeschlossen haben (US 4 zweiter Absatz und US 7 zweiter Absatz; vgl auch US 9 f), werden keine Konstatierungen zum zeitlichen Element getroffen, wonach diese Vereinigung (nicht bloß faktisch, sondern aufgrund korrespondierender ‑ zumindest konkludenter ‑ Willensäußerungen) auf längere Dauer angelegt ist (RIS-Justiz RS0125232; Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 8 ff), worauf die Beschwerde mit Recht verweist.

Darüber hinaus stellt weder die Feststellung des intendierten „Handelns mit Suchtgiften“ (US 4 zweiter Absatz) noch der Hinweis auf in Aussicht genommene „Straftaten insbesondere mit Suchtmitteln“ (US 10 erster Absatz) eine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für eine in der Begehung von in § 278 Abs 2 StGB genannten strafbaren Handlungen (demnach ‑ soweit hier wesentlich ‑ von Verbrechen) gelegene kriminelle Zielsetzung der Vereinigung dar.

Hinzu kommt, dass § 278 Abs 1

StGB durch den einen höheren Strafsatz bedingenden (vom Erstgericht ohne Nachteil für die Angeklagten nicht angenommenen) Qualifikationstatbestand nach § 28a Abs 2 Z 2 SMG verdrängt wird, wenn gleichzeitig alle Tatbestandsmerkmale der Beteiligung an einer

kriminellen Vereinigung nur durch die Begehung einer strafbaren Handlung im Rahmen dieser

Vereinigung erfüllt sind (Plöchl in WK² StGB §

278 Rz 62 bis 64). Dabei ist vom Scheinkonkurrenztypus der Spezialität auszugehen (RIS-Justiz RS0119763), weil die in Rede stehenden Deliktstypen insoweit im Verhältnis von Gattung und Art zueinander stehen (Ratz in WK² StGB Vor §§ 28‑31 Rz 32). Dass sich die Beteiligung vorliegend nicht nur auf die vom Schuldspruch A umfassten Verbrechen nach § 28a SMG beschränkte (vgl Erkenntnis [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO] „durch die zu A geschilderten Tathandlungen“), sondern eine darüber hinausgehende Beteiligung ‑ etwa durch die geplante Verübung weiterer (noch nicht hinreichend konkretisierter) Verbrechen nach dem SMG oder durch wissentliche Förderung der Vereinigung ‑ vorlag, wird in den Entscheidungsgründen zwar vage angedeutet (vgl US 9 f), eine entsprechende konkrete Feststellungsbasis jedoch nicht geschaffen, womit

die Urteilsannahmen den Schuldspruch wegen des Vergehens der

kriminellen Vereinigung nach §

278 Abs 1

StGB auch in dieser Hinsicht nicht tragen.

Der vom Angeklagten Zenelj N***** zutreffend aufgezeigte, auch den Schuldspruch des Angeklagten Ramush R***** betreffende und insoweit von Amts wegen wahrzunehmende (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Rechtsfehler mangels Feststellungen zwingt hinsichtlich beider Angeklagter zur Aufhebung des Schuldspruchs B und demgemäß auch der Strafaussprüche schon bei der

nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht.

Das hinsichtlich des „sichergestellte[n] Suchtgift[es]“ und der sichergestellten Suchtgiftutensilien durch den in den Urteilstenor aufgenommenen Verweis „lt. Standblatt Nr. 037/14 (ON 38)“ gerade noch hinreichend konkretisierte, nämlich 969,3 Gramm Heroin (POS 1 in ON 38) und Verpackungsmaterial (POS 2 in ON 38) betreffende Einziehungserkenntnis (US 3 und US 13 letzter Absatz) ist in Ansehung des das Verpackungsmaterial betreffenden Einziehungsausspruchs mit Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO) behaftet, weil nur hinsichtlich der genannten Heroinmenge die Notwendigkeit der Einziehung evident ist. Den Entscheidungsgründen ist jedoch mangels Feststellungen zu dem in ON 38 angeführten Verpackungsmaterial nicht zu entnehmen, worin dessen besondere Beschaffenheit besteht, die die Einziehung geboten erscheinen lässt, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken (§ 26 Abs 1 StGB; RIS-Justiz RS0121298). Ein von den Angeklagten erklärtes Einverständnis mit der Vernichtung des Verpackungsmaterials ist nicht aktenkundig (vgl dazu RIS-Justiz RS0088201 [T11 und T14]).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Zenelj N***** ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer ‑ nur diesen betreffenden ‑ Berufung auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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