OGH 10Ob46/14h

OGH10Ob46/14h26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Johannes Schütz, Rechtsanwalt in Judenburg, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, wegen gerichtlicher Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 22. April 2014, GZ 1 R 6/14w‑45, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00046.14H.0826.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Den zwischen den Streitteilen im Jahr 2005 abgeschlossenen Bestandvertrag unterzeichneten auf Vermieterseite der Kläger als damaliger ¼‑Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich das Bestandobjekt (iSd § 1 Abs 2 Z 5 MRG) befindet und dessen Vater, der damals ¾‑Eigentümer dieser Liegenschaft war. Das Bestandverhältnis wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und dessen Kündbarkeit ohne Angaben von Kündigungsgründen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum 31. 3., 30. 6., 30. 9. und 31. 12. vereinbart.

Der am 20. 9. 2012 eingebrachten gerichtlichen Aufkündigung zum 31. 12. 2012 hielt der Beklagte dann entgegen, es komme der Kündigungsschutz nach dem MRG zur Anwendung. Im Jahr 2006 sei über dasselbe Bestandobjekt ein weiterer Mietvertrag abgeschlossen worden, in dem ‑ vom ursprünglichen Mietvertrag abweichend ‑ ua die Geltung der Kündigungsgründe der §§ 29 ff MRG vereinbart worden sei. Dass dieser zweite Mietvertrag nur vom Kläger (als ¼‑Eigentümer der Liegenschaft) und nicht auch von dessen Vater (als ¾‑Eigentümer) unterzeichnet worden sei, stehe der Gültigkeit im Hinblick auf § 366 2. Satz ABGB nicht entgegen. Der Vater des Klägers sei nämlich im Jahr 2008 verstorben und dem Kläger mit Einantwortungsbeschluss vom 21. 1. 2009 die Verlassenschaft zur Gänze eingeantwortet worden, somit auch der ¾‑Anteil an der Liegenschaft.

Die Ansicht der Vorinstanzen, der Beklagte könne seine Einwendung nicht erfolgreich auf § 366 2. Satz ABGB stützen, weshalb der 2006 abgeschlossene Mietvertrag unwirksam geblieben sei, weicht von der bisherigen Rechtsprechung nicht ab:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Nach § 366 Satz 2 ABGB kann derjenige, der zwar zur Zeit der Veräußerung noch nicht Eigentümer war, das Eigentum in der Folge aber erlangt hat, die Sache vom Erwerber nicht zurückverlangen. Es handelt sich nicht um eine bloße Einrede, dass die Sache verkauft und übergeben wurde, vielmehr tritt Konvaleszenz des Eigentums ein. Die Regelung schließt die Eigentumsklage des früheren Eigentümers aus und verschafft dem Erwerber Eigentum (SZ 41/37). Es tritt also bei Veräußerung einer körperlichen Sache eine Heilung des Verfügungsgeschäfts ein. Die Heilung kann auch eintreten, wenn der Berechtigte den Verfügenden beerbt (RIS‑Justiz RS0015086 = 2 Ob 206/55 = SZ 28/118; Spielbüchler in Rummel , ABGB 3 § 366 Rz 8).

1.2 § 366 Satz 2 ABGB stellt aber eine für den Bereich des Sachenrechts (für Sachen ieS) getroffene Ausnahmeregelung dar, die nicht auf das Schuldrecht anzuwenden ist (5 Ob 627/79, SZ 52/110; 7 Ob 269/05t; RIS‑Justiz RS0010857, Kodek in Klang 3, § 366 Rz 116). Diese Regelung schafft kein „allgemeines Prinzip des Zivilrechts“, sondern weist vielmehr in die gegenteilige Richtung. Ist ein Rechtsgeschäft mangels wesentlicher Voraussetzungen nichtig, so erlangt es grundsätzlich keine Gültigkeit, wenn die Voraussetzungen später eintreten (davon bestehen lediglich Ausnahmen wie zB die Konvaleszenz nach § 1432 ABGB soweit die vereinbarte Leistung tatsächlich erbracht wird oder eben die Heilung des Verfügungsgeschäfts durch späteren Eigentumserwerb desjenigen, der eine körperliche Sache veräußerte, ohne ihr Eigentümer zu sein (7 Ob 269/05t).

2.1 Dem entgegnet der Beklagte in seiner Revision lediglich, der Bestandvertrag habe infolge des rechtlich starken Schutzes des Mieters einen „starken sachenrechtlichen Bezug“, weshalb die bei der Anwendung des § 366 ABGB zwischen Kauf und Miete bisher getroffene Unterscheidung unsachlich und verfassungsrechtlich bedenklich wäre.

2.2 Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf:

Es bedeutet noch keine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke, wenn der Gesetzgeber eine Regelung nicht vorgenommen hat (RIS‑Justiz RS0008859 [T1]). Ohne Vorliegen einer Gesetzeslücke gleichsam an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und ‑ wie der Revisionswerber wünscht ‑ einen Regelungsinhalt (rechtsfortbildend) zu schaffen, dessen Herbeiführung ausschließlich dem Gesetzgeber obläge, steht den Gerichten aber nicht zu (RIS‑Justiz RS0008866 [T16]).

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