OGH 3Ob107/14b

OGH3Ob107/14b23.7.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des Dr. F*****, vertreten durch seine Sachwalterin E*****, diese vertreten durch Mag. DDr. Ingeborg Guhswald, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Mai 2014, GZ 45 R 80/14v, 45 R 81/14s-86, womit infolge der Rekurse des Betroffenen die Beschlüsse des Bezirksgerichts Hietzing vom 30. Jänner 2014, GZ 10 P 262/11b‑78 und ‑79, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00107.14B.0723.000

 

Spruch:

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG), soweit damit die Nichtgenehmigung des Kaufvertrags vom 2. Dezember 2013 mit Beschluss ON 78 bestätigt wurde.

II. Aus Anlass des Revisionsrekurses wird die Rekursentscheidung, soweit damit dem Rekurs gegen den Übertragungsbeschluss ON 79 nicht Folge gegeben wurde, dahin abgeändert, dass der Übertragungsbeschluss des Erstgerichts ON 79 ersatzlos als nichtig behoben wird.

Text

Begründung

Zu I. Die Zurückweisung des außerordentlichen Revisionsrekurses bedarf mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG keiner Begründung.

Zu II. Ungeachtet des (auch derzeit noch bestehenden) Aufenthalts des Betroffenen im Sprengel des ursprünglich einschreitenden Bezirksgerichts Favoriten kam es im Jahr 2011 zur Übertragung an (ON 49) und zur Übernahme der Zuständigkeit durch das Bezirksgericht Hietzing (ON 50). Beide Beschlüsse wurden sowohl dem Betroffenen als auch der Sachwalterin am 10. November 2011 zugestellt und blieben unbekämpft.

Mit Beschluss des Erstgerichts vom 30. Jänner 2014, ON 79, sprach es seine Unzuständigkeit aus und übertrug das Verfahren „zur Gänze an das Bezirksgericht Favoriten“. Der Betroffene habe seinen ständigen Aufenthalt in dessen Sprengel, jedoch im Laufe des Verfahrens nie im Sprengel des Erstgerichts. Überdies sei die Führung des Verfahrens durch das Bezirksgericht Favoriten zweckmäßiger. Dieser Beschluss wurde dem Betroffenen und der Sachwalterin jeweils am 5. Februar 2014 zugestellt, eine Übermittlung des Akts an das Bezirksgericht Favoriten erfolgte nicht.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betroffenen nicht Folge und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage für nicht zulässig. Die seinerzeitige Bereitschaft des ursprünglich zuständigen Richters zur Übernahme der Zuständigkeit durch das Erstgericht ändere an den Zuständigkeitsbestimmungen nichts. Die nunmehrige Wahrnehmung dessen Unzuständigkeit sei auch trotz unveränderter Voraussetzungen nicht zu beanstanden. Darüber hinaus erweise es sich iSd § 111 JN als zweckmäßiger, die Rechtssache dem Bezirksgericht Favoriten zu übertragen.

Dagegen erhob der Betroffene einen außerordentlichen Revisionsrekurs, in dem auf die „beschlussmäßig festgestellte Zuständigkeit“ des Erstgerichts hingewiesen und klar erkennbar die ersatzlose Behebung der Zuständigkeitsübertragung angestrebt wird.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass dieses Revisionsrekurses ist von Amts wegen die dem Übertragungsbeschluss des Erstgerichts ON 79 anhaftende Nichtigkeit aufzugreifen.

Das Erstgericht unterließ in diesem die Nennung einer gesetzlichen Bestimmung, auf der der Ausspruch der Unzuständigkeit und die Übertragung der Zuständigkeit basieren. Die Diktion des Spruchs der Entscheidung lässt aber wegen des Ausspruchs der eigenen Unzuständigkeit mit ausreichender Klarheit die Bestimmung des § 44 JN als Rechtsgrundlage erkennen. Bei der abschließenden Begründung, die Führung des Verfahrens durch das Bezirksgericht Favoriten sei im Hinblick auf § 278 Abs 3 ABGB (Prüfpflicht des Sachwalterschaftsgerichts) zweckmäßiger, die auf § 111 JN hinweist, handelt es sich offensichtlich um ein bloßes Hilfsargument (arg „Überdies ...“). Das gilt auch für die Begründung der zweiten Instanz (arg „Darüber hinaus ...“ [S 10]).

Die Vorinstanzen verkennen allerdings die Rechtsfolgen der Existenz der rechtskräftigen Zuständigkeitsentscheidung aus dem Jahr 2011 (ON 49 und 50) in Verbindung mit dem Umstand, dass sich der dauernde Aufenthalt des Betroffenen im Sprengel des Bezirksgerichts Favoriten seither nicht geändert hat. Deren Bindungswirkung (§ 42 Abs 3 JN) steht somit aber der Wahrnehmung der Unzuständigkeit des Bezirksgerichts Hietzing und der Überweisung an das Bezirksgericht Favoriten entgegen (Ballon in Fasching/Konecny² § 44 JN Rz 10). Der dennoch gefasste Beschluss ON 79 stellt deshalb einen unzulässigen Eingriff in die Rechtskraft der vorausgehenden Zuständigkeitsentscheidung dar, was seine Behebung als nichtig verlangt (§ 56 Abs 1 iVm § 66 Abs 1 AußStrG). Eine Nichtigerklärung eines erstgerichtlichen Verfahrens konnte unterbleiben, weil ein solches zur Zuständigkeitsfrage wegen der amtswegigen Entscheidung des Erstgerichts nicht gesondert geführt wurde. Dieser schwere Verfahrensverstoß ist nach § 55 Abs 3 iVm § 71 Abs 4 AußStrG auch von Amts wegen wahrzunehmen und selbst dann, wenn er vom Rekursgericht verneint wurde (RIS‑Justiz RS0121265).

Da die Vorinstanzen auch auf die Zweckmäßigkeit der Zuständigkeitsübertragung verwiesen haben, ist die Klarstellung angebracht, dass derzeit auch eine Rückübertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Favoriten unter Berufung auf § 111 JN wegen der aufrechten Bindungswirkung der vorhergehenden Zuständigkeits‑ entscheidung ausgeschlossen ist. Sowohl der Aufenthaltsort des Betroffenen als auch der Wohnort der Sachwalterin bildeten nämlich die Basis für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung, ob die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Hietzing den Interessen des Betroffenen entspricht. Mangels Änderung dieser Sachverhaltsgrundlage besteht aber für eine neuerliche Prüfung kein Raum. Jedenfalls vermag eine andere rechtliche Beurteilung durch das nunmehr beim übernehmenden Gericht zuständige Gerichtsorgan (und dessen Rechtsmittelinstanz) eine Durchbrechung der Rechtskraft der Vorentscheidung nicht rechtzufertigen.

Stichworte