European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00082.14V.0827.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch C./, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Johannes E***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe seit 14. September 2013 in G***** seine Stieftochter Aleyna E***** wiederholt durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zum Nachteil einer Sympathieperson zu einer Unterlassung zu nötigen versucht, indem er sie aufforderte, keine Aussage gegen ihn zu tätigen, widrigenfalls er sich umbringen werde, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Für die ihm weiterhin zur Last liegenden Verbrechen und Vergehen
wird Johannes E***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 201 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von
elf Jahren
verurteilt.
Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johannes E***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und § 15 StGB (A./I./1./, A./I./2./b./ und E./), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 (vierter Fall) StGB (A./I./2./a./), der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (A./II./), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und § 15 StGB (A./III./), des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 2 zweiter Fall StGB (A./IV./), des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A./V./) sowie der Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (A./VI./), des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (A./VII./), der Nötigung nach § 105 Abs 1 und § 15 StGB (A./VIII./, C./ und F./), der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 1 und Z 3 lit b StGB (B./) und der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 1 und Z 3 lit a und b StGB (D./) schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er
A./ „vom 13. März 2007 bis zum 14. September 2013 in A*****
I./ seine am 13. März 2000 geborene Stieftochter Aleyna E***** mit Gewalt
1./ zur Duldung des Beischlafs teils genötigt, teils zu nötigen versucht, indem er
a./ sie einmal zu Boden warf, sich auf sie legte, mit seinen Händen ihre Oberarme fixierte, ihre Hose bis zu den Knien nach unten zog und sie im ganzen Gesicht zu küssen begann, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil sie sich zur Wehr setzte und weglief;
b./ sie in mehrfachen Angriffen an den Armen und Beinen fixierte, seinen Penis an ihre Scheide ansetzte und versuchte, mit seinem Penis in ihre Scheide einzudringen;
2./ zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt und sie bei der zu Punkt A./I./2./a./ geschilderten Tathandlung in besonderer Weise erniedrigt, indem er
a./ sie in zumindest vier Angriffen festhielt, seinen erigierten Penis in ihren Mund einführte und in ihren Mund ejakulierte;
b./ sie zumindest einmal festhielt und ihr einen Vibrator in die Scheide einführte;
II./ außer dem Fall des § 201 StGB seine am 13. März 2000 geborene Stieftochter Aleyna E***** mit Gewalt zur Vornahme geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem er in mehrfachen Angriffen ihre Hand nahm, sie um seinen Penis legte und festhielt und derart Masturbationsbewegungen bis zur Ejakulation durchführte;
III./ mit seiner am 13. März 2000 geborenen Stieftochter Aleyna E*****, sohin mit einer unmündigen Person, den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, teils zu unternehmen versucht, indem er
1./ die unter Punkt A./I./ beschriebenen Tathandlungen setzte;
2./ in mehrfachen Angriffen diverse Vibratoren in ihre Scheide einführte;
3./ in zumindest einem Fall einen Finger in ihre Scheide einführte;
4./ zumindest einmal ihren After digital penetrierte;
IV./ seine am 13. März 2000 geborene Stieftochter Aleyna E***** in zumindest einem Fall (US 9 f, 12, 16; um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen) dazu zu verleiten versucht, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, indem er sie aufforderte, sich selbst einen Vibrator in die Scheide einzuführen;
V./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an seiner am 13. März 2000 geborenen Stieftochter Aleyna E*****, sohin an einer unmündigen Person vorgenommen oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er
1./ die unter Punkt II./ umschriebene Tathandlung beging;
2./ sie in wiederholten Angriffen an ihrer nackten Scheide betastete;
3./ sie in wiederholten Angriffen an ihrer bereits entwickelten Brust betastete;
4./ sie in wiederholten Angriffen an ihrer nackten Brust und Scheide leckte;
VI./ Handlungen die geeignet sind, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter 16 Jahren zu gefährden, vor nachstehenden unmündigen Personen vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er
1./ sich vor seiner am 13. März 2000 geborenen Stieftochter Aleyna E***** wiederholt selbst befriedigte und ihr dabei einmal auf den nackten Bauch ejakulierte und zumindest zweimal gemeinsam mit ihr Pornofilme ansah;
2./ der am 2. April 2000 geborenen Miriam H***** und der (gleichaltrigen; US 11) unmündigen Sumaya S***** mehrmals seinen erigierten Penis zeigte;
VII./ mit seiner am 13. März 2000 geborenen, minderjährigen und seiner Autorität unterstehenden Stieftochter Aleyna E***** geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von ihr an sich vornehmen lassen, oder, um sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, dazu zu verleiten versucht, eine geschlechtliche Handlung an sich selbst vorzunehmen, indem er die unter Punkt A./I./, II./, III./, IV./ und V./ beschriebenen Tathandlungen setzte;
VIII./ seine Stieftochter Aleyna E***** wiederholt durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper teils auch zum Nachteil einer Sympathieperson zu einer Unterlassung, und zwar zur Abstandnahme davon, jemandem von den sexuellen Übergriffen zu erzählen, genötigt, indem er ihr gegenüber wiederholt äußerte, dass sie niemandem, insbesondere nicht ihrer Mutter, davon erzählen solle, widrigenfalls er sie und ihre Mutter umbringen/erschießen werde;
B./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in den Jahren 2010/2011 und im Jahr 2013 in A***** pornographische Darstellungen seiner am 13. März 2000 geborenen Stieftochter Aleyna E*****, sohin einer unmündigen Person, nämlich wirklichkeitsnahe Abbildungen einer geschlechtlichen Handlung an einer unmündigen Person und wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien und der Schamgegend der unmündigen Minderjährigen, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, hergestellt, indem er ihre entblößte und gespreizte Scheide mit dem Fotoapparat ablichtete und filmte, wie er seinen Penis an ihrer Scheide rieb;
C./ seit 14. September 2013 in G***** seine Stieftochter Aleyna E***** wiederholt durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zum Nachteil einer Sympathieperson zu einer Unterlassung, und zwar von einer Aussage gegen ihn Abstand zu nehmen, zu nötigen versucht, indem er sie aufforderte, keine Aussage gegen ihn zu tätigen, widrigenfalls er sich umbringen werde;
D./ im Zeitraum ab zumindest 13. März 2010 bis zur Sicherstellung am 15. September 2013 in A***** sich pornographische Darstellungen mündiger und unmündiger minderjähriger Personen, nämlich wirklichkeitsnahe Abbildungen geschlechtlicher Handlungen an mündigen und unmündigen minderjährigen Personen und an einer anderen Person, sowie wirklichkeitsnahe Abbildungen der Genitalien Minderjähriger, wobei es sich bei Letzteren sowie bei den Darstellungen der mündigen Minderjährigen um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelt, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienen, nämlich Bild‑ und Videodateien, auf welchen Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen und unmündigen und mündigen Minderjährigen, an einem Erwachsenen von einer unmündigen Minderjährigen vorgenommener Oralverkehr, an einem Erwachsenen von einer unmündigen Minderjährigen vorgenommene Masturbations-handlungen und entblößte weibliche Genitalien unmündiger Minderjähriger abgebildet und dargestellt sind, sich verschafft und besessen, indem er diese aus einer nicht näher bekannten Quelle bezog und auf einer externen Speicherplatte 'Platinum' abspeicherte, wobei er acht Bild‑ und Videodateien im Ordner 'porn j' abspeicherte;
E./ zu nicht näher bekannten Zeitpunkten ab Juni 2006 in A***** seine Ehegattin Tatiana E***** mehrfach mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes genötigt, indem er mit seinen Händen ihre Unterarme fixierte, sich auf sie legte, ihre Beine mit seinen Beinen auseinander drückte und trotz Gegenwehr in sie eindrang;
F./ zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Jahr 2011 Tatiana E***** und Aleyna E***** durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Handlung, und zwar bei ihm zu bleiben und sich nicht von ihm scheiden zu lassen, genötigt, indem er ihnen gegenüber äußerte 'wenn du dich scheiden lässt, bring ich euch um'.“
(Nur) Gegen den Schuldspruch E./ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter sowohl mit der Aussage der Zeugin Tatjana E***** als auch mit der diesbezüglich leugnenden Verantwortung des Angeklagten eingehend auseinandergesetzt (US 15 f). Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob es zu einem oder mehreren Übergriffen gekommen ist (US 16 iVm ON 57 S 18, 21). Dem Gebot gedrängter Darstellung der Urteilsgründe folgend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO), war aber eine Erörterung jedes einzelnen Details der Aussage der Zeugin, wie etwa betreffend den Inhalt eines Telefonats wegen „der Vergewaltigung“ (ON 57 S 21), nicht geboten.
Aus dem gleichen Grund konnte ein Eingehen auf eine weitere Erklärung des Angeklagten zu den von ihm nach dem Geschlechtsverkehr mit seiner Ehefrau am Penis verspürten Schmerzen (ON 57 S 22; US 16), unterbleiben.
Dem Beschwerdestandpunkt zuwider kann auch von einer Aktenwidrigkeit der Begründung (Z 5 fünfter Fall) keine Rede sein; die in der Beweiswürdigung vorgenommene Zitierung der Aussage des Angeklagten, wonach ihn seine Ehefrau habe „tun lassen“, nachdem sie sich „anfangs geziert“ und erklärt habe, sie wolle keinen Geschlechtsverkehr, entspricht vielmehr exakt dem unbeanstandet gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung (US 16, ON 57 S 21 unten). Soweit sich die Rüge in diesem Zusammenhang auf eine weitere Aussage des Angeklagten („hat sie dann mitgetan“; ON 57 S 22) bezieht, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts.
Soweit die Beschwerde aus einzelnen Beweisergebnissen andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse zieht, vermag sie dadurch keinen Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen (RIS‑Justiz RS0098471 [T7]).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die ein Fehlen substanziierter Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, nimmt nicht ‑ wie bei Geltendmachung materieller Nichtigkeit jedoch stets geboten ‑ am Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit Maß. Die sich auf die vorangehende Beschreibung des objektiven Tatgeschehens (US 13) beziehende Konstatierung, wonach es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, Tatiana E***** bei diesen Handlungen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen, wird den gesetzlichen Anforderungen sowohl in Ansehung der Wissens‑ als auch der Willenskomponente gerecht (US 13). Welcher darüber hinausgehenden Feststellungen es bedurft hätte, legt das Rechtsmittel nicht dar.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Aus deren Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, dass dem Urteil zu C./ nicht geltend gemachte, dem Angeklagten jedoch zum Nachteil gereichende materielle Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) anhaftet.
Denn eine Drohung mit Selbstmord kann nur dann eine zur Verwirklichung des Tatbestands nach § 105 StGB geeignete gefährliche Drohung im Sinn des § 74 Abs 1 Z 5 StGB sein, wenn sie sich ihrem Bedeutungsinhalt nach unter einem als auch gegen den Bedrohten selbst oder eine diesem nahestehende dritte Person (Sympathieperson) gerichtete Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen erweist, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen (15 Os 148/07i; Schwaighofer in WK² § 105 Rz 53; Kienapfel/Schroll BT I3 § 105 Rz 51). Die Ankündigung eines Suizids allein erfüllt nicht die Kriterien einer gefährlichen Drohung nach § 74 Abs 1 Z 5 StGB (RIS‑Justiz RS0125246).
Nach den Urteilsfeststellungen äußerste der Angeklagte (nur), Selbstmord zu begehen, falls seine Stieftochter ihn mit ihrer Aussage belasten würde (US 13).
Der Schuldspruch C./ war sohin mangels Vorliegens eines im Sinn des § 105 Abs 1 StGB tatbildlichen Begehungsmittels ‑ gefährliche Drohung im Sinn des § 74 Abs 1 Z 5 StGB scheidet aus den dargelegten Gründen aus - aufzuheben und der Angeklagte von dem zu Grunde liegenden Vorwurf freizusprechen, weil auch in einem weiteren Rechtsgang Feststellungen, die einen Schuldspruch tragen würden, nicht zu erwarten sind (RIS‑Justiz RS0118545).
Bei der dadurch notwendigen Strafneubemessung wurden als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen, die Tatwiederholungen und der lange Deliktszeitraum, als mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, das überwiegende Geständnis sowie die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, gewertet.
Bei Abwägung dieser Strafzumessungskriterien und unter besonderer Berücksichtigung des langen, bis zur Aufdeckung reichenden Tatzeitraums, die Häufigkeit und Intensität der sexuellen Übergriffe und des Ausmaßes der angewendeten Gewalt ist eine Freiheitsstrafe von elf Jahren dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schuld des Täters angemessen. Eine auch nur teilbedingte Strafnachsicht scheidet schon aufgrund der Strafhöhe aus.
Das Erstgericht wird die weitere Vorhaftanrechnung durchzuführen haben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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