OGH 15Os91/14t

OGH15Os91/14t27.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Moritz als Schriftführer in der Strafsache gegen Valentina S***** und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, AZ 3 U 171/13g des Bezirksgerichts Hall in Tirol, über die von der Generalprokuratur gegen die Durchführung der Hauptverhandlung und das Urteil des genannten Gerichts vom 28. Oktober 2013, GZ 3 U 171/13g‑16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Valentina S*****, AZ 3 U 171/13g des Bezirksgerichts Hall in Tirol, verletzen die Durchführung der Hauptverhandlung und die Fällung des Urteils jeweils in Abwesenheit dieser Angeklagten § 427 Abs 1 StPO.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Valentina S***** betreffenden Teil aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Hall in Tirol verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen, auch den Freispruch einer weiteren Angeklagten enthaltenden Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 28. Oktober 2013, GZ 3 U 171/13g-16, wurde die zur Hauptverhandlung ordnungsgemäß geladene (ON 14), nicht erschienene Valentina S***** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie am 26. Juli 2013 in H***** Lidija M***** durch Versetzen eines Tritts, wodurch diese eine Prellung des linken Knies erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Die in Abwesenheit der Angeklagten Valentina S***** erfolgte Durchführung der Hauptverhandlung und die Fällung des Urteils stehen ‑ wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt ‑ mit dem Gesetz nicht in Einklang:

Die Durchführung eines Abwesenheitsverfahrens setzt gemäß § 427 Abs 1 erster Satz StPO (unter anderem) voraus, dass der Angeklagte zuvor bereits gemäß §§ 164 oder 165 StPO zum Anklagevorwurf vernommen wurde. Eine Vernehmung als Zeuge trägt dem nicht Rechnung (Bauer/Jerabek, WK‑StPO § 427 Rz 8). Die förmliche Vernehmung eines Beschuldigten (§ 151 Z 2 StPO iVm § 164 Abs 1 und Abs 2 StPO) erfordert nämlich unter anderem dessen vorhergehende Information über den Tatvorwurf, über die Berechtigung, sich zur Sache zu äußern oder nicht auszusagen und sich zuvor mit einem Verteidiger zu beraten oder einen Verteidiger beizuziehen, sowie über den Umstand, dass eine Aussage seiner Verteidigung dienen, aber auch als Beweis gegen ihn Verwendung finden könne (14 Os 26/14a).

Die ausschließliche Vernehmung der Valentina S***** als Zeugin, die demgemäß ohne Belehrung über die entsprechenden Rechte und Pflichten als Beschuldigte erfolgte (ON 2 S 61 ff), stellt keine förmliche Vernehmung der Beschuldigten gemäß §§ 164 oder 165 StPO zum Anklagevorwurf dar. Demnach lagen die Voraussetzungen des § 427 Abs 1 erster Satz StPO nicht vor, woran nichts zu ändern vermag, dass die Genannte einer Ladung der Landespolizeidirektion Oberösterreich zur Beschuldigtenvernehmung keine Folge leistete (ON 2 S 65 ff).

Der Oberste Gerichtshof sah sich dazu veranlasst, das für die Angeklagte nachteilige Urteil im Schuld- und Strafausspruch der Valentina S***** aufzuheben und dem Bezirksgericht Hall in Tirol die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen.

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