OGH 6Ob114/14d

OGH6Ob114/14d28.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen E***** F***** U*****, geboren am *****, zuletzt wohnhaft in *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des erblasserischen Sohnes E***** F***** U*****, vertreten durch Kopp ‑ Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 5. Juni 2014, GZ 2 R 136/14w‑84, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0060OB00114.14D.0828.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Bestimmung des Anerben nach § 3 AnerbenG kann regelmäßig nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls erfolgen und wirft daher im Allgemeinen keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf (6 Ob 135/13s mwN).

Der Rechtsmittelwerber meint, der außerordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen fehle,

‑ ob derjenige Miterbe zum Anerben zu bestimmen sei, der ein nachhaltiges Konzept für die Bewirtschaftung des Hofs vorlege, und

‑ ob der potentielle Anerbe zu erklären habe, ob er alle Teile des Erbhofs in gleicher Gewichtung erhalten werde oder ob die höhere Gewichtung einzelner Teilbetriebe (hier die Forstwirtschaft) bereits schade.

Erhebliche Rechtsfragen werden damit nicht aufgezeigt. Ein nachhaltiges Konzept für die Bewirtschaftung des Erbhofs hat auch der Rechtsmittelwerber vorgelegt.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die Auswahlkriterien des § 3 Abs 1 Z 1 bis 5 AnerbenG in ihrer Kombination zu lesen und auszulegen. Bei der Auslegung ist vor allem auch der Gesamtzweck des Höferechts zu beachten (6 Ob 253/05g). Bei der Bestimmung des Anerben nach § 3 AnerbenG kommt es auch darauf an, inwieweit die potentiellen Anerben die Erhaltung des Erbhofs als Ganzes beabsichtigen bzw auch gewährleisten können, ist doch grundlegendes Ziel des Höferechts die Erhaltung einer krisenfesten landwirtschaftlichen Struktur; die Zersplitterung bäuerlicher Betriebe soll möglichst vermieden werden (6 Ob 212/07f SZ 2008/12).

Das Rekursgericht hat diese Rechtsprechung seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Die Frage, inwieweit ein potentieller Anerbe die Erhaltung eines Erbhofs als Ganzes beabsichtigt, ist keine Rechtsfrage, sondern eine vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Tatfrage. Der vom Rekursgericht aus den Feststellungen des Erstgerichts gezogene Schluss, der Rechtsmittelwerber beabsichtige weit weniger als seine Miterbin, den Erbhof zur Gänze zu erhalten, ist als Schluss von Tatsachen auf Tatsachen eine den Obersten Gerichtshof bindende Feststellung einer Tatsache.

Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass keine Feststellungen getroffen worden seien, die die Beurteilung der Frage ermöglichten, ob die Miterbin zur Land‑ und Forstwirtschaft erzogen worden sei. Unter der Erziehung zur Land‑ und Forstwirtschaft ist jede Ausbildung zu verstehen, welche die für die Führung eines solchen Betriebs erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Ob ein Miterbe diese Ausbildung auf dem Hof oder auswärts (zB in einer Fachschule oder auf einer Universität) erhält oder erhalten hat, ist unerheblich (RIS‑Justiz RS0063189). Eine Ausbildung am Hof liegt dann vor, wenn eine Vermittlung der zur Führung eines Landwirtschaftsbetriebs erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Kindheit und Jugendzeit stattfand (6 Ob 245/03b). Die Mitarbeit von Kindern auf dem Hof bedeutet zunächst wohl nichts anderes, als dass die Kinder zu Hilfstätigkeiten herangezogen werden, etwa in einer arbeitsintensiven Erntezeit (6 Ob 245/03b).

Das Rekursgericht hat diese Grundsätze seiner Beurteilung der Frage, ob die Mitarbeit der Miterbin, die das Gymnasium und die Handelsakademie besuchte und Sparkassenangestellte wurde, am Erbhof als „Erziehung zur Land‑ oder Forstwirtschaft“ zu erachten ist, zugrunde gelegt und diese Frage auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts bejaht. Welche Art und welcher Umfang der Mitarbeit am elterlichen Hof in der Kindheit und Jugendzeit ausreichen, um die zur Führung eines Landwirtschaftsbetriebs erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, ist eine Frage der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls, der grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (6 Ob 245/03b). Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers zeigen keinen Umstand auf, der die Beurteilung des Rekursgerichts korrekturbedürftig erscheinen lassen würde.

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