OGH 10Ob45/14m

OGH10Ob45/14m26.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. K*****, (nunmehr verehelichte S*****), *****, vertreten durch Niederbichler Rechtsanwälte GmbH Dr. Walter Niederbichler, Mag. Johanna Griesbeck in Graz, gegen die beklagte Partei Mag. E*****, vertreten durch Mag. Gregor Kohlbacher, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert 7.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24. April 2014, GZ 5 R 44/14y‑63, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 7. Jänner 2014, GZ 254 C 968/11v‑59, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0100OB00045.14M.0826.000

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Die Klägerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG *****, bestehend aus dem unbebauten ‑ als Pferdekoppel ‑ landwirtschaftlich genutzten Grundstück *****. Die Beklagte ist Alleineigentümerin der unmittelbar angrenzenden Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit den Grundstücken ***** und ***** mit dem Haus N*****.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden auf § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB gestützten Klage von der Beklagten die Unterlassung einer von deren Grundstück ausgehenden ‑ durch die Entsorgung ihrer Oberwässer über in 1,5 m bis 2 m tief gelegene Drainagerohre und durch die Art der Führung ihrer Niederschlagswasser über knieförmige Dachablaufrohre in Richtung des Grundstücks der Klägerin bewirkten ‑ jedenfalls unzulässigen direkten Zuleitung von Meteorwasser auf das Grundstück der Klägerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im Wesentlichen mit der Begründung ab, die von der Klägerin behauptete unmittelbare Zuleitung habe nicht festgestellt werden können. Eine unmittelbare Zuleitung von Abwasser vom Grundstück der Beklagten zum Grundstück der Klägerin durch unterirdische Drainagerohre habe nicht festgestellt werden können. Gegenüber dem unbebauten Zustand ergebe sich eine leichte Verschlechterung der Situation für das Grundstück der Klägerin durch Niederschlagswasser nur bei fünfjährigen Starkregenereignissen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es verwies einleitend darauf, dass die Klägerin im Rechtsmittelverfahren die im erstinstanzlichen Verfahren auch als unmittelbare Zuleitung relevierte unterirdische Wasserableitung durch Drainagerohre nicht mehr thematisiere, sondern ihr Begehren ausschließlich noch darauf stütze, dass eine unmittelbare Zuleitung von Niederschlagswasser auf ihr Grundstück durch die am Dach des Gebäudes der Beklagten angebrachten Dachablaufrohre erfolge. Es legte im Folgenden ausführlich die herrschende Rechtsprechung zur Bestimmung des § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB dar und verwies insbesondere darauf, dass grundsätzlich jede unmittelbare Zuleitung auf den Nachbargrund ohne besonderen Rechtstitel unzulässig sei. Werde durch eine unmittelbare Zuleitung eine willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse von Oberflächenwasser bewirkt, könne eine auf § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB gestützte Eigentumsfreiheitsklage des durch eine solche Maßnahme ‑ wenn auch nur im Fall selten wiederkehrender katastrophaler Niederschläge - beeinträchtigten Nachbarn als Eigentümer eines unverbauten, landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücks nur dann scheitern, wenn sein Unterlassungsbegehren nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls als Rechtsmissbrauch (Schikane) zu beurteilen sei. Gegenteiliges gelte nur dann, wenn sich eine willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse auf das Grundstück eines Nachbarn nur geringfügig auswirke und diese Folge kein Vernünftiger als nennenswerten Nachteil ansehe. Eine Störung liege nach der Rechtsprechung dann nicht vor, wenn durch eine Anlage zur Ableitung von Niederschlagswasser im Ergebnis nicht mehr Wasser auf den Nachbargrund gelange als durch die natürlichen Abflussverhältnisse.

Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass die auf dem Dach des Gebäudes der Beklagten angebrachten Dachablaufrohre, welche Niederschlagswasser auf das Grundstück der Beklagten, aber auch in Richtung des Grundstücks der Klägerin entsorgen, als „Veranstaltungen“ zur Ableitung von Niederschlagswasser anzusehen seien. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen sei davon auszugehen, dass es nur bei Extrem/Starkregenereignissen über einem einjährigen Ereignis, also bei höherer Jährlichkeit, zu einem teilweisen Ab‑ und Weiterfluss der Oberflächenniederschlagswasser aus dem Bereich der Dachflächen des Gebäudes und der Wiesenflächen des Grundstücks der Beklagten auf das Grundstück der Klägerin komme und dieser Ab‑ und Weiterfluss zudem nicht höher ausfalle, als dies bei einer unbebauten, nicht aufgeschütteten Fläche des Grundstücks der Beklagten der Fall wäre. Die von der Beklagten im Bereich der Wiese zwischen ihrem Objekt und der Grundstücksgrenze der Liegenschaft der Klägerin angebrachte Schüttung stelle im Gegenteil eine Verbesserung der Versickerungssituation auf der Wiese dar. Die konkrete Situation der Bebauung auf der Liegenschaft der Beklagten führe jedenfalls bei Starkregenereignissen mit einer Jährlichkeit von weniger als fünf Jahren mit Sicherheit zu keiner höheren Regenwasserableitung auf das Grundstück der Klägerin als im unbebauten Zustand. Die konkrete Situation der Bebauung auf der Liegenschaft der Beklagten führe nur im Falle des fünfjährigen Starkregenereignisses bei Berücksichtigung des ungünstigeren Werts für die Bodendurchlässigkeit der Schüttung zu einer leichten Verschlechterung der Situation gegenüber einem unbebauten Zustand des Grundstücks der Beklagten. Bei dieser Situation seien die Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin insgesamt als nur geringfügig anzusehen und blieben ohne nennenswerte Nachteile für die Klägerin, weshalb im Sinne der zitierten Rechtsprechung eine die Klägerin zur Einbringung der Eigentumsfreiheitsklage wegen unmittelbarer Zuleitung berechtigende Situation im konkreten Fall nicht vorliege.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision im Hinblick darauf, dass man die Rechtslage auch anders als das Berufungsgericht beurteilen könne, zulässig sei.

Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision der Klägerin mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel im Wesentlichen geltend, dass jede unmittelbare Zuleitung von Wasser auf einen Nachbargrund ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig sei und der Nachbar selbst eine relativ geringfügige Zuleitung von Regenwasser nicht dulden müsse. Der Beklagten wäre es leicht und ohne großen Aufwand möglich, die Oberflächenwasser direkt auf ihrem Grundstück zu entsorgen (Einschlauchen der Dachablaufrohre). Auch der von den Vorinstanzen zwischen einem unbebauten und einem bebauten Grundstück angestellte Vergleich sei unzulässig.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks den Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen etwa durch Abwässer insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitungen ‑ insbesondere auch von Wasser ‑ sind ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

1.1 Diese gesetzliche Regelung differenziert nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zwischen unmittelbaren und mittelbaren Einwirkungen (direkten und indirekten Immissionen) auf das Grundstück des Nachbarn, je nach dem, ob die Tätigkeit des anderen Eigentümers unmittelbar auf die Einwirkung gerichtet ist oder letztere nur zufällig eintritt (1 Ob 169/06v, SZ 2006/152). Vom Begriff einer direkten oder indirekten Immission nicht erfasst ist die natürliche Beschaffenheit des Nachbargrundstücks. Daher lösen etwa die natürlichen Abflussverhältnisse keine nachbarrechtliche Haftung aus ( Eccher/Riss in KBB 4 § 364 Rz 8 mwN). Der Grundeigentümer ist auch nicht verpflichtet, Hangwasser oder eine Hangquelle einzufangen oder den natürlichen Wasserablauf zu verändern, damit das Wasser nicht auf das Nachbargrundstück gelangt (1 Ob 279/02i mwN). Dagegen müssen die Maßnahmen Anderer, die unmittelbar auf eine Zuleitung abzielen, nicht hingenommen werden. Dies betrifft etwa erdbautechnische Änderungen auf einem Grundstück, als deren Folge die für das Niederschlagswasser bis dahin bestehenden natürlichen Abflussverhältnisse geändert wurden. Demgemäß gelten erdbautechnische Veränderungen am höher gelegenen Grundstück wie Geländekorrekturen durch Aufschüttungen und Planierungen, die eine maßgebliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Niederschlagswassers zum Nachteil des Unterliegers bewirken, als unmittelbare Zuleitungen nach § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB. Gelangt daher infolge der Änderung einer natürlichen Regenabflusssituation bei extrem starken Regenfällen Wasser auf der Erdoberfläche der Hangneigung folgend in nicht unbeträchtlichen Mengen auf das Grundstück des Unterliegers, so ist darin eine unmittelbare Zuleitung zu erblicken (1 Ob 169/06v, SZ 2006/152 mwN).

1.2 Nach der eine unmittelbare Zuleitung bewirkenden willkürlichen Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse von Oberflächenwasser kann eine auf § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB gestützte Eigentumsfreiheitsklage des durch eine solche Maßnahme ‑ wenn auch nur im Fall selten wiederkehrender katastrophaler Niederschläge ‑ beeinträchtigten Nachbarn als Eigentümer eines unverbauten, landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücks nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 169/06v, SZ 2006/152) nur dann scheitern, wenn sich eine willkürliche Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse auf das Grundstück eines Nachbarn nur geringfügig auswirkt und diese Folge kein Vernünftiger als nennenswerten Nachteil ansähe oder das Unterlassungsbegehren nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls insgesamt als Rechtsmissbrauch (Schikane) zu beurteilen ist. Es können daher natürlich vorhandene Einwirkungen auf das Nachbargrundstück ebensowenig mittels Eigentumsfreiheitsklage abgewehrt werden wie Einwirkungen, die bloß geringfügige Auswirkungen auf das betroffene Grundstück haben. Der Liegenschaftseigentümer ist auch nicht verpflichtet, Vorkehrungen gegen die Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Grundstücks zu treffen ( Oberhammer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 I § 364 Rz 5 mwN).

2. In der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, das Unterlassungsbegehren der Klägerin sei nicht berechtigt, weil die Auswirkungen auf ihr Grundstück bloß geringfügig seien und für sie keine nennenswerten Nachteile entstünden, kann keine vom Obersten Gerichtshof unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erblickt werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es nach den Feststellungen der Vorinstanzen bei normalen Regenfällen zu keinem Wasserübertritt auf das Grundstück der Klägerin kommt und bei starken Regenfällen auch bei einem unbebauten Grundstück der Beklagten aufgrund der vorhandenen Bodenverhältnisse ein Teil des auf dem Grundstück der Beklagten anfallenden Regenwassers auf das Grundstück der Klägerin fließen würde, wobei die Bebauung bei Starkregenereignissen mit einer Jährlichkeit von weniger als fünf Jahren mit Sicherheit zu keiner höheren Regenwasserableitung als im unbebauten Zustand führt. Das Berufungsgericht hat auch darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten im Bereich der Wiese zwischen ihrem Objekt und der Grundstücksgrenze der Liegenschaft der Klägerin angebrachte Schüttung eine Verbesserung der Versickerungssituation auf der Wiese darstellt. Nur im Falle eines fünfjährigen Starkregenereignisses würde sich durch die Bebauung des Grundstücks der Beklagten bei Berücksichtigung des ungünstigeren Werts für die Bodendurchlässigkeit der Schüttung die Situation am Grundstück der Klägerin leicht verschlechtern. Vom Sachverständigen DI P***** konnten beim Lokalaugenschein am Grundstück der Klägerin im Bereich der Grundstücksgrenze keinerlei Abrinn‑ oder Erosionsspuren festgestellt werden (vgl S 19 in ON 41). Es wurde von der Klägerin auch gar nicht behauptet, dass Erosionsschäden bereits eingetreten wären bzw mit dem Eintritt von Erosionsschäden als wesentliche Beeinträchtigung ihrer Interessen zu rechnen wäre. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, es liege im gegenständlichen Fall daher nur eine geringfügige Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin vor, welche eine Unterlassungsklage nach § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB nicht rechtfertige, ist jedenfalls vertretbar.

3. Ausgehend von diesen Erwägungen erübrigt sich ein näheres Eingehen auf eine von der Beklagten auch geltend gemachte schikanöse Rechtsausübung durch die Klägerin und das damit im Zusammenhang stehende Revisionsvorbringen der Klägerin, es wäre für die Beklagte leicht und ohne großen Aufwand möglich gewesen, die Meteorwässer direkt auf ihrem Grundstück zu entsorgen.

4. Insgesamt vermag die Klägerin daher zu ihrer Revision keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzuzeigen. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war ihr Rechtsmittel daher zurückzuweisen. Dabei konnten sich die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofs gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen und daher die Kosten ihrer nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Revisionsbeantwortung selbst zu tragen. In der bloßen Erwähnung (im Schlussantrag der Revisionsbeantwortung), der Oberste Gerichtshof möge die ordentliche Revision der klagenden Partei „zurück‑/abweisen“, ist kein Hinweis auf den wahren Zurückweisungsgrund zu erblicken, befasst sich doch die Revisionsbeantwortung sonst ausschließlich materiell mit dem Revisionsvorbringen (7 Ob 159/01k mwN).

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